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Michael Kappeler, dpa, picture alliance

Auslandsinformationen

Eine gerechte Transformation?

Zur Energiewende in Afrika

Der Begriff der gerechten (Energie-)Transformation hin zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung von Industrie und Infrastruktur prägt die deutsche Entwicklungszusammen­arbeit mit afrikanischen Ländern und wird in der neuen Afrika-­Strategie des federführenden Bundes­ministeriums prominent hervorgehoben. Obwohl die Schaffung von Arbeitsplätzen und wirtschaftlichem Wachstum unter Berücksichtigung von Umweltschutz und Biodiversität ein wichtiger Bestandteil der Kooperation mit Afrika sein muss, ist es fraglich, ob der deutsche Ansatz der just transition die Entwicklungsprioritäten der afrikanischen Länder angemessen berücksichtigt.

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Subsahara-Afrika gehört aufgrund seiner geringen Adaptionskapazität und fehlenden Resilienz zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen der Welt. Bereits heute haben die Auswirkungen des Klimawandels verheerende Folgen: So führt beispielsweise die Verknappung von Wasser und Weideland immer häufiger zu gewaltsamen Konflikten und Migrationsbewegungen, außerdem gefährden extreme Wetterereignisse die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen, die im Agrarsektor tätig sind.

Um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, haben sich die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, den weltweiten Temperaturanstieg auf unter zwei Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken. Damit dies gelingen kann, ist der Umbau hin zu einer kohlenstoffarmen, möglichst klimaneutralen Weltwirtschaft notwendig. Afrikanische Länder stehen vor der Herausforderung, diese Dekarbonisierung voranzutreiben und gleichzeitig Millionen von Arbeitsplätzen für die wachsende Bevölkerung zu schaffen sowie eine klimaresiliente, moderne Energie- und Verkehrsinfrastruktur aufzubauen.

 

Was versteht man unter einer gerechten Transformation?

Wie nun können das dringend benötigte Wachstum sowie der Ausbau und die Erneuerung der Infrastruktur möglichst umweltschonend und unter Berücksichtigung der Biodiversität des Kontinents herbeigeführt werden? Um diesen Prozess zu beschreiben, wird seit einigen Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit das Konzept der just transition, auf Deutsch in etwa „gerechter Übergang“ oder „gerechte Transformation“, verwendet. Der Begriff geht ursprünglich auf das Gewerkschaftsmilieu zurück und beschrieb die Verhinderung negativer Auswirkungen von Transformationsprozessen auf Arbeiter. Damit war jedoch nicht zwangsläufig eine Verbindung zum Schutz der Natur hergestellt. Die ökologische Dimension der just transition wird auf den kanadischen Gewerkschafter Brian Kohler zurückgeführt, welcher Ende der 1990er-Jahre sagte: „Die wirkliche Wahl fällt nicht zwischen Arbeitsplätzen oder Umweltschutz. Es ist entweder beides oder gar nichts.“ Seitdem ist ökologische Nachhaltigkeit eng mit dem Begriff der just transition verbunden, der über die Jahre auch Eingang in die internationalen Klimaverhandlungen fand. Auch in der Präambel des Pariser Klimaabkommens wird auf die Notwendigkeit einer just transition Bezug genommen.

Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die Realisierung einer gerechten Transformation in seiner im Januar 2023 verabschiedeten Afrika-Strategie „Gemeinsam mit Afrika Zukunft gestalten“ in den Fokus der Zusammenarbeit gerückt. Bereits im Inhaltsverzeichnis wird auf die just transition hingewiesen, unter der das Ministerium die „sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, Energie und Infrastruktur“ versteht. Um dies zu erreichen, plant das Ministerium den Ausbau von Klima- und Entwicklungspartnerschaften, eine Zusammenarbeit für die klimafreundliche und sozial gerechte Entwicklung von Städten und Energiesystemen sowie für die verantwortungsvolle Nutzung von Ressourcen, die Förderung nachhaltiger Lieferketten, die Zusammenführung von Ökosystemen und Wirtschaftsentwicklung sowie den Ausbau von Schutzmechanismen gegen Klimarisiken und die Stärkung von Klimaresilienz.

