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Comptes-rendus d'événement

Verlust der Mitte - Deutschland und Europa in Zeiten der Unübersichtlichkeit

de Annika von Berg

Eine Veranstaltung aus der Reihe des Ettersburger Diskurses zur gesellschaftlichen Situation der Zeit

Im Ettersburger Schloss diskutierten bei dieser Veranstaltung Roland Koch (hessischer Ministerpräsident a.D.) und Mike Mohring (MdL) über den Verlust der Mitte, die Bedeutung der Mitte und Deutschland und Europa in Zeiten der Unübersichtlichkeit.

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Am 16. Mai luden die Konrad-Adenauer Stiftung und das Schloss Ettersburg erneut zum Ettersburger Diskurs ein. Diesmaliges Thema war der Verlust der Mitte – Europa und Deutschland im Zeitalter der Unübersichtlichkeit. Als Gäste der Diskussion waren Roland Koch, ehemaliger hessischer Ministerpräsident, und Mike Mohring, MdL und Schirmherr der Veranstaltungsreihe geladen. Die Moderation übernahm wie üblich im Ettersburger Diskurs der Hausherr und Direktor des Ettersburger Schlosses, Dr. Peter Krause.

Zunächst eröffnete Maja Eib, Leiterin des politischen Bildungsforums Thüringen, mit einer herzlichen Begrüßung und bot anschließend eine Einführung in die Fragestellung der Veranstaltung. In ihrer Begrüßung verwies Eib auf den gesellschaftlichen Wunsch eines sachlichen und kritischen Dialogs dem jedoch Hetze und vorgefertigten Meinungen, vor allem im Internet, gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang sei das Thema der Verlust der Mitte und der damit einhergehende Verlust des Vertrauens in politischen Institutionen und die Bedrohung durch nationalistische und populistische Parteien bedeutend.

Eine zentrale Frage, die Maja Eib schließlich aufwarf und die auch Roland Koch in seinem Redebeitrag aufgriff, ist die Frage nach einer Definition der Mitte. Eib stellte letztlich fest, dass sich die Politik in heftiger Diskussion um die Zukunft Europas befinde. Demgegenüber scheinen sich aber zumindest Teile der Gesellschaft, wie an der Pulse of Europe-Bewegung deutlich wird, eine durchaus pro-europäische Zukunft zu wünschen. Die Frage sei daher wie diese Stimmung ganz Europa vermittelt werden kann.

Koch möchte für Europa und für die Mitte streiten

Während Maja Eib viele Fragen aufwarf, versuchte Roland Koch einige Fragen zu beantworten. So sagt er in seinem Redebeitrag ganz deutlich die Mitte kann nicht definiert werden und sei auch nicht einfach zu finden. Dennoch versuchte er ein politisches Verständnis zu etablieren, mit dem ein möglicher Weg aus der Krise der verlorenen Mitte gefunden werden könne. Basis dieses Verständnisses ist die Tatsache, dass es bezüglich jeder Entscheidung mindestens zwei Alternativen gibt. Die Mitte sei dann die Mehrheit, die eine Entscheidung für eine Alternative akzeptiert. Hier verwies Koch besonders auf die Diskurskultur des ewigen Diskutierens, die hier Probleme schaffe.

Anschließend beschäftigte sich Koch mit der Frage, wenn man denn nun wisse was die Mitte sei, wie man sie finde, das heißt wie man eine Wahl trifft wen die Entscheidung einschließt. Denn eine Definition der Mitte, bedeutet nicht, dass eine Entscheidung für eine Alternative bereits vorliegt. Mitte zu schaffen verläuft laut Koch über gemeinsame Interessen. Früher sei dies die christlich-jüdische Kultur gewesen. Heute liege das Interesse der Menschen stärker darin nicht als Globalisierungsverlierer dazustehen und darin, dass Ängste vor der Globalisierung von der Politik adressiert werden.

So sei die gesellschaftliche Elite, die die Regeln der Globalisierung wie etwa das Bretton-Woods System festlegten sehr international. Und während diese gesellschaftliche Elite die Folgen der Globalisierung, das heißt notwendige Fremdsprachenkenntnisse und stetige Reisen um die Welt gut findet, fürchtet sich der Rest der Gesellschaft davor. Somit haben diejenigen, die die Regeln der Globalisierung erstellten versagt einen Kompromiss zu finden, der die Bedürfnisse des Rests anspricht. Und dies führe letztlich zum Erfolg des Populismus und somit zum Verlust der Mitte. Denn was Populisten ganz oben auf die Agenda stellen ist Systemkritik und Systemumsturz, das heißt eine vollkommene Abkehr von jenen Regeln, die die ‚verlorene Mitte‘ zum Globalisierungsverlierer macht und eine Abkehr von der gesellschaftliche Elite, die die Regeln bestimmt.

