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Digitale Gesellschaft - Potenzial für eine neue Gründerzeit

нь Daniel Braun, Katharina Wall

Deutschland 4.0 - Wie verändert Digitalisierung unser Leben?

Vortrag und Gespräch

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Am 04.04 lud das Politische Bildungsforum Thüringen interessierte Bürgerinnen und Bürger zu Vorträgen und anschließendem Gespräch über das Thema „Digitale Gesellschaft – Potenzial für eine neue Gründerzeit“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Deutschland 4.0 – wie verändert Digitalisierung unser Leben?“. Die Veranstaltung fand am Institut für Produktionsorganisation und Logistik in Ilmenau statt.

Zu Beginn begrüßte Daniel Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Politischen Bildungsforums Thüringen, die Gäste und betonte, dass man sich ohne Angst den neuen Entwicklungen, die mit der Digitalisierung einhergehen würden, stellen müsse. Bereits heute sollten wir verstärkt schauen, wie die kommenden Generationen von der Digitalisierung profitieren können.

Sogleich übergab er Tankred Schipanski MdB die Moderation des Abends, welcher Obmann im Ausschuss für die Digitale Agenda ist, dem jüngsten Ausschuss im deutschen Bundestag. In einleitenden Worten stellte Schipanski die Referenten des Abends, Dr. Thomas Rücker und Dr.-Ing. Jörg Weber, vor und Dr. Rücker begann mit seinem Vortrag.

Die großen disruptiven Veränderungen der letzten Jahre

Bereits vor 5 Jahren begann Thomas Rücker, intensiver mit Start-Up’s im Bereich IT zusammen-zuarbeiten. Die disruptiven Veränderungen der letzten Jahre seien bemerkenswert. Hiermit sind Prozesse gemeint, die ein bestehendes Geschäftsmodell durch eine rasant wachsende Innovation ablösen, beziehungsweise „zerstören“. Als einige Beispiele nannte Rücker die Versandapotheken, welche die traditionelle Variante verdrängt, die verstärkte Zuhilfenahme von Wikipedia-Artikeln anstelle von gedruckten Enzyklopädien oder die wachsende Nutzung von E-Books anstatt Büchern. Insgesamt müsste sich Deutschland sehr schnell mit den aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen: Länder wie China und die USA sind uns im Moment weit voraus. Rücker betonte, dass alles, was digitalisiert werden könne, digitalisiert wird und dass diese Veränderungen an jeder Branche nagen würden – wer auf Dauer nicht mitmacht, wird wegfallen.

Europa verschläft die Digitalisierung

In weiteren Verlauf formulierte Rücker drei Thesen, die den Status quo bewerten und einen Vorausblick ermöglichen sollen. In seiner ersten These stellte er fest, dass Europa im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen die Digitalisierung zur Zeit verschlafen und heute kaum noch innovative Entwicklungen hervorbringen. Der Begriff „Industrie 4.0“ beschreibe nichts anderes als die vierte industrielle Revolution, von der Experten sagen, dass sie unsere Gesellschaft grundlegend verändern wird. Der Fehler in Deutschland sei an dieser Stelle, dass man bei Industrie 4.0 lediglich an die klassischen Industrien denken würde, in anderen Ländern sei man auf dem Gebiet des „Internet of Things“, wie „Industrie 4.0“ in den USA genannt wird, gedanklich und forschungstechnisch bereits bei vielen anderen Bereichen: Wohnen, Gesundheit, Mobilität und vor allem auch Medizin. Die allgemeine Stoßrichtung der Digitalisierung in all diesen Bereichen müsse man sich zu eigen machen und auf bestehende und neue Konzepte anwenden: zuerst kommt die Digitalisierung des Geschäftsmodells, anschließend der Produkte und abschließend der Prozesse.

Der Verbrennungsmotor der deutschen Autobauer und die Entwicklung digitaler Plattformen

In seiner zweiten These stellte Rücker dar, die deutsche Wirtschaft hänge am seidenen Faden, da sie zu sehr von nicht autonomen und digitalisierten Automobilen mit Verbrennungsmotor abhängt. Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch und nicht von fossilen Brennstoffen geprägt, worauf sich deutsche Autobauer einstellen müssten. Sollte diese Entwicklung ignoriert werden, könnte ein großer Teil der deutschen Wertschöpfungskette auf Dauer wegfallen.