Afrikanische Länder sind für weniger als drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Da die Schaffung von nachhaltigen Wirtschaftssystemen im Wesentlichen auf dem Umbau der globalen Energieversorgung und der damit verbundenen Reduzierung von CO2-Emissionen beruht, erweitert das BMZ hier den Begriff der just transition hin zu einer just energy transition, um die Bedeutung des Übergangs von fossilen Energieträgern hin zu kohlenstoffarmen oder erneuerbaren Energien zu unterstreichen und gleichzeitig den Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft als integralen Teil eines gesellschaftlichen Transformationsprozesses darzustellen. Folglich werden Just Energy Transition Partnerships (JETP) als weiteres Instrument der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und afrikanischen Ländern genannt.

Allerdings ist fraglich, ob das Verständnis von gerechter Transformation in Afrika dasselbe ist wie in der vorgestellten BMZ-Strategie oder im allgemeinen Kontext der Entwicklungszusammenarbeit. Während die Diskussion um eine gerechte Transformation hin zu einer kohlenstoffarmen Lebensform in industrialisierten Ländern den Dreiklang von sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Rentabilität vereint, werden Diskussionen um eine gerechte Energiewende in afrikanischen Ländern oftmals vor dem Hintergrund der Frage nach globaler Gerechtigkeit geführt. Afrikanische Länder sind für weniger als drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und fordern, dass die Reduzierung von Emissionen zunächst in den Industriestaaten vollzogen werden muss, während afrikanische Länder für die bereits eingetretenen Klimaschäden finanziell kompensiert werden sollten. Die Einhaltung dieses in den Klimaverhandlungen als polluter pays bekannten Prinzips bedeutet für viele Afrikaner eine gerechte (Energie-)Wende. Eine gerechte Energiewende kann zudem auch so interpretiert werden, dass die historischen Emissionen einen Einfluss auf künftige Emissionspfade haben sollten, sodass afrikanischen Ländern für ihre Entwicklung ein Budget an Emissionen zur Verfügung steht, welches Industriestaaten bereits verbraucht haben.

Außerdem impliziert der Begriff der just transition, entweder im Bereich von Energiesystemen oder aber im Bereich der wirtschaftlichen Transformation, dass es bereits Systeme gibt, die verändert werden müssen. Länder, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität hat oder deren Bevölkerung größtenteils im informellen Sektor tätig ist, können jedoch weder das Konzept der Energiewende noch die Anstrengungen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft als Transformationsprozess auf die eigene Lebenswirklichkeit anwenden.

Eine Energiewende nach westlichem Vorbild ist in Subsahara-Afrika nicht zu verwirklichen.

 

Ein afrikanisches Verständnis der just energy transition

Im afrikanischen Kontext kreisen Diskussionen um eine Energiewende folglich nicht vorrangig um das Potenzial, Energie aus erneuerbaren Quellen herzustellen. Lange Zeit standen der Zugang zu Energie und somit die Energiesicherheit selbst im Mittelpunkt. Vermehrt wird unter dem Schlagwort der just transition auch diskutiert, welche Energiesysteme in der Lage sind, Energiearmut gerecht zu adressieren. Manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler argumentieren, dass, obwohl die meisten afrikanischen Länder umfassende Strategien für den Einsatz erneuerbarer Energien initiiert haben, die Forschung zu den Möglichkeiten eines Übergangs zu erneuerbaren Energien weiterhin eurozentrisch ist. Ohne Frage ist die Umsetzung einer Energiewende gerade auch im Hinblick auf das Ziel 7 der UN-Entwicklungsagenda (Sustainable Development Goals, SDGs), welches nachhaltigen, verlässlichen und bezahlbaren Zugang zu Energie für alle fordert, lobenswert. Allerdings muss in schwachen oder defizitären Demokratien, zu denen viele afrikanische Länder gehören, mehr als in liberalen Demokratien sichergestellt werden, dass Kosten und Nutzen einer Energiewende gerecht verteilt werden und die Bevölkerung in politische Entscheidungsprozesse eingebunden wird.

Gleichzeitig sollte ein Grundverständnis darüber herrschen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien wesentlich vom politischen Willen der nationalen Entscheidungsträger abhängt. Eine gerechte Energiewende in Subsahara-Afrika als Auftrag der Entwicklungszusammenarbeit muss daher zwangsläufig auch Fragen der guten Regierungsführung und politischen Partizipation einbeziehen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Energiewende als eine Transformation wahrgenommen wird, die bestehende Ungerechtigkeiten verschärft. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass eine Energiewende nach westlichem Vorbild aufgrund der gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Ausgangslage nicht zu verwirklichen ist.

 

Gerechtes Wachstum versus gerechte Transformation

Priorität des Globalen Nordens solle die Dekarbonisierung der Wirtschaft sein, Priorität des Globalen Südens sei die Industrialisierung, wobei die Chancen des kohlenstoffarmen Wachstums berücksichtigt werden müssten, meint Linus Mofor, der als Umweltexperte bei der UN-Wirtschaftskommission für Afrika arbeitet. Seine Aussage verdeutlicht, dass die afrikanischen Länder ihr Recht auf Entwicklung auch als ein Recht auf wirtschaftliches Wachstum und materiellen Wohlstand verstehen und dieses einfordern.

In der Afrikanischen Charta der Menschenrechte wird nicht das Recht auf eine unberührte Umwelt, sondern das Recht auf ein der Entwicklung allgemein förderliches Umfeld festgeschrieben. Diese Interpretation würde Entwicklungsprojekte billigen, die ein gewisses Maß an Beeinträchtigung der Umwelt und Biodiversität in Kauf nehmen, so lange die Auswirkungen so gering wie möglich sind und das menschliche Wohlbefinden nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Mit dem Verweis auf eine für die Entwicklung allgemein förderliche Umwelt erkennt die Charta an, dass ohne ausreichenden Umweltschutz keine Entwicklung stattfinden kann.

Fast scheint es, als ob es unterschiedliche Maßstäbe für die Gewährleistung der europäischen und afrikanischen Energiesicherheit gäbe.

Obwohl viele afrikanische Länder über fossile Ressourcen verfügen, die für ihre Entwicklung von zentraler Bedeutung sind, hat die Weltbank die Finanzierung für die Entwicklung fossiler Energieprojekte gestoppt. Auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26) verpflichteten sich 39 Länder und Entwicklungsorganisationen, die direkte internationale öffentliche Finanzierung von Projekten für fossile Energiegewinnung einzustellen. Das Bedürfnis afrikanischer Länder nach Energiesicherheit wurde mit Verweis auf die globale Energiewende lange Zeit nicht ernst genommen, gern präsentierten sich Industrieländer als Vorreiter bei grünen Energietechnologien. Seit der globalen Energiekrise Anfang 2022 haben jedoch viele Industrie- und Schwellenländer den Einsatz von fossilen Brennstoffen für die nationale Versorgung ausgebaut, was freilich mit Blick auf das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit, afrikanische Länder bei einer sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft zu unterstützen, die Glaubwürdigkeit unterminiert.

Die Lücke in der Energieversorgung Europas, ausgelöst durch die russische Invasion der Ukraine, hat zu zahlreichen neuen Energieabkommen zwischen europäischen und afrikanischen Staaten geführt. Deutschland hat Interesse am Kauf von Offshore-Gas aus dem Senegal bekundet. Italien hat Gasverträge mit Algerien, Angola, Ägypten und der Republik Kongo geschlossen, um seine Abhängigkeit von Russland zu verringern. Italien, Frankreich, Portugal, Spanien und die Niederlande verhandeln mit Nigeria über Gasabkommen, während die auf Eis gelegten Investitionen in Mosambik möglicherweise wieder „aufgetaut“ werden. Zwar sind Investitionen in Afrika generell zu begrüßen. Nachvollziehbar und legitim ist es zudem, dass Europa seine Energielücke durch neue Partnerschaften auf dem afrikanischen Kontinent zu schließen versucht. Allerdings wirkt es nun scheinheilig, wenn von afrikanischen Ländern bis Anfang 2022 erwartet wurde, eigene fossile Ressourcen nicht zu nutzen, und für die Erschließung dieser Ressourcen für den nationalen Gebrauch auch keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung gestellt wurden. Fast scheint es, als ob es unterschiedliche Maßstäbe für die Gewährleistung der europäischen und afrikanischen Energiesicherheit gäbe. Dies ist weit entfernt vom Prinzip der Behandlung auf Augenhöhe und dem BMZ-Anspruch, gemeinsam mit Afrika Zukunft zu gestalten.

In Afrika südlich der Sahara haben mehr als 70 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität, die meisten Menschen ohne Zugang zu Strom leben in ländlichen Gebieten. Dabei herrschen in den Ländern sehr verschiedene Ausgangsbedingungen. So haben in Südafrika beispielsweise rund 90 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität, die zu 95 Prozent aus nicht erneuerbaren Energien stammt. In Ruanda haben rund 47 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität, die wiederum zu rund 63 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammt. In Kenia haben mehr als 70 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität, der Anteil erneuerbarer Energien beträgt hier rund 90 Prozent. Im Tschad haben lediglich 11 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität und der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion beträgt wie in Südafrika nur rund 5 Prozent.

Energiesicherheit ist jedoch eine Voraussetzung für Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft, der Industrie und anderen Sektoren und damit eine Grundlage für wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Für Afrika bedeutet dies, dass gerechtes Wachstum alle Formen der Energieerzeugung einschließt, sofern diese die Energiearmut auf dem Kontinent überwinden können. In einem Communiqué mit dem Titel „Ensuring a Just and Equitable Energy Transition in Africa“ („Eine gerechte und faire Energiewende in Afrika sichern“) – auch als „Kigali Communiqué“ bekannt – sprechen sich zehn afrikanische Staaten für den Einsatz von Gas als notwendiger Brückentechnologie für wirtschaftliche Entwicklung aus. Ebenso haben die Afrikanische Union und andere Institutionen im vergangenen Jahr eine gemeinsame Position für den Zugang zu Energie und für eine gerechte Transformation veröffentlicht, in der ebenfalls das Recht, die eigenen fossilen Ressourcen zu nutzen, bekräftigt wird.

Bei der Feststellung, der afrikanische Kontinent sei reich an erneuerbaren Energien, wird oftmals ausgelassen, dass zur Nutzung ebendieser Energien auch Technologie benötigt wird, welche meist nicht zur Verfügung steht, während die Infrastruktur zur Nutzung der eigenen fossilen Ressourcen bereits vorhanden ist und auch genutzt werden kann. Dieser Ausgangslage sollte auch in der Entwicklungszusammenarbeit pragmatisch Rechnung getragen werden.

 

Ausgangssituation in afrikanischen Ländern stärker berücksichtigen

Eine gerechte Transformation hat in Industriestaaten eine andere Bedeutung als in Subsahara-Afrika. Diskussionen über Gerechtigkeit werden mit Blick auf den Klimawandel in afrikanischen Staaten oft vor dem Hintergrund des Verursacherprinzips geführt. Gleichzeitig bedeutet Gerechtigkeit für diese Länder auch, ihre eigenen fossilen Ressourcen für ihre Entwicklung zu nutzen. Daher ist das Konzept einer just transition, welches sich auf einen ökologisch-sozialen Wandel fokussiert, eines, mit dem die meisten afrikanischen Länder wenig anfangen können oder das sie sogar als Bevormundung empfinden.

Ein Beispiel hierfür ist die Partnerschaft des BMZ mit Südafrika im Rahmen der Just Energy Transition Partnership (JETP). Diese „maßgeschneiderte“ Form der Zusammenarbeit zielt auf eine breit angelegte soziale und ökologische Transformation der Wirtschaft und der Lebenswirklichkeit der Menschen ab. Neben der Reduzierung von Treibhausgasen sollen Arbeitsplätze für Frauen und junge Menschen geschaffen werden. Allerdings wird JETP vor Ort häufig als ein Instrument wahrgenommen, das Südafrika zwingt, den vermeintlich lukrativen Wirtschaftszweig Kohle im Interesse des Klimaschutzes aufzugeben. Betroffene Minenarbeiter argumentieren, die Transition sei vom Westen aufgezwungen, soziale und wirtschaftliche Aspekte würden vernachlässigt und nichts an dem Prozess sei gerecht.

Ghanas Präsident spricht sich für eine Lösung aus, welche die historische Ungleichheit zwischen den großen und den kleinen Emittenten anerkennt.

