Aus der Pandemie gestärkt hervor gehen
Es seien die schwersten Entscheidungen in ihrer bisherigen Kanzlerschaft gewesen, die sie angesichts der Corona-Pandemie treffen musste, so die Kanzlerin zu Beginn ihrer Rede als sie auf die gewaltigen Herausforderungen und die transformative Kraft der schweren Gesundheitskrise hinwies. Das Virus sei eine demokratische Zumutung und die Pandemie habe vieles von Grund auf geändert, so auch die Planungen für die EU-Ratspräsidentschaft. Europa müsse in der Krise näher zusammenrücken und sich als solidarische Kraft beweisen, nur so könne man gestärkt aus der Pandemie hervorgehen. Während es in der Anfangsphase insbesondere darum gegangen sei, sich mit Lieferung von medizinischer Schutzausrüstung oder der Versorgung von Patienten zu unterstützen, müsse man sich nun verstärkt der Abfederungen der wirtschaftlichen Folgen zuwenden. Hier hob die Kanzlerin insbesondere die deutsch-französische Initiative zur wirtschaftlichen Erholung Europas hervor und unter anderem die von der EU-Kommission ausgerichtete internationale Geberkonferenz, bei der ca. acht Milliarden Euro unter anderem für die Entwicklung eines Impfstoffes zusammen gekommen sind. Aber nicht nur nach innen auch nach außen müsse die EU als verantwortungsvolle Kraft agieren, so der Wunsch der Bundeskanzlerin. Die Pandemie werde zur Verschärfung vieler weltweiter Krisenherde führen und zu einer Belastungsprobe für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik werden. Hier könne die EU als Stabilitätsanker wirken, ihre globale Verantwortung wahrnehmen und das regelbasierte, multilaterale Miteinander proaktiv unterstützen.
Die EU und globale Akteure
Ein wichtiger Schwerpunkt der europäischen Ratspräsidentschaft wird das Verhältnis zwischen der EU und China sein. Die Kanzlerin unterstrich, dass die Volksrepublik einer der bedeutendsten Akteure in der globalen Politik sei und immer entschlossener einen führenden Platz in der internationalen Architektur beanspruche. Mit Blick auf die Beziehungen zu China stehe zum Beispiel der Abschluss des Investitionsabkommens an, aber auch gemeinsame Fortschritte im Bereich Klima- und Umweltschutz, globale Gesundheit und das jeweilige Verhältnis zu Afrika. Die Volksrepublik sei aber auch ein Partner mit dem fundamentale Unterschiede bestehen, wenn es um Menschenrechte und liberale Prinzipien gehe. Dies sei jedoch kein Grund gegen eine Zusammenarbeit, sondern fordere einen offenen, kritischen und konstruktiven Dialog.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft bildet das Verhältnis zu Afrika, so die Bundeskanzlerin. Auf dem EU-Afrika Gipfel im Oktober gehe es auch darum die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die in vielen Teilen Afrikas gravierend ausfallen könnten, abzufedern. Daneben sei es aber auch wichtig von Afrika zu lernen und Themen wie Klima, Migration, nachhaltige Entwicklung und Frieden sowie Sicherheit zu thematisieren.
Europa brauche Partner und Verbündete, um die immensen Herausforderungen zu meistern. Der wichtigste Partner sei weiterhin die USA, auch wenn sich die Zusammenarbeit in vielen Bereichen der internationalen Zusammenarbeit – von Handel, Klima und der Bekämpfung der Pandemie – aktuell schwierig gestalte. Die USA und die NATO blieben aber ein wichtiger Pfeiler für die europäische Sicherheit. Die Kanzlerin unterstrich, dass Europa nicht neutral sei, sondern Teil des politischen Westens und sich für diese Werte stets einsetze in der Welt.
Angela Merkel betonte, dass sie sich seit Beginn ihrer Kanzlerschaft für einen friedlichen Dialog mit Russland engagiert habe. Moskau habe sich aber unter anderem durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim oder durch hybride Angriffe auf westliche Demokratien, darunter auch Deutschland immer wieder von diesem Dialog abgewendet. Während der Ratspräsidentschaft wolle Deutschland aber versuchen auch neue Impulse im Verhältnis zwischen der EU und Russland zu setzen und einen kritisch-konstruktiven Dialog fortzusetzen.
Abschließend erinnerte die Kanzlerin an die Worte Adenauers. „Die Einheit Europas war ein Traum von Wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für Viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Die EU müsse sich nach innen stärken, um nach außen handlungsfähig zu sein.
Pragmatische Schritte nach vorne
In der anschließenden Diskussion unter der Leitung vom Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Lammert, stand zunächst die Sicherheitspolitik der EU im Mittelpunkt. Die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes betonte, dass es in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte und Initiativen gab, wie zum Beispiel die Gründung der PESCO oder den europäischen Verteidigungsfonds. Sie begrüßte es, dass Deutschland auch sicherheits- und verteidigungspolitische Themen zum Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft machen wolle. Man habe in den vergangenen Jahren gelernt, dass es wichtig sei hier pragmatisch vorzugehen.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Dr. Johann Wadephul MdB führte aus, dass die Mitgliedstaaten der EU zunächst insbesondere national auf die Pandemie reagiert hätten – so sei es zu teilweise unangebrachten Grenzschließungen gekommen. Nach dieser anfänglichen Irritation habe aber ein deutlicher Erkenntnisprozess eingesetzt, so der Verteidigungspolitiker. Er pflichtete der französischen Botschafterin bei, dass es wichtig sei pragmatische Schritte nach vorne zu unternehmen. Neben der aktuellen Pandemie gebe es zahlreiche Bedrohungen, die eine Weltpolitikfähigkeit Europas erforderten.
