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An der Belastungsgrenze

von Dr. Peter Hefele, Johannes Vogel, Eric Lee

Klimawandel und Ressourcenkonflikte als Herausforderungen für die Region Asien-Pazifik

Was in Europa befürchtet wird, ist in Asien bereits Realität: Bis zu 30 Millionen Menschen sind in der Region auf der Flucht. Klimaveränderungen, Energieknappheit und Konkurrenz um Rohstoffe verschärfen Konflikte innerhalb und zwischen den Staaten – ein Teufelskreis, der bisherige Entwicklungserfolge zunichtemachen könnte und von dessen Folgen auch Europa betroffen wäre.

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Nach allen Prognosen gehört die Region Asien-Pazifik zu den Gebieten, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden, ja bereits sind. Und zugleich trägt diese Region schon heute selbst massiv zum Klimawandel bei: steigende Meeresspiegel, Wüstenbildung, Erdrutsche auf der einen Seite; großflächige Brandrodung, Verstädterung, Energie- und Ressourcenverschwendung auf der anderen Seite, um nur einige Facetten zu nennen.

Wer dem Zusammenhang zwischen Energieproduktion und -verbrauch, Klimawandel und Sicherheit genauer nachgeht, stellt rasch fest, dass es sich um ein komplexes, schwer zu entwirrendes Bündel von Faktoren handelt, deren Ursachen und Auswirkungen oft langfristiger und meist wechselseitiger Natur sind. Und dass Lösungen im Rahmen heute bestehender gesellschaftlich-wirtschaftlicher Institutionen, politischer Zyklen und mit nur punktuellen Interventionsansätzen oft gar nicht möglich sind. Neue konzeptionelle Ansätze, ein Denken out of the box, und eine bessere überregionale Zusammenarbeit sind ebenso notwendig wie neue „Akteurs-Allianzen“, innerhalb der Region wie global.

Der folgende Beitrag beleuchtet unter dem Aspekt des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf die globale Sicherheit drei Phänomene, die eng miteinander verbunden und bereits heute in der Region Asien und Pazifik deutlich zu beobachten sind: erstens eine Schwächung oder gar der Zusammenbruch von Staatlichkeit (Fragilität), zweitens eine zunehmende (freiwillige oder erzwungene) Migration, die sich innerhalb und zwischen den Staaten, teilweise auch über die Region hinaus abspielt und drittens die zentrale Bedeutung, die natürlichen Ressourcen – nicht nur Energie – für die Stabilität und Entwicklungsperspektiven dieser Region zukommt. Die zum Teil dramatischen Auswirkungen auf Politik und Volkswirtschaften lassen sich jedoch selten auf eine direkte Ursache zurückführen oder gar quantitativ abschätzen. Man sollte besser, wie in der Medizin, von einem Belastungssyndrom sprechen.

Klimawandel als neue Ursache fragiler Staatlichkeit

Schon heute zeichnen sich viele Staaten Süd- und Südostasiens dadurch aus, dass ihre staatlichen Institutionen nur geringe oder gar keine Kapazitäten besitzen, um Kernaufgaben öffentlicher Daseinsvorsorge zu erbringen, wie etwa öffentliche Sicherheit, funktionierende soziale Sicherungssysteme und rechtsstaatliches Handeln. Die Ursachen liegen unter anderem in hoher Korruptionsanfälligkeit, fehlender Infrastruktur, geringen Steuererträgen, politischer Willkür und ethnisch-sozialen Konflikten.

Gemäß der Klassifikation des Department for International Development des Vereinigten Königreichs (DFID) betrifft dies gegenwärtig vor allem Staaten in Süd- und Südostasien (Kambodscha, Myanmar, Timor-Leste, Afghanistan, Bangladesch, Nepal, Pakistan und Sri Lanka sowie Nordkorea, Tadschikistan und die Salomon-Inseln).