Die mosambikanische Regierung hat den Ausstieg aus dem Kohleabbau zunächst ausgeschlossen und begründet ihre Haltung damit, dass Kohle als Exportartikel einen entscheidenden Beitrag zur Zahlungsbilanz und als Devisenquelle leiste. Sie weist auch darauf hin, dass jede Energiewende die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen müsse.

Für Ghanas Präsident Akufo-Addo steht bei einer gerechten Transformation ebenfalls das Verursacherprinzip im Vordergrund. Er spricht sich für eine faire Lösung aus, welche gleiche Ausgangsbedingungen schafft und die historische Ungleichheit zwischen den großen und den kleinen Emittenten anerkennt. Die Dekarbonisierung, welche Ghana grundsätzlich befürwortet, bindet dort Mittel, die auch für andere wichtige Projekte wie eine stabile Stromversorgung oder die Sanierung der Transportinfrastruktur benötigt würden. Die Aufgabe, sowohl auf die Erwartungen der eigenen Öffentlichkeit und Bevölkerung einzugehen als auch ein emissionsarmes Wachstum und damit die nationalen und internationalen Klimaziele zu erreichen, ist eine der größten Herausforderungen für Ghana.

Dem Senegal wird für die nächsten fünf Jahre ein hohes wirtschaftliches Wachstum prognostiziert, das wesentlich auf neue Öl- und Gasprojekte zurückzuführen ist und neue Arbeitsplätze, verbesserte Energiesicherheit und – damit einhergehend – wirtschaftliche Perspektiven mit sich bringen wird. Gleichzeitig hat das Land erst kürzlich eine Just Energy Transition Partnership mit verschiedenen Partnern, darunter Deutschland, abgeschlossen. Der Senegal verpflichtet sich in dem Abkommen, 40 Prozent seiner Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu decken, und erhält im Gegenzug finanzielle Unterstützung. Im Sinne einer gerechten Transformation werden somit die Entwicklungsziele des Landes, nämlich der Zugang zu Elektrizität, nicht einem Klimaziel untergeordnet. Zivilgesellschaftliche Akteure lobten zudem, dass sie bei den Verhandlungen konsultiert wurden und das Abkommen somit eine breite gesellschaftliche Akzeptanz hat.

Afrikanische Partner sehen die Widersprüche zwischen der Klima- und Energiepolitik der EU und deren mittel- bis langfristigen Zielen.

Das Beispiel der senegalesischen JETP zeigt, dass sich Klima- und Entwicklungsziele vereinbaren lassen. Anders allerdings das Konzept der just transition im Falle Südafrikas, wo es lediglich als Vorgabe zur Erreichung von Klimazielen wahrgenommen wird, welche die Bemühung afrikanischer Länder, ihre selbst definierten Entwicklungsziele zu erreichen, nicht angemessen berücksichtigt. Dadurch besteht mittel- bis langfristig die Gefahr, dass Bestrebungen, CO2-Emissionen durch gezielte Maßnahmen global zu senken, als hinderlich für die eigene Entwicklung wahrgenommen werden. Die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer sind durch die mangelnde Bereitstellung der entsprechenden Technologien zudem nicht in der Lage, wirtschaftlich von der Energiewende zu profitieren, was zu einer negativen Wahrnehmung der globalen Energiewende und dem Eindruck, erneut abgehängt zu werden, beitragen könnte.

Wenn es um Fragen der Gerechtigkeit geht, muss bei der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation auch über die Rechenschaftspflicht der afrikanischen Partner diskutiert werden. Zwar gibt es in vielen afrikanischen Ländern bereits politische Maßnahmen, die auf eine gerechte Energiewende abzielen, doch laufen diese Gefahr, Ungleichheiten zu perpetuieren, wenn Demokratiedefizite nicht adressiert werden. Viel zu oft werden der Ausbau der erneuerbaren Energien und eine effiziente und effektive Klimafinanzierung durch schlechte Regierungsführung und Korruption behindert. Darum sind gute Regierungsführung und eine zivilgesellschaftliche Partizipation integrale Elemente von gerechter Transformation, finden aber leider im Konzept des BMZ zur just energy transition keine Berücksichtigung.

