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Deutschland und seine Nachbarn – beidseitige Wahrnehmung und Perspektiven. Heute im Fokus: Polen

Erfurter Europagespräch

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Wie umgehen mit der aktuellen Migrationsherausforderung? Dürfen EU-Fördergelder mit einem Rechtsstaatsmechanismus verknüpft werden? Und bedarf es eines Denkmals in Berlin für die vielen polnischen Opfer des Nationalsozialismus? Auch wenn die deutsch-polnischen Beziehungen seit langem von einer ambivalenten Geschichte geprägt sind, macht ein Blick auf die aktuellen Debatten deutlich, dass es wieder viel Redebedarf mit dem polnischen Nachbarn gibt. Aus diesem Grund hat das politische Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung in Thüringen in Zusammenarbeit mit dem polnischen Institut Berlin/Filiale Leipzig bei dem Europagespräch am 03.11.20 eine Bühne des Austausches für deutsche und polnische Perspektiven auf diese Beziehungen geschaffen. Dazu waren unter der Moderation von Dr. Kai-Olaf Lang, der polnische Botschafter Andrzej Przyłębski, die EU-Abgeordnete Marion Walsmann und der Politologen Prof. Dr. Stefan Garsztecki als Gäste zum gemeinsamen Gespräch eingeladen. 

Nach der Begrüßung durch den Referenten Tillmann Bauer stellten die Diskussionsteilnehmer ihre Perspektive auf die deutsch-polnischen Beziehungen vor. Dabei betonte Botschafter Przyłębski wie stark die deutsch-polnischen Beziehungen durch die gemeinsame wechselseitige Geschichte geprägt seien. Insbesondere hob er die Rolle der polnischen Bewegung Solidarność für die friedliche Revolution 1989 und die so mögliche deutsche Wiedervereinigung hervor. Botschafter Przyłębski räumte dabei kritisch ein, dass die aktuellen Beziehungen belastet seien, was er selbst auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Regierungskurses der PIS-Partei zurückführe. Während in Deutschland überwiegend kritisch und ablehnend über den Regierungskurs der PIS berichtet werde, würden viele Polen mit der PIS eine Politik des Wirtschaftsaufschwunges und der sozialen Gerechtigkeit verbinden. Der Politologe Garsztecki betonte hingegen die starke Vernetzung der beiden Länder. Die beiden EU-Staaten seien wirtschaftlich eng verflochten und ständen in engem Austausch allein durch die zwei Millionen in Deutschland lebenden polnischstämmigen Migranten und die ca. 900 00 Schlesier, die derzeit in Polen wohnen. Garsztecki verstand den PIS Regierungskurs als doppelte Kritik am Liberalismus. Diese richte sich zum einen gegen eine neo-liberale Wirtschaftspolitik und zum anderen auch gegen einen identitätspolitischen Liberalismus. Im darauf folgenden Eingangsplädoyer von der EU-Abgeordneten Walsmann hob diese die gemeinsamen Interessen beider Länder hervor. So hätten Polen und Deutschland ein gemeinsames Interesse an einem guten BREXIT-Deal, an einem erfolgreichen Klimaschutzprogramm und an einem wirtschaftlichen Erholungsprogramm nach der Pandemie. Gleichzeitig machte sich Walsmann für die Verknüpfung von Rechtsstaatlichkeit und EU-Förderhilfen stark. Im zweiten Abschnitt versuchte der Moderator Lang mit seinen Gästen darüber zu diskutieren, welche Vorstellungen Polen und Deutschland für die Weiterentwicklung der EU-Architektur haben. Przyłębski betonte dabei, dass Polen dazu bereits ein Weißbuch entwickelt habe. Auch machte er deutlich, dass sich Polen als Anwalt der Viságrad-Staaten sehe, denn diese hätten genauso wie Polen ein Interesse an einer vertieften Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen und würden sich gegen eine Kopplung von EU-Geldern und Rechtsstaatlichkeit aussprechen. Diese sei auch nicht sinnvoll, so die Begründung, da in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedliche Interpretationen des Begriffes zugrunde liegen würden. Auch betonte Przyłębski das Interesse Polens an der Wiederbelebung des diplomatischen Formates des Weimarer-Dreiecks. Hingegen argumentierte Garsztecki, dass der deutsch-polnische Dialog zur Weiterentwicklung der EU nur sehr schwach ausgeprägt sei und dies eine große Schwäche der bilateralen Beziehungen sei. Auch Walsmann verdeutlichte noch einmal, dass sie große Potenziale in der vertieften Zusammenarbeit bei sicherheitspolitischen Fragen sehe und warb ebenfalls für das Abrücken vom Einstimmigkeitsprinzip. Trotz aller Herausforderungen, so die einhellige Schlussmeinung, könnten die deutsch-polnischen Beziehungen auf das Fundament von erfolgreicher, ehrlicher und reflektierter Aufarbeitung der so wechselhaften Geschichte bauen.

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