Das Belastungs-„Syndrom“, unter dem diese Länder bereits jetzt schon leiden, wird nun durch vielfältige direkte wie indirekte Folgen des sich abzeichnenden Klimawandels weiter verschärft. Die Verletzlichkeit dieser Staaten und Gesellschaften wird damit weiter erhöht und ihre ohnehin gering entwickelten Governance-Kapazitäten werden geschwächt: zunächst unmittelbar, wenn es um deren Fähigkeit zur Bekämpfung (mitigation) der Ursachen des Klimawandels und der Anpassung (adaptation) an denselben geht; aber auch, wenn bereits bestehende, systemische Entwicklungsdefizite überwunden werden sollen.

Die fortschreitende Umweltbeeinträchtigung wird überlagert durch Klimawandelphänomene wie Stürme, Dürren, Hochwasser und Hitzewellen.

Im Folgenden werden einige dieser fatalen Wirkungszusammenhänge beschrieben, die sich in vielen Ländern Asiens so oder in ähnlicher Weise beobachten lassen.

1. Es bestehen nur gering ausdifferenzierte Politik- und Verwaltungsstrukturen und schwache Durchführungs- und Kontrollkapazitäten.

Als Folge dieser Governance-Schwäche fehlt diesen Ländern eine ganzheitliche, alle Politikbereiche umfassende Umwelt- oder Klimapolitik. Nicht zuletzt, weil innerhalb der politischen Eliten kein ausreichender Konsens über die anzustrebenden Ziele und Mittel beim Klimaschutz besteht. Doch selbst wenn der politische Wille zu einer aktiven Klimaschutzpolitik besteht und externe Kapazitäten (z.B. Finanzhilfen und Know-how durch internationale Geber) bereitstehen, scheitert eine wirksame Umsetzung von Maßnahmen oft an fehlenden „Transmissionsriemen“ in die Gesellschaft. So bleiben notwendige Schritte für Innovationen und Investitionen in umweltfreundliche Technologien und in widerstandsfähige (resiliente) Infrastrukturen aus. Es werden aber auch keine nachhaltigen Anreizstrukturen für individuelle Verhaltensänderungen und Unternehmen geschaffen. Damit lässt sich die (vermeintliche) Kluft zwischen der Mehrung materiellen Wohlstands und Klimaschutz kaum schließen.

2. Der Anpassung an den schon heute unvermeidlichen Klimawandel (adaptation) kommt eine immer größere Bedeutung zu, erfolgt aber nur unzureichend.

Nicht nur die Vermeidung (mitigation) von klimaschädlichem Verhalten und der Umstieg auf einen anderen, nachhaltigen Entwicklungspfad gelingt in diesen Staaten unzureichend. Schon heute müss(t)en erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um die Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels zu sch ützen und die Widerstandsfähigkeit der Infrastruktur zu stärken (resilience). Die fortschreitende Umweltbeeinträchtigung (degradation), z.B. durch Luftverschmutzung, Trinkwasserverseuchung und Giftmüll, wird überlagert durch Klimawandelphänomene wie Stürme, Dürren, Hochwasser und Hitzewellen. Diese ereignen sich in zunehmender Häufigkeit und Intensität. Der Klimawandel wird damit zu einer ernsten Bedrohung für die „menschliche Sicherheit“ (human security). So ereigneten sich in den Jahren 1970 bis 2011 fast drei Viertel aller weltweiten Naturkatastrophen in der Asien-Pazifik-Region. Menschen, die in dieser Region leben, sind zwei Mal häufiger von Naturkatastrophen betroffen als die Menschen in Afrika und sogar dreißig Mal mehr als in Europa oder Nordamerika. Die meisten Opfer sind in der Regel in fragilen Staaten zu beklagen. Zwischen 1990 und 2008 war die Hälfte der Bevölkerung Südasiens von extremen Wetterlagen betroffen – mit rund 60.000 Todesfällen und 45 Milliarden US-Dollar Sachschaden. Die negativen Auswirkungen des Klimawandels sind in den fragilen Staaten wie z.B. Pakistan und Bangladesch besonders stark: „Die Gletscherschmelze im Himalaya gefährdet die Wasserversorgung für Millionen von Menschen, Veränderungen des Monsuns beeinflussen die Landwirtschaft, Meeresspiegelanstieg und Wirbelstürme bedrohen Lebensräume am bevölkerungsreichen Golf von Bengalen.“

3. Der Klimawandel trifft gerade die Länder, Regionen und Gesellschaften, wo inner- und zwischenstaatliche Konfliktmechanismen fehlen. Dies erhöht das Konfliktrisiko und die Bereitschaft zur Gewalt.

International Alert, eine in London ansässige NGO, hat rund 50 Staaten in der Welt als politische Konfliktherde identifiziert, darunter elf Länder aus Asien. Konkurrenz um natürliche Ressourcen innerhalb eines Staates und zwischen Staaten stellt eine erstrangige Konfliktquelle dar. Vom Klimawandel ausgelöste extreme Wetterereignisse und steigende Meeresspiegel haben einen direkten Einfluss auf die Verfügbarkeit von Ressourcen. In der Asien-Pazifik-Region zeichnet sich insbesondere der Kampf um Süßwasser als möglicher und unterschätzter Konfliktherd ab. Daneben verringert sich die zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Nutzfläche (etwa durch Versalzung und Bodenerosion), was zu steigender Importabhängigkeit und höheren Preisen von Grundnahrungsmitteln führt. Auch die Energieversorgung durch Wasserkraft ist, insbesondere bei den am Unterlauf von Strömen gelegenen Anrainer-Staaten, gefährdet. Hinzu kommt die potenzielle großräumige Veränderung von Ökosystemen (z.B. am Mekong). Wie in den Punkten 1. und 2. dargestellt, fehlen die Kapazitäten für ein effektives Ressourcenmanagement innerhalb und zwischen den Staaten der Region. Diese Fragilität ist zugleich ein idealer Nährboden für terroristische und kriminelle Aktivitäten, wie zum Beispiel Drogen- und Menschenhandel sowie extremistische Netzwerke, die ihrerseits den Verfall von Staatlichkeit vorantreiben und zu einer Bedrohung der regionalen Sicherheit führen.

Klimawandel und Migration

„You think migration is a challenge to Europe today because of extremism, wait until you see what happens when there’s an absence of water, an absence of food, or one tribe fighting against another for mere survival.“ Mit diesem dramatischen Appell hat US-Außenminister John Kerry die Welt vor weiteren Verzögerungen bei der Bekämpfung des Klimawandels gewarnt.

Dieser Zusammenhang scheint auf den ersten Blick plausibel. Doch ist es alles andere als einfach festzustellen, welche und wie viele Migrationsfälle ursächlich auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Insbesondere bei den indirekten Folgen des Klimawandels lässt sich eine verlässliche Zuordnung nicht mehr seriös vornehmen. Je nachdem, welche Faktoren man als eigentliche Migrationsursache annimmt, weichen Schätzungen über die Zahl der Migranten in den letzten Jahren stark voneinander ab. Für die Region Asien-Pazifik werden oft die Zahlen der Asian Development Bank (ADB) zitiert, die sowohl rückkehrende als auch dauerhafte Migranten umfassen. Demnach gab es 2009 über 13 Millionen Klimamigranten auf dem Kontinent. Im folgenden Jahr stieg die Zahl sprunghaft auf fast 32 Millionen an, ging aber 2011 auf knapp elf Millionen zurück. Diese massiven Schwankungen sind durch plötzliche Naturkatastrophen bedingt. 2011 verteilten sich die Migranten recht gleichmäßig auf Ost-, Südost- und Südasien, wohingegen Zentralasien und die schwach bevölkerten pazifischen Inseln als Zielländer von Migration bislang kaum betroffen sind. Die meisten Migrationsströme verliefen über kürzere Strecken innerhalb eines Landes, nur ein kleinerer Teil geht über Staatsgrenzen hinweg. Klimamigration aus Asien in andere Kontinente, etwa nach Europa, ist derzeit kaum zu beobachten.

