Comptes-rendus d'événement
„ICH BIN NOCH LANGE NICHT FERTIG“
Am 21. Februar 2018 lud die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit dem FrauenZentrum Erfurt zum Thüringer Frauengesprächskreis ein, welcher diesmal unter dem Motto „MUT ZUR VERANTWORTUNG – IN DER POLITIK BRAUCHEN SIE GRUNDSÄTZE UND KOMPROMISSBEREITSCHAFT“ stand. Impulsgeberinnen des Abends waren Bundesministerin und Bundestagspräsidentin a.D. Prof. Dr. Rita Süssmuth sowie Marion Walsmann MdL, die mit der Moderatorin Britta Weck über die Rolle von Frauen in der Politik ins Gespräch kamen. Die Idee zu dieser Gesprächsrunde kam der Leiterin des FrauenZentrums, Christina Erdmenger, bereits vor etwa eineinhalb Jahren, als Rita Süssmuth in der Erfurter Volkshochschule referierte. Schon damals begeisterte die Professorin ihre Zuhörer. Das sollte sich wiederholen.
Nach der Begrüßung und Einleitung durch die Landesbeauftragte für Thüringen und Leiterin des politischen Bildungsforums Thüringen, Maja Eib, sprach Prof. Dr. Süssmuth zur Bedeutung gesellschaftspolitischen Engagements von Frauen für die Demokratie und unsere Gesellschaft. In ihrem Impulsreferat verstand es die Bundestagspräsidentin a.D. anhand von konkreten Beispielen die aktuelle Situation und Rolle der Frauen in Europa und der Welt, auch in der Politik, zu zeichnen. Bezugnehmend auf eine gerade stattgefundene Frauenkonferenz in Paris, entwarf Süssmuth so ein Bild der „festgefahrenen Politik“ und die Chance der Frauen, sich für ein Gewaltende in der Welt einzusetzen. Die von ihr zitierten Bücher von Stèphane Hessel: „Empört Euch“ und „Engagiert Euch“ veranschaulichen recht deutlich, dass ein Stehenbleiben für sie niemals in Frage kam und eher ein „Jetzt erst recht“ hervorrief. Frauen bewegen Themen anders als Männer. Nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Umsetzung. Rückblickend auf persönliche Erfahrungen appellierte Rita Süssmuth daran das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen und kämpferisch für eigene Ideen und Vorstellungen zum gesellschaftlichen Zusammenleben einzustehen. Allerdings betonte sie auch, dass man einen Personenkreis braucht, auf den man sich verlassen kann, denn „bestimmte Problemlösungen finden sich nur, indem man sich zusammenschließt und gemeinsam Dinge voranbringt.“
Frauen und Politik
Im Gespräch zwischen beiden wird schnell deutlich - Rita Süssmuth und Marion Walsmann verbindet vor allem ihr unverkennbar starkes Frauenbild. Beide unterstreichen das große Maß an Potenzial, das in Frauen steckt und all zu oft unausgeschöpft bleibt. Ein Großteil an Frauen äußert das Bedürfnis Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu wollen, doch dafür müssten die Rahmenbedingungen stimmen, so Walsmann. Konsequenz daraus ist, dass noch mehr für die Vereinbarung von Beruf und Familie unternommen werden muss, „denn keine moderne Frau möchte ganz in alte Weisen zurückfallen.“ Ganz im Gegenteil, Frauen wollen neben Familie und Beruf auch gesellschaftlich und politisch aktiv sein. Obwohl sich schon viel verbessert hat, sind wir noch weit entfernt von der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und müssen dementsprechend neue Modelle entwickeln und mit Vertrauen und Mut diese Veränderungen vornehmen. Laut Süssmuth sei es für Frauen an der Zeit Veränderungen in großen Schritten anzugehen, da sie die gleichen Fähigkeiten wie Männer besitzen. Und die verbreitete Forderung, „wir bräuchten qualifizierte Frauen“, widerlegt sie mit der rhetorischen Frage, ob wir denn auch nur qualifizierte Männer hätten. Ob in der Politik oder im beruflichen Leben, es sei nach wie vor überfällig, dass sich Frauen mit voller Kraft auch in Führungspositionen begeben und sich für ihre Ideen und Ansichten stark machen.
Frauen und Macht
Für Süssmuth ist der Machtbegriff nach wie vor negativ besetzt, denn es geht zu einem großen Teil um die Herrschaft über andere, statt Kooperationsverhältnisse zu etablieren. In ihren Ausführungen widerspricht sie der oft propagierten Annahme, Frauen würden nicht nach Macht streben. Auch Frauen üben kontinuierlich Einfluss aus, wenn auch unbewusst. Sie streben genau wie Männer nach Macht. Mit Blick auf ihre Erfahrungen definiert Rita Süssmuth Sprache als einen wichtigen Machtfaktor. Wer die Macht der Sprache zu nutzen weiß, kann daraus einen großen Vorteil ziehen. Um ihre Ansicht über das Verhältnis von Frauen und Macht auszudrücken, orientiert sich Marion Walsmann an Frauen in Führungspositionen. Indem sie die Handlungs- und Denkmuster von Männern und Frauen vergleicht, wird deutlich, dass Frauen oft zu bescheiden sind. Während Männer oft ohne zu zögern das Angebot einer höheren Position ergreifen, nehmen sich Frauen mehr Bedenkzeit und berücksichtigen die Auswirkungen ihrer Entscheidung.
Publikumsfragen
„Warum sind Sie gerade in der CDU?“ – Mit dieser Frage konfrontierte eine junge Zuhörerin Prof. Dr. Süssmuth, die zur Beantwortung die Nähe des Publikums suchte und sich ihren Weg durch die Stuhlreihen bahnte. Ihre Mitgliedschaft in dieser Partei sei vor allem auf die Prägung durch ihre Familie, allem voran ihren Vater, zurückzuführen. Nichtsdestotrotz habe sie Freunde in anderen Parteien und untermauerte noch einmal die Bedeutsamkeit der politischen Diversität, aus der ein großer Mehrwehrt im demokratischen Wettstreit geschöpft werden kann.
Schlusswort
Marion Walsmann, die als erste das Schlusswort hielt, gab den Frauen und vereinzelten Männer im Publikum noch Empfehlungen mit auf den Weg, die sie zum Denken und Handeln anstoßen sollen. Ganz unter dem Motto der Veranstaltung appellierte sie daran Mut zur Verantwortung zu übernehmen und Ideen in die Tat umzusetzen und diese nicht schlicht bei Gedanken zu belassen. Die besten Veränderungen seien jene, die man selbst anpackt und gestaltet. Dazu bedarf es ein gesundes Maß an Offenheit und den Willen sich Gleichgesinnte und Verbündete zu suchen, ohne die das Erreichen der eigenen Ziele erschwert würde. Rita Süssmuth schloss sich diesen ermutigenden Worten an und ergänzte, dass sie an die Kraft, das Durchhaltevermögen und das Potenzial der Frauen glaube. Das haben ihr verschiedenste Situationen gelehrt. Mit ihren abschließenden Worten „Ich bin noch lange nicht fertig“ gab sie den Zuhörerinnen Hoffnung auf einen neuen Besuch ihrerseits. Zuletzt gestand Süssmuth Fehler im Umgang mit den Menschen in Ostdeutschland nach der Wende ein. Aus heutiger Sicht sei nicht das langsame Zusammenwachsen, sondern das aufeinander Zugehen der bessere Weg gewesen. Das würde auch heute noch gelten. Aufeinander Zugehen, statt langsam Zusammenwachsen – Daraus ergibt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt.