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Konrad Adenauer unterzeichnet die Beitrittsurkunde zur NATO

von Judith Michel
Am 9. Mai 1955 – zehn Jahre nach der deutschen Kapitulation – unterzeichnete Bundeskanzler Konrad Adenauer in Paris die Beitrittsurkunde der Bundesrepublik zum Nordatlantikpakt. General Hans Speidel, erster deutscher Repräsentant bei der NATO, bezeichnete dies als „ein Wunder im Rückblick auf die schwere Vergangenheit“. Mit der Aufnahme in das Verteidigungsbündnis erlangte die Bundesrepublik weitgehende Souveränität und wurde zum gleichwertigen Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft. Bis heute ist die NATO-Mitgliedschaft ein wichtiger Grundpfeiler der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

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Die Ausgangslage

Nach der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 wurde Deutschland in eine amerikanische, eine britische, eine französische und eine sowjetische Besatzungszone (SBZ) geteilt und vollständig demilitarisiert. Die sich schon bald verhärtenden Fronten zwischen den Westmächten und der UdSSR wirkten sich auch auf Deutschland aus: Während in den drei westlichen Besatzungszonen liberal-demokratische und marktwirtschaftliche Strukturen aufgebaut wurden, errichtete die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in der SBZ eine kommunistische Einparteienherrschaft in Abhängigkeit von Moskau. 1949 wurden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR gegründet.

Die geostrategische Lage Deutschlands führte bei den Besatzungsmächten in West wie Ost zu der Frage, wie der einstige Kriegsgegner als Verbündeter beziehungsweise Satellitenstaat in das eigene Sicherheitssystem eingebunden werden könnte. In der SBZ gab es bereits 1947/48 erste sowjetische Vorstöße zur Wiederbewaffnung und den Beschluss, eine kasernierte Polizei zu schaffen. Auch in Westdeutschland und bei den westlichen Alliierten wurden zu dieser Zeit erste geheime Überlegungen zu einer Wiederbewaffnung angestellt, obwohl dies im Widerspruch zum Besatzungsrecht und den Bestimmungen zur Demilitarisierung stand.

Konrad Adenauer, der Vorsitzende der CDU in der britischen Zone und seit dem 1. September 1948 Präsident des Parlamentarischen Rates, sowie seine militärpolitischen Berater waren sich mit den Westmächten einig, dass nur ein starker geeinter Westen dem Expansionsdrang der Sowjetunion trotzen könne. Zugleich bot die wirtschaftliche, politische und militärische Westintegration die Möglichkeit, Misstrauen zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern abzubauen und Deutschland zu kontrollieren. Westdeutschland konnte wiederum über den Vertrauensgewinn Teil der internationalen Gemeinschaft werden, den wirtschaftlichen Wiederaufbau vorantreiben und die freiheitlich-demokratischen Strukturen und Werte festigen, was Konrad Adenauer letztlich auch als Voraussetzung für die Wiedervereinigung betrachtete.

Die Westintegration bildete auch die Klammer, um die teils divergierenden Sicherheitsinteressen der westlichen Staaten und Westdeutschlands überein zu bringen. So wurde Deutschland von Großbritannien als „battlefield“, von den USA als „war theater“ und von Frankreich als „glacis“ betrachtet. Die Westdeutschen drängten hingegen auf eine permanente Stationierung westlicher Truppen auf ihrem Territorium. Zudem wurden Stimmen nach einem Aufbau eigener Streitkräfte laut, um gleichberechtigtes Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft werden zu können und sich auch im Falle einer Reduzierung alliierter Truppen verteidigen zu können. Voraussetzung für die Kopplung dieser unterschiedlichen Interessen war die Einbindung deutscher Truppen in ein internationales Sicherheitsbündnis. Diese Bedingungen für die westdeutsche Wiederbewaffnung markierten einen radikalen Bruch mit der bisherigen deutschen Militärtradition.

Nachdem im Mai 1949 mit Verabschiedung des Grundgesetzes die Bundesrepublik gegründet worden war, konnte diese zunächst jedoch noch keine eigenen Streitkräfte aufbauen. Laut dem kurz zuvor verkündeten Besatzungsstatut verblieb die oberste Gewalt bei den westlichen Besatzungsmächten, die weiterhin für die Verteidigung zuständig waren. Abrüstung und Demilitarisierung unterlagen dem alliierten Kontrollrecht. Dass die Verfasser des Grundgesetzes dennoch schon sehr konkret über eine Einbindung der Bundesrepublik in ein Bündnissystem nachgedacht hatten, zeigte sich in den Artikeln 24 und 26, die den Beitritt zu kollektiven Sicherheitssystemen und die Übertragung von Hoheitsrechten auf supranationale Organisationen regeln.

Da die Wiederbewaffnung im westlichen Rahmen in der Bundesrepublik umstritten war und auch eine Übernahme der Verteidigungslasten durch die Westdeutschen bedeutete, argumentierte Bundeskanzler Konrad Adenauer, dass er für sie nur dann die Zustimmung in der Bevölkerung und im Parlament bekommen könne, wenn im Gegenzug die Besatzungsherrschaft beendet und Westdeutschland weitgehende Souveränität erhalten würde. Diese Verknüpfung von Wiederbewaffnung und Souveränitätsgewinn war für Adenauer essentiell, wie er auch später in seinen Erinnerungen hervorhob: „Die Wiederbewaffnung würde meines Erachtens weitgehende Folgen für die politische Stellung unseres Volkes in der Welt haben. Auf dem Weg über die Wiederbewaffnung konnte die volle Souveränität der Bundesrepublik erreicht werden. Es war die Frage unserer politischen Zukunft schlechthin.“

 

Die Diskussion um die westdeutsche Wiederbewaffnung

Vor diesem Hintergrund wagte es Adenauer, im Dezember 1949, im Cleveland Plain Dealer von der „Teilnahme deutscher Kontingente an einer europäischen Streitmacht“ zu sprechen. Trotz der internen Überlegungen der Alliierten zur westdeutschen Wiederbewaffnung fiel ihre offizielle Reaktion zurückhaltend aus. Die Diskussion um den deutschen Wehrbeitrag gewann jedoch mit dem Ausbruch des Koreakriegs im Juni 1950 an Fahrt, fürchtete man doch eine ähnliche Entwicklung im geteilten Europa.

Im August 1950 übermittelte Adenauer den Vertretern der Alliierten Hohen Kommission – ohne Rücksprache mit seinem Kabinett, wofür er heftig kritisiert wurde – zwei Memoranden. Im ersten Memorandum forderte der Bundeskanzler Sicherheitsgarantien der Alliierten und schlug die Aufstellung einer Bundespolizei vor, um einen Angriff der Kasernierten Volkspartei der DDR abwehren zu können. Im zweiten Memorandum schlug er die Ablösung des Besatzungsstatuts durch eine vertragliche Regelung vor. Auf der New Yorker Dreimächtekonferenz im September 1950 wurde der Vorschlag einer Bundespolizei abgelehnt, jedoch die Verstärkung der Polizei in den Ländern genehmigt und eine Erhöhung der westlichen Streitkräfte beschlossen sowie eine Sicherheitsgarantie für die Bundesrepublik und West-Berlin ausgesprochen. Des Weiteren wollten die Westmächte die gemeinsame Verteidigung Europas unter Einbeziehung der Bundesrepublik prüfen, wobei jedoch offenblieb, ob diese im transatlantischen- oder im europäischen Rahmen geschehen sollte.