Wie also muss Deutschland und auch Europa reagieren um einerseits der Attraktivität von Populisten entgegenzusteuern und andererseits eine Mitte zu sichern beziehungsweise wiederherzustellen? Koch plädierte hier ganz eindeutig für die Etablierung eines Sicherheitsgefühls und für dieses Sicherheitsgefühl zu streiten. Ein essenzieller Punkt sei dabei, dass der Staat die Aufgaben, die die Basis der staatlichen Souveränität bilden, wieder aufnimmt, nämlich den Schutz der Bevölkerung. Denn wird diese Aufgabe erfüllt, werde das Vertrauen in die staatlichen Institutionen (und somit seine Definition von Mitte) wiederhergestellt. Dies sei konkret dadurch umzusetzen, dass Grenzen gesichert werden müssen. Wichtig zu erwähnen ist hier, dass Koch hier nicht zwingend von nationalstaatlichen Grenzen, sondern von europäischen Außengrenzen sprach. Und letztlich müsse dies auch in tatsächlichen Handlungen sichtbar gemacht werden und diese Handlungen müssen in die Wahrnehmung der Bürger übergehen.

Was die Folge dieser Argumentation ist, lässt sich pragmatisch zusammenfassen. Es muss für die Mitte gestritten werden. Es muss gestritten werden über Alternativen und Handlungsmöglichkeiten, für Kompromisse und für eine relevante Rolle Europas im Zeitalter der Globalisierung.

Diskussion – Zu Fragen der Entwicklung von Mitte, einer Legitimationskrise und der Möglichkeit von Prinzipientreue in Zeiten der Unübersichtlichkeit

In der anschließenden Diskussion stellte Hausherr Dr. Peter Krause zunächst die Frage wie denn die Herstellung von Mitte in Zeiten der Unübersichtlichkeit möglich ist. Koch erwiderte darauf, dass eine gewisse gemeinsame Grundeinstellung vorhanden sein muss und bestärkt werden muss. Er sagte auch aus, dass das negative Gefühle, das durch den mehrheitlich kritischen Diskurs zur EU erzeugt wird, dabei nicht helfe und letztlich, wie bereits zuvor erwähnt, die neuen Regeln der Globalisierung für die Mehrheit positive Konsequenzen haben müssen. In einem späteren Diskussionsbeitrag verwies Mike Mohring darauf, dass die CDU in ihrer Identität die Mitte darstellt, sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdwahrnehmung.

Krause, sowie ein Gast aus dem Publikum warfen die Frage nach einer Legitimationskrise auf. Mohring führte hier an, dass Aushandlungsprozesse vorhanden sind, diese aber häufig nicht kommuniziert werden. Auf europäischer Ebene argumentierte Koch, dass durchaus fehlerhafte Handlungsentscheidungen erfolgt sind, absolute Fehlerfreiheit aber schlicht und einfach nicht möglich ist. Und die Entscheidungen, die getroffen wurden basieren letztlich auf einer der EU eigenen Werteordnung. Mohring führte in ähnlichem Kontext noch an, dass die Reform politischer Institutionen, wie etwa die Stärkung des europäischen Parlaments ebenfalls einer Legitimationskrise vorgreifen könne.

Schließlich stellt sich die Frage wie ein politischer Akteur im Zuge der Emotionalisierung und Moralisierung in zahlreichen Bereichen Prinzipientreue bewahren kann. Mohring sagte hier aus, dass es wichtig sei Stärke zu zeigen, aber eben auch die Bereitschaft diese Kritik und diesen Diskurs auszuhalten. Es sei letztlich vor allem wichtig, demokratische Partizipation zu ermöglichen, um den Menschen ein Gefühl der Mitbestimmungsmöglichkeit zu vermitteln und Populisten somit den Nährboden zu nehmen.

Als eine letzte wichtige Frage wurde auch diskutiert wie es denn um die Stabilität des Systems stehe. Koch antwortete hier, dass vor allem die Wirtschaftskraft die Stabilität sicher, aber gleichzeitig bedacht werden müsse, dass andere stabilisierende Faktoren durch das Ende des Kalten Krieges, wie die Angst vor Russland, wegfallen und man sich daher nicht auf Wirtschaftskraft als Stabilitätsfaktor verlassen werden dürfe. Er sehe vor allem im Bratislava-Prozess eine Chance hier Faktoren der Stabilität für ein gemeinsames Europa zu definieren.

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Interlocuteur

Maja Eib

Maja Eib bild

Landesbeauftragte und Leiterin Politisches Bildungsforum Thüringen

maja.eib@kas.de +49 (0) 361 65491-0 +49 (0) 361 65491-11

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