Comptes-rendus d'événement
Am 28. Juni 2017 lud das Politische Bildungsforum Thüringen in Kooperation mit der Fachhochschule Erfurt zu dem Forum: „Die Lebenswelten der Generationen X und Y im wiedervereinten Deutschland“ im Rahmen der Reihe „Individuelle Vielfalt und Zusammenhalt – Lebenswelten in unserer Gesellschaft“.
Diskussionspunkte waren die Wahrnehmung der Lebensumstände und unterschiedlichen Wertvorstellungen der Generationen X und Y, von denen die einen in der damaligen DDR geboren und aufgewachsen sind und die anderen sie nur aus Erzählungen ihrer Eltern kennen.
Begrüßung
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Prof. Dr.-Ing. Volker Zerbe, Rektor der FH Erfurt, die Gäste und betonte, dass die Generationen X und Y an der Fachhochschule nicht nur unter den Studierenden vertreten seien, sondern auch unter den Professoren repräsentiert werden. Nach weiteren einleitenden Worten präzisierte er, dass auch die Generation Y, ähnlich wie zu den Jugendzeiten der Generation X, von Einwanderungs- und Integrationsprozessen betroffen seien und somit gesellschaftliche Herausforderungen vor ihnen stünden.
Das Wort übernahm daraufhin Daniel Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Politischen Bildungsforums Thüringen, und wünschte den Anwesenden eine angeregte Diskussion und neue Impulse angesichts der wichtigen Thematik des Abends.
Shell-Jugendstudie 2015 – „Eine pragmatische Generation im Aufbruch“
Der Impulsvortrag des Abends wurde von Ingo Leven gehalten, der als Studienleiter der Shell Jugendstudien Erfahrung im Bereich der Erforschung der Jugend in Deutschland hat. Zunächst stellte er in Frage, ob die Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutsch-land zu der heutigen Zeit noch eine Bedeutung hat und ob man mittlerweile nicht eher von einem Deutschland der Regionen sprechen müsste. Im Anschluss daran erläuterte er in wenigen Sätzen das grundlegende Konzept der Shell-Jugendstudie, welche seit 1953 in regelmäßigen Abständen durchgeführt wird und die Sicht der Jugend von heute präsentiert sowie gesellschaftspolitische Ansätze liefert. Bezogen auf das Thema des Abends ging er auch auf die Definitionen der sogenannten Generationen „X“ und „Y“ ein, wonach die Generation X einer Kreuzung ähneln würde, die sich ständig fragt: „Welchen Weg gehe ich? Und wie gehe ich mit all den Optionen um?“. Die Generation Y hingegen steht demnach auch an einer Kreuzung, fragt sich jedoch eher: „Wieso soll ich überhaupt losgehen?“. Die Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2015 untersuchte die Einstellungen von etwa 2558 Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren und stand unter dem Titel „Eine pragmatische Generation im Aufbruch“. Generell ist die Lebensphase der Jugend nach Leven stark geprägt durch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben in einer komplexen Gesellschaft mit unterschiedlichen Startvoraussetzungen. Gerade die Jugend heute erfährt ihr Leben als eine Fahrt auf Sicht, auf der lange Zeithorizonte fehlen und wenn sie vor Entscheidungen steht, heißt es nicht „entweder oder“ sondern „sowohl als auch“.
Im Bereich der Werteeinstellung der deutschen Jugendlichen ist im Rahmen der Shell-Jugendstudie herausgefunden worden, dass sowohl traditionelle als auch neue Werte für sie eine hohe Bedeutung haben. Hierbei sind die traditionellen Werte jene, die mit Sicherheit, Fleiß oder beispielsweise Ordnung zusammenhängen, die neuen hingegen sind vor allem Kreativität, soziales Engagement und Toleranz.
Erwähnenswert ist nach Leven auch, dass die Jugend nach wie vor optimistisch in die persönliche Zukunft schaut, wobei dies nach sozialer Herkunft nach wie vor stark variiert. Das Interesse der Jugendlichen an politischen Vorgängen scheint wieder zu steigen und die Vorbehalte gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen zu sinken. Eine nicht überraschende aber dennoch nennenswerte Beobachtung ist die Tatsache, dass fast alle Jugendlichen heute online sind und dies ihr Leben maßgeblich mitbestimmt.