Konrad Adenauer und seine militärpolitischen Berater befürworteten einen deutschen Wehrbeitrag im Rahmen der NATO, da deren Strukturen direkt hätten genutzt werden können, die Bundesrepublik im Konfliktfall ein gleichberechtigtes Mitspracherecht gehabt hätte und die angloamerikanische Sicherheitsgarantie für die Bundesrepublik und Westeuropa gewährleistet gewesen wäre. Während die USA und Großbritannien ebenfalls diese Lösung bevorzugten, war Frankreich dafür nicht zu gewinnen. Da die französische Regierung  jedoch erkannte, dass die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik aufgrund amerikanischen Drucks unausweichlich wurde, ging der westliche Nachbar selbst in die Offensive. Am 24. Oktober 1950 machte der französische Ministerpräsident René Pleven einen Vorschlag für eine Europa-Armee unter dem Kommando eines europäischen Verteidigungsministers, der auch deutsche Bataillone angehören sollten. Diese sollten in alliierte Truppeneinheiten unter alliiertem Kommando integriert werden. Da die Bundesrepublik nach diesem sogenannten Pleven-Plan anders als beispielsweise Frankreich keine eigene Nationalarmee hätte aufbauen dürfen, enthielt er deutlich diskriminierende Elemente.

Dem Pleven-Plan entsprechend, fanden in den folgenden Monaten Verhandlungen über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) statt. Frankreich setzte dabei durch, dass Überlegungen über einen deutschen NATO-Beitritt zunächst fallengelassen wurden. Auch Adenauer schwenkte nun auf die EVG-Lösung ein, denn auch die USA befürworteten mittlerweile eine europäische Verteidigungslösung – wenn auch mit der Perspektive eines späteren NATO-Beitritt der Bundesrepublik. Des Weiteren konnte sich Adenauer die Einbeziehung deutscher Streitkräfte in eine europäische Armee vorstellen, um so auch die europäische Integration und die Überwindung nationalstaatlicher Gegensätze weiter voranzutreiben. Schließlich, und dies war vermutlich entscheidend für Adenauer, sollte zugleich mit dem EVG-Vertrag auch der Generalvertrag (Deutschlandvertrag) verhandelt werden, der das Besatzungsstatut ablösen und den Handlungsspielraum der Bundesrepublik beträchtlich erweitern würde. In zähen Verhandlungen gelang es ihm, dass viele der ursprünglichen Diskriminierungen des EVG- und Deutschlandvertrags zurückgenommen oder abgeschwächt wurden.

Schwierig war es für Adenauer auch, die Wiederbewaffnung gegen seine innenpolitischen Kritiker durchzusetzen, die durch die Westbindung und eine mögliche Aufrüstung die deutsche Teilung vertieft sahen, eine Militarisierung der Bundesrepublik befürchteten und deshalb einen Krieg wahrscheinlicher werden sahen. Diese Kritiker fanden sich insbesondere in den Reihen der Opposition, den Kirchen, den Gewerkschaften und der kriegsmüden Öffentlichkeit. Aber auch innerhalb der Union äußerten führende Vertreter wie der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser und der Bundesinnenminister Gustav Heinemann ihre Sorge. Letzterer trat schließlich aufgrund seiner Kritik am Kurs Adenauers sogar aus dem Kabinett und der CDU aus.

Ebenso störend auf dem Weg zur Unterzeichnung der Westverträge war die sogenannte Stalin-Note. Stalin bot im April 1952 den westlichen Alliierten ein neutrales Gesamtdeutschland an. Adenauer betrachtete dieses Angebot allerdings ebenso wie die Westmächte als Bluff des sowjetischen Tyrannen und bemühte sich unbeirrt weiter um den Abschluss des EVG- und des Deutschlandvertrags. Die Forschung gibt ihm inzwischen Recht, zeitgenössisch wurde seine Haltung jedoch als verpasste Chance auf die Wiedervereinigung betrachtet. Doch all diesen Widrigkeiten zum Trotz gelang es Adenauer schließlich, die Verträge im Bundestag gegen die Stimmen der Opposition ratifizieren zu lassen.

 

Vom Scheitern der EVG zu den Pariser Verträgen

Umso herber traf ihn die Nachricht, dass die EVG am 30. August 1954 in der französischen Nationalversammlung gescheitert war. Ausschlaggebend dürfte dabei gewesen sein, dass es in Frankreich nie eine Mehrheit für die Gründung der EVG gegeben hatte. Adenauer bezeichnete in seinen Erinnerungen den Tag des Scheiterns der EVG als „[s]chwarze[n] Tag für Europa“, auf den weitere „qualvolle Tage“ folgen sollten. