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Editorial der Ausgabe: "Grenzen"

Die großen Migrationsbewegungen der letzten Jahre, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, das ''Brexit''-Votum, der Ruf nach Abschottung in - und außerhalb Europas – so unterschiedlich diese Phänomene im Einzelnen sein mögen, ist ihnen doch eines gemeinsam: Sie alle liefern anschauliche Beispiele für die nach wie vor erhebliche Bedeutung von Grenzen.

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Eine nordkoreanische Soldatin blickt während ihrer Patrouille an der mit Stacheldraht gesicherten Grenze am Ufer des Yalu hinter einem Baum hervor.

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dem Voranschreiten der europäischen Einigung, der Überwindung der deutschen Teilung und den allgegenwärtigen Globalisierungsprozessen waren die letzten Jahrzehnte von zunehmender Entgrenzung geprägt. Diese Entwicklung scheint nun ins Stocken geraten zu sein. Die großen Migrationsbewegungen der letzten Jahre, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, das Brexit-Votum, der Ruf nach Abschottung in - und außerhalb Europas – so unterschiedlich diese Phänomene im Einzelnen sein mögen, ist ihnen doch eines gemeinsam: Sie alle liefern anschauliche Beispiele für die nach wie vor erhebliche Bedeutung von Grenzen.

Mit Blick auf das internationale System hätte eine Politik der Begrenzung vor allem wirtschaftlich verheerende Folgen, wie David Gregosz in seinem Zwischenruf für diese Ausgabe konstatiert. Gerade Deutschland als eine der weltweit führenden Handelsnationen sieht er in der Verantwortung, den diesjährigen Vorsitz der Gruppe der G20 dazu zu nutzen, für freie Weltmärkte und eine aktive Gestaltung des Globalisierungsprozesses einzutreten.

Ein Zeichen mit hoher Symbolkraft ist die von US-Präsident Trump geplante Mauer an der Grenze zu Mexiko. Dabei kann eine Verstärkung des Grenzschutzes allein das Problem der illegalen Migration aus Mexiko und Mittelamerika keinesfalls lösen, so das Fazit von Victoria Rietig und Christian Bilfinger in ihrem Beitrag. Um dem Problem dauerhaft Herr zu werden, seien zusätzliche Investitionen vor allem in die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration in Lateinamerika unerlässlich.

Auch für die Europäische Union steht die Sicherung ihrer Außengrenzen wieder stärker im Fokus. Sie ist die notwendige Voraussetzung, um Freizügigkeit und Sicherheit im Schengen-Raum auch in einer Zeit der Massenmigration und neuartiger Bedrohungspotenziale gewährleisten zu können. Die jüngsten Herausforderungen an den EU-Außengrenzen haben dabei die Reformbedürftigkeit bestehender Instrumente deutlich werden lassen, wie Angelos Athanasopoulos in seinem Beitrag darlegt.

Auf dem afrikanischen Kontinent spielt die Verwaltung der Binnengrenzen eine wichtige Rolle, wie Kwesi Aning und John Pokoo in ihrem Beitrag ausführen. Ziel einer effizienten Grenzverwaltung ist es, zwischenstaatliche Konfliktpotenziale zu verringern und die wirtschaftliche Integration auf dem Kontinent zu erhöhen. Das ist in Afrika umso bedeutsamer, als Grenzkonflikte in der Vergangenheit zu einer ganzen Reihe gewaltsamer Auseinandersetzungen geführt haben.

Dass Grenzen auch in Europa (wieder!) blutige Konflikte auslösen können, führen Gabriele Baumann und Moritz Junginger in ihrem Beitrag vor Augen. Der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa ist im Fall der Ukraine gleich in zweifacher Hinsicht verletzt worden: durch die Annexion der Krim durch Russland und durch die Besetzung eines Teils des Donbas durch prorussische Separatisten. Zusätzlich zu den außen- und geopolitischen Fragen, die in diesem Zusammenhang üblicherweise im Fokus stehen, beleuchten die Autoren die Alltagsrealität der Menschen an den neuentstandenen „Grenzen“ – ein Alltag, der von der allgegenwärtigen Gefahr einer Eskalation des Konflikts überschattet wird.

Zu einer Eskalation könnte es in absehbarer Zeit auch im Streit um Hoheitsansprüche im Südchinesischen Meer kommen, wie David Arase in seinem Beitrag erörtert. Der Konflikt macht dabei deutlich, dass Grenzen auf hoher See nicht minder hart umkämpft sind, insbesondere wenn dabei reiche Fischgründe, Bodenschätze sowie geoökonomische und geostrategische Interessen auf dem Spiel stehen. Dabei steht das machtbewusste Auftreten Chinas dem Bestreben entgegen, im Südchinesischen Meer auch weiterhin die freie Schifffahrt zu gewährleisten.

Zum Abschluss richtet Frank Sauer seinen Blick auf zwei nur vermeintlich grenzenlose Räume – das Weltall und den Cyberspace – und macht dabei deutlich, dass auch hier erbittert um Grenzen gerungen wird – und auch gerungen werden muss. Denn nicht nur im Weltall und im Cyberspace gilt: So begrüßenswert der Abbau von Grenzen in vielen Bereichen ist, erfüllen diese in anderen Bereichen unverzichtbare Funktionen, sei es im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr, der Gewährleistung politischer und sozialer Ordnung oder sinnstiftender Identitäten.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr Dr. Gerhard Wahlers

Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).

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