Podiumsdiskussion: Ost-West, aktuelle Herausforderungen und Religion
In der sich dem Vortrag anschließenden Podiumsdiskussion wollte der Moderator Rico Chmelik, Geschäftsführer der Fakultät Wirtschaft-Logistik-Verkehr der FH Erfurt, von unterschiedlichen Gästen die Meinung zu der Thematik der Generationenunterschiede hören. Zu Beginn betonte Britta Werner, Kanzlerin der FH Erfurt, dass die Differenzen in dem alltäglichen Betrieb der Fachhochschule durchaus spürbar wären, die Unterschiede zwischen Ost und West für sie persönlich jedoch nicht ausschlaggebend seien. Chmelik wollte anschließend von Damaris Schmidt, Absolventin der Studiengänge Sozial-, Innovations- und Changemanagement, wissen, inwiefern für sie die Inanspruchnahme bestimmter Möglichkeiten auf ihrem Lebensweg einfacher war als für ihre Eltern, die ihre Jugend in der DDR erlebten. Schmidt betonte, dass ihre Eltern ihr und ihren Geschwistern zu jeder Zeit die volle Unterstützung zusicherten und sie vor allem dadurch die Möglichkeit hatte, ein Studium entsprechend ihren Vorstellungen zu wählen und bereits jetzt viel von der Welt zu sehen. Dipl.-Ing. Horst Christian, Informatiker und ehemaliger Mitarbeiter der FH Erfurt, betonte, dass die Unterschiede im Bereich des Betriebes einer Fachhochschule sich doch sehr gewandelt hat, da die Generation X in Ostdeutschland gar nicht die Möglichkeit hatte, eine Fachhochschule zu besuchen. Weiter führte er aus, dass die Herausforderungen der Jugend heute andere seien als jene der jungen Generation vor vielen Jahren.
Chmelik wollte im Anschluss von Julia Freytag, Studentin der Gebäude- und Informationstechnik an der FH Erfurt, wissen, inwiefern die Unterschiede „Ost“ und „West“ in ihrem persönlichen Leben noch eine Rolle spielen würden. Freytag, die in den neuen Bundesländern geboren wurde und in den alten Bundesländern aufwuchs, beobachtet durchaus vereinzelte Unterschiede in der Erziehung, wenn sie sich mit Freunden vergleicht, die ausschließlich im Westen aufwuchsen. Dieselbe Frage stellte Chmelik auch Ulf Ströde, Dezernatsleiter Bau- und Liegenschaften der FH Erfurt. Dieser entgegnete, dass für ihn die Wende eine sehr einschneidende Zeit in seinem Leben darstellte und auch weitreichende Auswirkungen auf seine persönliche Entwicklung hatte, da er im Bereich seiner Ausbildung bestimmte Entscheidung gemessen an den politischen Vorgängen traf.
Im weiteren Laufe der Veranstaltung wurde auch der Umgang der Jugendlichen mit Religion thematisiert. Leven führte aus, dass der Umgang mit Religion für „Biodeutsche“ nichts Alltägliches mehr sei, wobei man bei muslimischen Jugendlichen in Deutschland eine ganz andere Einstellung beobachten könne. Ströde und Freytag konnten dieser Beobachtung für ihr persönliches Leben zustimmen, Schmidt hingegen betonte die Vermittlung der christlichen Religion durch ihre Eltern und ihre persönlich Bindung an eben diese.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion war es den Anwesenden freigestellt, sich mit Fragen und Statements an den Erkenntnissen des Abends zu beteiligen. Das Thema Religion wurde weiter diskutiert, andere wollten wissen, inwiefern die Unterscheidung Ost und West noch eine Rolle spielen würde, und auch über die Konzeption und Inhalte der Shell-Jugendstudie gab Leven weiter Auskunft.