Dies kann sich in Zukunft jedoch ändern, falls die Auswirkungen des Klimawandels mit steigender Temperatur weiter zunehmen. Dann wird sich in den kommenden Jahrzehnten eine stetig wachsende Zahl an Menschen in Asien zur vorübergehenden oder dauerhaften Migration entschließen – auch außerhalb Asiens.

Bislang lassen sich aber keine genauen Aussagen darüber machen, wie sich die Migrationsströme tatsächlich entwickeln werden. Greenpeace geht von bis zu 200 Millionen Klimamigranten weltweit bis 2050 aus, andere Schätzungen gar von einer Milliarde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gegenwärtig in der Asien-Pazifik-Region rund 90 Prozent der (potenziell) durch den Klimawandel bedrohten Menschen leben.

Grundsätzlich kann bei klimabedingten Migrationsanreizen zwischen sich langsam verschärfenden Bedrohungen und plötzlichen schweren Ereignissen unterschieden werden.

Meist wirkt ein komplexes Bündel von Faktoren auf die Wanderungsbereitschaft von Menschen. Klima- und Umweltmigration ist historisch gesehen kein neues Phänomen in Asien. Gleichwohl zeichnen sich neue und wesentlich weitreichendere Wirkungsketten ab. Grundsätzlich kann bei klimabedingten Migrationsanreizen zwischen sich langsam verschärfenden Bedrohungen (slow-onset events) und plötzlichen schweren Ereignissen (sudden-onset events) unterschieden werden. Wanderungsstatistiken unterscheiden oft nicht zwischen diesen beiden verschiedenen Auslösern, obwohl jeweils sehr unterschiedliche Antworten gefunden werden müssen.

Als Basistrend kann eine weitere Bevölkerungszunahme in Süd- und Südostasien angenommen werden. Die dadurch ausgelöste Verknappung an natürlichen Ressourcen und die dichtere Besiedlung bereits jetzt gefährdeter Gebiete (entlang von Küstenregionen und grenzüberschreitenden Stromsystemen) wird die Migrationsneigung in mehrfacher Hinsicht steigern. Es ist bekannt, dass schon geringe Temperaturanstiege etablierte Ökosysteme verändern. Oft zeigt sich dies im veränderten Wasserhaushalt der betroffenen Regionen, die häufig noch von Subsistenzwirtschaft geprägt sind. Höhere Temperaturen und Niederschläge führen zur Ausbreitung von Krankheitserregern (Malaria, Dengue, Durchfallerkrankungen) und das Risiko unerwarteter Fluten mit verheerenden Auswirkungen (Erdrutsche, Überschwemmungen) steigt. Die Intensität und Schadenswirkungen von tropischen Stürmen nehmen ebenfalls zu (z.B. in den Philippinen oder im Golf von Bengalen).

Eine klimabedingte Binnenmigration verschärft bestehende demografische Ungleichheiten und facht soziale, ethnische und religiöse Spannungen in den häufig multiethnischen Staaten Asiens an. Für die Abwanderungsregionen wiederum kann der Verlust von meist jüngeren, mobileren Gruppen eine fatale, entwicklungshemmende Abwärtsspirale erzeugen. Die meisten Regierungen verfügen nur über begrenzte Expertise und Mittel, um wachsende Migrationsströme steuern zu können – eine proaktive Migrationspolitik fehlt weitgehend. Gerade die ärmeren Schichten der Gesellschaft siedeln häufig auf stärker gefährdetem Land, sind von landwirtschaftlichen Erträgen abhängig und verfügen über weniger Mittel zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels. Auch fällt die wirtschaftliche und soziale Integration in neuen Standorten aufgrund fehlender personeller und finanzieller Kapazitäten deutlich schwerer. Unkontrollierte transnationale Migration belastet die oft ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den Staaten Asiens weiter und stellt ein gravierendes Sicherheitsrisiko dar. Immer wieder verschärft der Klimawandel auch die Ungleichheit innerhalb der betroffenen Gesellschaften.