 

Handlungsoptionen für die Umsetzung einer global gerechten Energiewende

Eine Energiewende nach Vorbild der Industriestaaten global durchzusetzen, entspricht nicht dem afrikanischen Verständnis einer just transition. Zudem nehmen afrikanische Partner Widersprüche zwischen der kurzfristigen Klima- und Energiepolitik der EU und deren mittel- bis langfristigen Zielen wahr. Für diese Politik gibt es Gründe, diese müssen allerdings im gemeinsamen Dialog erörtert werden, sonst droht ein Glaubwürdigkeitsverlust. Dazu gehört auch, Maßnahmen zur globalen CO2-Reduzierung, wie die Einführung von Kohlenstoffsteuern oder sonstige Bepreisungen von Kohlenstoffprodukten, die international gehandelt werden, offen und ehrlich zu diskutieren, da sonst auf afrikanischer Seite der Eindruck entstehen könnte, benachteiligt zu werden.

Subventionen für klimafreundliche Technologien und fiskalische Anreize zur Verwendung grüner Technologien können in Industrieländern Verhaltensänderungen erzeugen. Der fiskalpolitische Spielraum für solche Maßnahmen ist in afrikanischen Ländern aber beschränkt. Die Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie sind noch spürbar, viele Länder haben mit einer hohen Inflations- und Schuldenquote und der Abwertung der nationalen Währungen zu kämpfen, sodass viele Volkswirtschaften auf dem Kontinent zum ersten Mal seit Jahrzehnten geschrumpft sind. Dem Eindruck, Anstrengungen zur globalen Dekarbonisierung könnten ein Entwicklungshindernis oder eine Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit für Entwicklungs- und Schwellenländer darstellen, muss dringend entgegengewirkt werden, um eine global gerechte Energiewende zu erreichen. Neue und innovative Mechanismen zur Klimafinanzierung könnten hierfür ein starkes Signal sein.

Um den Anstieg der globalen CO2-Emissionen abzumildern, müssen afrikanischen Staaten grüne Technologien zur Verfügung gestellt werden.

Bei den partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und Afrika sollte der Entwicklungs- und Industrialisierungsbedarf des Kontinents ernster genommen werden. Dies bedeutet Unterstützung bei den Infrastrukturprojekten, welche in der „Agenda 2063: The Africa We Want“ aufgelistet sind. Herausgegeben von der Afrikanischen Union, gilt die Agenda 2063 als strategische Leitlinie für die Entwicklung des Kontinents. Deutschland kann dazu beitragen, dass diese Infrastrukturprojekte so umweltschonend und emissionsarm wie möglich umgesetzt werden. Dies würde zudem eine Alternative zu Chinas „Belt and Road Initiative“ schaffen, die viele Länder in hohe Schulden getrieben hat. Auch liegen die Verbesserung und der Aufbau einer klimaresilienten Transport- und Energie-infrastruktur auf dem afrikanischen Kontinent im europäischen Interesse, da dies den Handel mit Afrika erleichtern und attraktiver machen würde. Unzureichende Transportwege sowie eine veraltete Wasser- und Energieinfrastruktur, gerade im Landesinneren, verhindern, dass afrikanische Märkte erschlossen werden. Eine Studie des Konsortiums für Infrastruktur in Afrika (ICA) kommt zu dem Schluss, dass die schlechte Verkehrsinfrastruktur den innerafrikanischen Warenverkehr um 30 bis 40 Prozent verteuert, auch die Weltbank schätzt den Produktivitätsverlust aufgrund mangelhafter Infrastruktur auf bis zu 40 Prozent.

Das Spannungsfeld zwischen dem Potenzial, das fossile Brennstoffreserven für Entwicklung und Industrialisierung auf dem afrikanischen Kontinent bieten, und der weltweiten Notwendigkeit der Dekarbonisierung kann auch durch eine pragmatisch geführte Diskussion nicht aufgelöst, aber zumindest ehrlich thematisiert werden. Die Diskussion sollte Aspekte einer distributiven globalen Gerechtigkeit hinsichtlich der Ursachen des Klimawandels einschließen. Um den Anstieg der globalen CO2-Emissionen abzumildern, müssen afrikanischen Staaten grüne Technologien zur Verfügung gestellt werden, außerdem muss ein verstärkter Wissenstransfer im Bereich Klima- und Umweltschutz stattfinden. Diese Forderung ist nicht neu und auch in der Afrika-Strategie des BMZ zu finden. Jedoch sollte diese Art der Kooperation nicht aus einer Perspektive der Entwicklungszusammenarbeit gesehen werden, sondern aus einer strategischen Überlegung heraus und mit Blick auf eine künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit, besonders in den Bereichen kritischer Mineralien und Metalle sowie nachhaltiger Energiegewinnung.

