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Beim „Jenaer Gespräch“ der Konrad-Adenauer-Stiftung stand eine Analyse des Täterverhaltens im kommunistischen Machtbereich – hier am Beispiel der SED-Diktatur – im Blickpunkt. Als Referent war der Philosoph PD Dr. Lothar Fritze vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung Dresden zu Gast, der mit Blick auf die Themenstellung auf eine Einzelfallprüfung hinwies: Nicht die Zugehörigkeit zu einer herrschenden Partei oder Organisation sei für die Bewertung maßgeblich, sondern das konkrete Handeln.
In jeder Diktatur gibt es Menschen, deren Taten heute als verwerflich betrachtet sowie als unmoralisch abgelehnt werden. Dies trifft etwa auf Personen in politischen Führungspositionen zu, ebenso auf jene, die sich an Überwachung und Indoktrination beteiligen oder die als Befehlsempfänger keinen Widerstand gegen kriminelle Befehle leisten. Diese Täter leben zum Zeitpunkt ihrer Taten im Bewusstsein, richtig zu handeln und sind überzeugt, dass ihre Handlungen moralisch erlaubt sind. Aber gilt dies für Gewalt gegen Andersdenkende, Ausspionieren, Vormundschaft gegenüber Oppositionellen oder widerrechtlicher Inhaftierung? Meist sehen die Täter ihr Handeln als Teil einer „großen Sache“ und im Sinne einer Ideologie, oft drängen auch Machtgier oder Opportunismus (Karriere). Bei den meisten einstigen Tätern herrschen zudem bis heute weder Unrechtsbewusstsein noch Schuldbewusstsein vor.
Fritzes zentrale These hinsichtlich des Täterverhaltens ist, dass es bei jenen kognitive Defizite gibt: Sie haben nur deshalb ein gutes Gewissen bezüglich ihrer (Un-)Taten, weil ihnen im persönlichen Erkennen Fehler unterlaufen, weil sie sich zudem auf außermoralische Überzeugungen zurückziehen – etwa Theorien über die Welt (Glauben an ein allgemeines Menschheitsinteresse), das gesellschaftliche Zusammenleben (Katalysatoren geschichtlichen Fortschritts) oder Wert- und Zielvorstellungen.
Unterstrichen wird dies etwa durch ein Zitat aus einer Anweisung zur Ausbildung von Grenzsoldaten, denn diese müssten „bewaffnete Gewalt im Interesse humaner Ziele“ ausüben. Hier findet sich überdies ein Teil der zentralen Rechtfertigung der Kommunisten, denn sie sahen ihr Handeln im Sinne des Humanismus, so dass einzelne Schicksale keine Rolle spielten. War es erforderlich, jeden Flüchtling zu erschießen? Gefährdete die Flucht eines Einzelnen wirklich den Aufbau des Sozialismus im Ganzen? War ein Fluchtversuch als „Angriff auf die DDR“ zu deuten? Laut Dienstanweisung an Grenzsoldaten sei jeder Flüchtling eine „Gefahr für Millionen Menschen“ gewesen, trage gar die Gefahr eines Kriegsausbruchs. Und bei den Tätern lag gemäß Fritzes These das Versagen nicht im Moralischen, sondern in der Urteils- und Willensbildung, sich gegen solche Befehle zu widersetzen.
Fritzes Gesprächspartnerin, die Jenaer Rechtsanwältin Brigitta Kögler, verwies in der von Dr. Michael Ploenus (Geschichtswerkstatt Jena e.V.) moderierten Diskussion darauf, dass sie als Juristin Erfahrungen mit Tätern und Opfern gemacht habe. Hinsichtlich der juristischen Beurteilung von SED-Verbrechen verwies Kögler auf die Probleme angesichts damalige Rechtslage, zugleich aber auch auf die „Radbruchsche Formel“, wonach ein Richter, der erkennt, dass positives (also gesetztes) Recht eindeutig gegen die Gerechtigkeit verstößt, im Sinne der Gerechtigkeit urteilen kann. Dies gilt für den Schießbefehl, der in der DDR zwar rechtens war, als Tötungsbefehl aber der Gerechtigkeit widerspricht! Kögler kritisierte zudem, dass die DDR heute oft schöngeredet werde und dass dagegen der Wert der 1989/90 errungenen Freiheit heute nicht mehr so hoch geschätzt sei.
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