Die letzte These sagte aus, dass digitale Plattformen in Zukunft die Wirtschaft dominieren werden. Auf Dauer werde dies zu einer Variabilisierung aller Fixkosten führen. Als Beispiel nannte Rücker die Nutzung eines Autos: Bereits heute ist es möglich, für ein Auto nur zu zahlen, wenn es genutzt wird. In der Zukunft sei dieses Prinzip auch auf andere Bereiche verstärkt übertragbar.

Mittelstand 4.0 – Kompetenzzentrum Ilmenau

Im Anschluss an Rückers Vortrag übergab Schipanski Dr.-Ing. Jörg Weber das Wort. Als Vertreter für das Mittelstand 4.0 – Kompetenzzentrum Ilmenau stellte er dieses näher vor. In seiner Arbeit versuche er, auch jungen Ingenieuren das Arbeiten hin zu disruptiven Ideen näherzubringen und den Blick vor allem auf die kleinen und mittleren Unternehmen in Thüringen zu richten. Das Kompetenzzentrum soll an Beispielen zeigen, wie auch diese kleinen und mittleren Unternehmen von der Digitalisierung profitieren können. Als Beispiel nannte Weber die E-Standards: was muss gegeben sein, damit entsprechende Prozesse überhaupt angewandt werden können?

Das Kompetenzzentrum in Thüringen arbeitet derzeit mit verschiedenen Projektpartnern zusammen. Hierzu gehören das Fab-I 4.0 in Nordthüringen, welche die Vorreiter in der Digitalisierung zusammenbringen, die Ernst-Abbe-Hochschule Jena, welche an neuen Technologien forscht und die TU Ilmenau im Fachbereich Maschinenbau, die an der Vernetzung von Maschinen arbeitet.

Zu den Aufgaben des Kompetenzzentrums gehöre der Erfahrungsaustausch sowie die Weitergabe von Informationen mittels Seminaren und Vorträgen, die Tests und Erprobungsmöglichkeiten für Unternehmen in den Fabs, die Publikation relevanter neuer Erkenntnisse und auch Projekte zur Begleitung konkreter Unternehmungen.

Am Ende seines Vortrages betonte Weber, dass die Digitalisierung am Ende doch ein analoger Prozess sei. Nach wie vor ist es der Mensch, der die Entscheidungen im Bereich der Digitalisierung trifft und dies sollte möglichst bald auch geschehen: vor allem die Auseinandersetzung mit der neuen Arbeitswelt ist dringend notwendig.

Politische Schwerpunkte im Bereich der Digitalisierung

Bevor Schipanski den Gästen die Möglichkeit gab, Fragen zu stellen und Anmerkungen zu machen, beschrieb er die vier großen Handlungsfelder der jetzigen Regierung im Bereich der Digitalisierung. Zum Einen sei es die Sicherstellung des Wettbewerbs, da dieser im Moment in der gesamten EU stark verhindert wird. Zum Anderen sei es auch die Bewertung von Daten als eine In-novationsquelle, vor allem im Bereich Open Data. Als dritten Schwerpunkt nannte er die Stärkung der Innovationsfähigkeit vor allem in den Bereichen künstliche Intelligenz, Forschungszentren und die Erleichterung von Wachstumsfinanzierung. Als letzten Punkt führte er die Förderung der digitalen Kompetenz auf, die sich in digitaler Bildung, Schul-Clouds, der technischen Ausstattung einer Schule und auch der Förderung der Medienkompetenz von Lehrern niederschlagen würde.

Die Gäste stellten Fragen zu einer möglichen Deindustrialisierung Deutschlands, einer potentiellen „Abgrasung“ der deutschen Innovationen durch chinesische Investoren und der Förderung von „hidden champions“ in Thüringen. Einige machten Anmerkungen zu der fehlenden Kompetenz der Lehrer in den Bereichen Technik und Digitales sowie der Aufgabe der Politik, den Menschen Digitalisierung als eine Chance und kein Nachteil näher zu bringen.

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