So stellt die Klimamigration die Länder im asiatisch-pazifischen Raum vor existenzielle Herausforderungen, auf die Staaten und Gesellschaft nur unzureichend eingestellt sind. Auch in den Fokus interregionaler Kooperation gerät Migration erst langsam – was insofern überrascht, als viele Staaten Süd- und Südostasiens seit Langem mit Migrationsdynamiken umgehen müssen. Plötzliche Naturereignisse lösen zwar kurzfristige Reaktionen in den betroffenen Ländern und durch die internationale Gebergemeinschaft aus – oft werden aber die Chancen für strukturelle Anpassungen nicht genutzt.

In einigen Regionen steht schon heute die Anpassung (adaptation) an die bereits unabwendbaren Folgen einer klimabedingten Verschlechterung des Lebensumfelds an erster Stelle. Damit sollen Anreize zum Wegzug minimiert und eine dauerhafte Besiedlung gefährdeter Gebiete ermöglicht werden, sei es durch technis ch-infrastrukturelle Maßnahmen (z.B. Schutzeinrichtungen) oder kompensierende Leistungen für Familien (z.B. bei Ernteausfall). Doch lassen sich für die Zukunft Umsiedlungen immer seltener vermeiden. Damit gerät der Ausbau von Versorgungs- und Sozialleistungen an den Zielorten der Migration stärker als bisher in den Mittelpunkt der Anstrengungen.

Ressourcenkonflikte: neue Herausforderungen für die nationale Souveränität und regionale Sicherheit

Fragile Regierungsführung und unkontrollierte Binnenmigrationen schwächen die öffentliche Ordnung der betroffenen Staaten, wirken aber in vielen Fällen auch auf zwischenstaatliche Beziehungen zurück. Eine weitere, „klassische“ Konfliktquelle sind Ansprüche auf Energie- und Rohstoffvorkommen, die häufig in umstrittenen Territorien liegen.

Ressourcendruck begünstigt die Neigung von Staaten, Ansprüche auf Gebiete geltend zu machen, deren territoriale Zugehörigkeit zwischen den Anrainerstaaten umstritten ist.

Um ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, haben viele Staaten in Asien begonnen, ihre eigenen Ressourcen in großem Maßstab auszubeuten. Jedoch übersteigt der rapide ansteigende Bedarf an einer Vielzahl von Rohstoffen und Energie häufig die eigenen Vorkommen. Bei seltenen Rohstoffen, wie etwa den sogenannten seltenen Erden, gibt es global nur wenige Lagerstätten, so dass hier eine hohe Importabhängigkeit besteht. Dieser Ressourcendruck begünstigt die Neigung von Staaten, Ansprüche auf Gebiete geltend zu machen, deren territoriale Zugehörigkeit zwischen den Anrainerstaaten umstritten ist. Dies ist häufig in maritimen Zonen der Fall, etwa im Süd- und Ostchinesischen Meer oder zwischen Thailand und Kambodscha. Hier überlagern sich allgemeine Souveränitätsansprüche mit dem Zugriff auf (vermutete) Erdöl- und Erdgasvorkommen. Im Fall der Senkaku/Diaoyu-Inseln hat sich ein über Jahrzehnte schwelender Konflikt in den letzten Jahren dadurch aufgeladen, dass umfangreiche Öl- und Gasvorkommen unter dem Meeresgrund vermutet werden. Eine baldige Lösung ist nicht in Sicht.