Allerdings ist der Verweis auf das Recht auf wirtschaftliche Entwicklung und, damit verbunden, die Nutzung der eigenen fossilen Ressourcen keine Entschuldigung dafür, die unter dem Pariser Abkommen getroffenen Verpflichtungen zur Begrenzung der globalen Erderwärmung außer Acht zu lassen. Afrikanische Länder, die sich für Gas und Öl als Brückentechnologie einsetzen, sollten im Rahmen der Verhandlungsprozesse unter der UN-Klimarahmenkonvention langfristige Strategien für eine emissionsarme Entwicklung und mittelfristige CO2-Einsparziele präsentieren.

Ob es künftig große Exportmärkte für Zukunftstechnologien wie Wasserstoff oder grünes Ammoniak geben wird, ist heute noch nicht sicher zu prognostizieren. Obwohl einige Länder bereits signifikante Investitionsabkommen für die Produktion abgeschlossen haben, bestehen bisher keine industriellen Produktionskapazitäten in Afrika. Damit bleibt abzuwarten, ob diese Produkte kompetitiv auf dem Weltmarkt angeboten werden können, was auch vom globalen Fortschritt der Dekarbonisierung abhängt. Bei der Erschließung neuer Märkte sollte sich der Blick daher viel stärker auf den regionalen Handel und den Aufbau regionaler Produktionskapazitäten richten. Das afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA (African Continental Free Trade Area) hat hierfür den Rahmen geschaffen, die Umsetzung sollte eine Priorität afrikanischer Länder darstellen. Die Schaffung des im Freihandelsabkommen vereinbarten African Single Electricity Market ist für private Investitionen in die dringend benötigte nachhaltige Energieinfrastruktur äußerst attraktiv, da Märkte mit großen Abnahmegarantien entstehen würden.

 

Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Afrika und Deutschland im Bereich kritischer Mineralien und Metalle

Eine große Chance für eine gerechte und nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Industrie bietet sich im Bereich der kritischen Mineralien und Metalle, die für die Energiewende benötigt werden. Die geopolitische Lage hat sich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Spannungen zwischen den USA und China dahingehend geändert, dass die Frage der Versorgung mit den für die Energiewende benötigten Rohstoffen und der Sicherstellung von entsprechenden Lieferketten eine neue Bedeutung erlangt hat, die über die Klimapolitik weit hinausgeht.

Kritische Mineralien und Metalle sind oftmals regional konzentriert: Mehr als 70 Prozent des weltweit verarbeiteten Kobalterzes stammen aus der Demokratischen Republik Kongo, China verfügt über mehr als 50 Prozent aller Seltenen Erden weltweit. Zum Vergleich: Die drei größten Ölproduzenten USA, Saudi-Arabien und Russland sind jeweils für weniger als 10 Prozent der globalen Ölproduktion verantwortlich. Darüber hinaus ist auch die Weiterverarbeitung von für die Energiewende benötigten Mineralien und Metallen wie Nickel, Kobalt und Bauxit stark auf China konzentriert. Oftmals ist das Land über Direktinvestitionen an Minen im Ausland beteiligt.

Dass dies zunehmend auch in Afrika für Unbehagen sorgt, zeigte ein Besuch des kongolesischen Präsidenten Félix Tshisekedi im Mai 2023 in China. Der Präsident wollte eine Neuverhandlung von Bergbauverträgen und dabei bessere Bedingungen für sein Land erwirken. Die Erlöse, die China mit dem Abbau von Kupfer und Kobalt in dem zentralafrikanischen Land erziele, stünden in keinem Verhältnis zu den dafür gezahlten marginalen Entschädigungen. Bis Ende des Jahres soll ein neues Abkommen ausgehandelt werden und es bleibt abzuwarten, ob Tshisekedi seinen Anspruch, zu einem besseren Gleichgewicht mit China zu finden, einlösen kann.