Das Verhältnis zu China
Auf die Frage vom ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, inwieweit sich das Verhältnis zwischen der EU und China im Zuge der COVID-19-Pandemie verändert habe, antwortete der Direktor des MERICS Instituts Dr. Mikko Huotari, dass das Vertrauen der EU in China weiter abgenommen habe. Die aktuelle Krise unterstreiche jedoch, welches Gewicht die Volksrepublik habe. Ein gewisser Paradigmenwechsel mit Blick auf China und ein Wegfall der Naivität habe in Europa aber bereits vor der Krise begonnen. Aus Sicht Pekings sei es außerdem im Interesse, das Verhältnis zwischen der EU und den USA zu diskreditieren.
Eine gemeinsame Position im Rahmen der EU zu China zu finden, sei sehr wichtig, unterstrich auch die französische Botschafterin, denn nur vereint sei es möglich, Peking auf Augenhöhe zu begegnen. So habe der französische Präsident Macron auch weitere europäische Vertreter und die Bundeskanzlerin eingeladen als Xi Jinping in Paris zu Besuch war. Versuche Chinas die EU auseinanderzudividieren müssen entschieden begegnet werden.
Auch der Verteidigungspolitiker Johann Wadephul betonte, dass Formate wie 17+1 ein großes Hindernis für eine einheitliche Position gegenüber China seien. Man wolle gegenüber Peking nicht konfrontativ auftreten – im Gegensatz zu den USA versuche man den Dialog anders zu führen – aber Grundbedingung sei, dass man zusammenstehe als Europa.
Chancen und Herausforderungen des Nachbarkontinents Afrika
Man zeige sich erfreut, dass Deutschland auch den afrikanischen Kontinent während der EU-Ratspräsidentschaft verstärkt ins Blickfeld nehmen wolle so die französische Botschafterin. Die Sahel-Zone bringe enorme Herausforderungen mit sich, denen Europa nur gemeinsam begegnen kann.
Der Vorsitzende der KAS fragte kritisch, ob das deutsche Engagement in der Sahel-Region nicht vielmehr symbolisch sei und ob Deutschland militärisch nicht mehr tun könne, um seine Partner vor Ort zu entlasten. Der Bundestagsabgeordnete Wadephul unterstrich, dass die anstehende Verlängerung des Bundeswehr-Mandats, eine bessere Rollenverteilung beinhaltet. Dabei müsse man begreifen, dass Afrika als Nachbarkontinent Europas neben den großen multidimensionalen Herausforderungen, auch wichtige Chancen bietet. China habe dies bereits vor langer Zeit erkannt.
Erweiterung vs. Vertiefung
Mit Blick auf den westlichen Balkan sagte die Botschafterin, dass diese Region eindeutig zu Europa gehöre. Aufgrund des aktuellen Zustands der Europäischen Union, sei es aber fraglich, ob die Tür für neue Mitglieder geöffnet werden könne. Die im Sommer startende Debatte über die Zukunft Europas müsse diese wichtigen Fragen aufgreifen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende unterstrich, dass es wichtig sei die Beitrittsperspektive für die Länder des westlichen Balkans zu öffnen.
Nukleare Teilhabe – eine gesellschaftspolitische unangenehme Frage
Zum Ende der Diskussion standen die Fragen nach der nuklearen Teilhabe und eine mögliche Kooperation mit Frankreich im Zentrum. Der Abgeordnete Johann Wadephul erklärte, dass die Diskussion um die nukleare Teilhabe sehr schwierig sei, das Konzept der nuklearen Abschreckung als Form der Kriegsprävention jedoch relevant. Da Deutschland sich aber grundsätzlich gegen eigene Nuklearwaffen entschieden habe, bleibe nur der Blick auf die Partner mit denen man in dieser Frage kooperieren könne – es liege daher auf der Hand hier gemeinsam mit Frankreich vorzugehen. Auch die Botschafterin betonte, dass man auch hier pragmatisch vorgehen müsse.
Die Experten waren sich einig, dass die EU stärker aus der Corona-Krise hervorgehen müsse, als sie in sie hineingeraten ist und auch die Bundeskanzlerin hat dies zum Leitmotiv ihrer Rede erklärt. So steht die gemeinsame Bewältigung der Krise an zentraler Stelle der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Die weiteren von der Kanzlerin gesetzten Schwerpunkte – das Verhältnis der EU zu China, Afrika und Russland; die Bekämpfung des Klimawandels und der Brexit – diese Herausforderungen könne man natürlich nicht alle in einer Ratspräsidentschaft lösen, aber man müsse und werde sie gemeinsam angehen.
提供者:
Auslandsbüro Italien
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