Der Disput im Südchinesischen Meer ist hingegen vergleichsweise jung, birgt aber ein ungleich größeres Konfliktpotenzial. Auch hier werden große unterseeische Lagerstätten für fossile Rohstoffe vermutet. China betrachtet das umstrittene Gebiet als eigenes Staatsgebiet und versucht diese Ansprüche zu untermauern, indem es in den vergangenen Jahren Flugfelder mit militärischen Basen auf künstlich erweiterten Atollen errichtet hat und die Präsenz seiner maritimen Streitkräfte massiv verstärkt. Die angespannten regional- und geopolitischen Beziehungen mit den Nachbarstaaten sowie den USA haben sich nochmals verschlechtert.

Doch auch die Nutzung von Ressourcen auf dem eigenen Staatsgebiet kann Quelle grenzüberschreitender Konflikte sein. Insbesondere die Staaten Süd- und Südostasiens sind immer noch „hydraulische Gesellschaften“ (Karl A. Wittvogel), deren Überleben von den großen Stromsystemen abhängt, die in den Gletscherregionen des Himalayas entspringen.

Die VR China spielt aufgrund ihres enormen Bedarfs eine zentrale Rolle in den Ressourcenkonflikten Asiens.

Wasserentnahmen oder die Nutzung der Bewegungsenergie durch Wasserkraftanlagen führen zu massiven Veränderungen im Wasserhaushalt und in der Biodiversität an den Unterläufen der Ströme. Das bekannteste Beispiel ist der Láncāng Jiāng/Mekong, dessen Wasserkraft China bereits heute intensiv nutzt. Auch Laos, weiter flussabwärts gelegen, deckt seinen Strombedarf fast vollständig durch den Mekong und sieht sich als „Batterie Südostasiens“. Schon heute lassen sich dadurch starke Veränderungen in Kambodscha und Vietnam feststellen: Fischbestände gehen dramatisch zurück, weil die Tiere die Staustufen kaum überwinden können. Der Fluss führt nur noch sehr unregelmäßig Wasser, worunter der in beiden Staaten extensiv betriebene (Nass-)Reisanbau besonders leidet. Ein anderer großer Strom Südasien, der Tachog Tsangpo/Brahmaputra, weist in seinem Oberlauf auf chinesischem Territorium eines der größten Wasserkraftpotenziale der Erde auf. Die VR China plant die Errichtung eines Staudamms mit enormen Ausmaßen, der großen Einfluss auf Indien und Bangladesch am unteren Flusslauf hätte.

Die Gewinnung von Ressourcen kann zwar auch im formalen Einvernehmen zwischen Staaten geschehen. Aber deren Folgen führen dann zu politischen und sozialen Spannungen innerhalb dieser Gesellschaften. Die VR China spielt dabei eine zentrale Rolle in den Ressourcenkonflikten Asiens. So hat China beispielsweise bereits heute riesige Agrarflächen in mehreren zentralasiatischen Ländern gepachtet, was zur massiven Verdrängung lokaler Agrarproduzenten führt. Mit Staaten, die reich an fossilen Rohstoffen sind, wurden umfangreiche und langfristige Abkommen zum gemeinsamen Rohstoffabbau geschlossen. China unterstützt den Ausbau der Öl- und Gasförderung und investiert stark in verschiedene Entwicklungsbereiche der kleinen Nachbarn, wodurch es sich gleichzeitig den Zugriff auf die Ressourcen sichert. Auch hier werden die Belange der lokalen Bevölkerung oft nur unzureichend berücksichtigt.

Die genannten Beispiele umreißen eine regional- und geopolitische Konfliktlandschaft, zu deren Kernelementen Konflikte um Ressourcen gehören. Das größte Konfliktpotenzial besitzen territoriale Dispute und grenzüberschreitende „Fernwirkungen“, die Konzepte traditioneller Vorstellungen von Souveränität überschreiten, etwa im Falle von großräumigen ökologischen Veränderungen. Der globale Klimawandel wird dabei die Konkurrenz um Ressourcen weiter verschärfen, etwa die Verfügbarkeit und den Zugang zu Schlüsselressourcen wie Wasser und Böden. Ferner nimmt der internationale Druck zu, die Nutzung fossiler Ressourcen zu reduzieren.

Schlussfolgerungen für die deutsche und europäische Außenpolitik

Europa und Deutschland sind bislang nicht direkt von klimawandelbedingter Migration in und aus Asien betroffen. Dies kann sich aber rasch ändern. Schon die gegenwärtige Flüchtlingsproblematik in Europa zeigt, dass einzelstaatliche Lösungen zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Proaktive Politikansätze sowohl in den Ausgangsregionen der Migration als auch den Zielräumen sind notwendig. Der deutschen Entwicklungspolitik bieten sich verschiedene Ansätze, um die Anpassungsfähigkeit armer Bevölkerungsschichten an die Folgen des Klimawandels zu verbessern und damit die Klimamigration indirekt einzudämmen. Dennoch bleibt der direkte Einfluss Europas begrenzt. Denn schon in den Ausgangsregionen fehlen grenzüberschreitende Ansätze, um Fluchtursachen zu bekämpfen und die Wanderungsströme zu bewältigen.

Obwohl Energiesicherheit und Klimaschutz sich mittlerweile als wichtige Querschnittsaufgaben für die deutschen – und europäischen – auswärtigen Beziehungen etabliert haben, fehlt es an „Frühwarnsystemen“, die energie- und klimapolitische Konfliktherde rechtzeitig identifizieren und Konsequenzen analysieren. Auf die Ursachen von Ressourcenkonflikten – Verteilung von Rohstoffen und den Bedarf einzelner Länder – lässt sich von außen kaum Einfluss nehmen. Eine Prävention liegt daher in der Stärkung der intraregionalen Zusammenarbeit.

Einen wichtigen Beitrag können Deutschland und die EU beim Aufbau regionaler und globaler Governance-Systeme leisten. Gerade in der Post-COP21-Phase liegt es an Europa, konzeptionelle und finanzielle Beiträge zu leisten, um bereits vor 2020 die Chancen des Pariser Klimaabkommens zu nutzen. Die Bedeutung von Anpassung und Widerstandsfähigkeit (adaptation und resilience) wird im Abkommen besonders hervorgehoben und soll auch im Rahmen neuer Instrumente der Klimafinanzierung einen höheren Stellenwert erhalten.

Einrichtungen der Vereinten Nationen und regionale Entwicklungsorganisationen haben zwar schon vor einigen Jahren damit begonnen, Fragilität und Klimamigration wissenschaftlich genauer zu untersuchen, z.B. für die kleinen pazifischen Inselstaaten. Es fehlt aber auch hier an einem Konsens über Konzepte und Begriffsbildungen sowie an verlässlichen empirischen Daten. In regionalen Organisationen wie ASEAN spielt das Thema bislang keine bedeutende Rolle.

Zurzeit wird Migration überwiegend negativ gesehen. Doch weist die Asian Development Bank zu Recht darauf hin, dass im klimabedingten Wanderungsdruck auch Chancen legen, sofern ein ganzheitlicher, zukunftsorientierter Ansatz verfolgt wird. So könnten diese Herausforderungen dazu genutzt werden, Sozial- und Bildungssysteme zu reformieren und lokale Gemeinschaften widerstandsfähiger zu machen. Hier kann die deutsche und europäische Außen- und Entwicklungspolitik auf langjährige Erfahrungen und auch Erfolge anknüpfen.

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Dr. Peter Hefele ist Leiter des Regionalprojektes Energiesicherheit und Klimaschutz Asien-Pazifik (RECAP) der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Johannes Vogel und Eric Lee sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Regionalprojekt RECAP.

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