Um die Versorgung mit kritischen Rohstoffen zu diversifizieren und so die Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten bei kritischen Mineralien und Metallen zu verringern, hat die EU unter anderem im März 2023 den Critical Raw Materials Act verabschiedet. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der EU bei grünen Energietechnologien aufrechtzuerhalten. Um dies zu erreichen, werden Maßnahmen vorgestellt, die die Versorgung mit insgesamt 34 als kritisch angesehenen Mineralien und Metallen für die europäische Industrie sicherstellen sollen. Viele dieser Rohstoffe finden sich auf dem afrikanischen Kontinent. Auch dort wird dem Thema daher zunehmend mehr Bedeutung beigemessen – allerdings nicht, um die Dekarbonisierung voranzutreiben und im Bereich der grünen Technologien wettbewerbsfähig zu bleiben. Vielmehr haben afrikanische Staaten das Potenzial für die eigene Industrialisierung und eine neue strategische Zusammenarbeit erkannt.

Beim Abbau fossiler Brennstoffe und anderer Rohstoffe beschränkte sich Afrikas Rolle in der Wertschöpfungskette bislang auf den Export von unverarbeiteten Rohstoffen, was die Länder zum einen anfällig für globale Preisschwankungen machte und zum anderen nur geringe Einnahmen und wenig Arbeitsplätze generierte. Die Weiterverarbeitung von kritischen Mineralien und Metallen wie Lithium, Kobalt oder Bauxit in Afrika selbst könnte die Industrialisierung des Kontinents begünstigen, indem die dafür benötigten Produktionskapazitäten dort geschaffen würden, was wiederum zu wirtschaftlichem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen entlang der gesamten verarbeitenden Wertschöpfungskette führen würde.

Die Investitionen zur Schaffung entsprechender Kapazitäten könnten afrikanische Staaten beispielsweise im Rahmen von Rohstoffpartnerschaften mit gekoppelten Investitionsabkommen einfordern, denn sie haben aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach den grünen Rohstoffen eine starke Verhandlungsposition. Dies hätte zur Folge, dass sich die bisherige Entwicklungszusammenarbeit zu wirtschaftlicher Kooperation auf Augenhöhe wandeln würde. Ein Beispiel hierfür ist ein kürzlich geschlossenes Abkommen zwischen der Demokratischen Republik Kongo, Sambia und den USA, welches die Errichtung einer Batteriefabrik für Elektroautos in einer neu geschaffenen Freihandelszone vorsieht.

Simbabwe hingegen hat zu Beginn dieses Jahres stärkere Beschränkungen für den Export von unverarbeitetem Lithium eingeführt. Allerdings führten Exportrestriktionen in afrikanischen Ländern in der Vergangenheit nicht zu der gewünschten Schaffung von Produktionskapazitäten vor Ort. Längerfristige Investitionen in Produktionskapazitäten und der daraus resultierende Technologietransfer sind staatlichen Exportrestriktionen vorzuziehen, allerdings muss hierzu in den afrikanischen Ländern auch ein günstiges Umfeld für Investitionen geschaffen werden.

Die Gesetzgebung muss auf die gestiegene Nachfrage nach Mineralien und Metallen so vorbereitet sein, dass internationale Abkommen eine gerechte Transformation für die Bevölkerung garantieren – was nicht nur Investitionsabkommen, sondern auch Transparenz, soziale und politische Partizipation sowie die Reinvestition von Gewinnen und Erträgen in den jeweiligen Ländern einschließt. Ebenfalls unabdingbar sind spezifische ESG-Standards (Umwelt-, Sozial- und Good-Governance-Standards) in der Rohstoffindustrie, um die in der afrikanischen Charta der Menschenrechte geforderte Entwicklung umwelt- und sozialverträglich zu gestalten. Unter diesen Bedingungen könnte eine strategische Partnerschaft die Sicherung von kritischen Mineralien und damit verbunden die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas garantieren – und für afrikanische Länder eine gerechte Transformation nach ihrem Verständnis vorantreiben.

 


 

Anja Berretta ist Leiterin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel in Subsahara-Afrika mit Sitz in Nairobi.


 

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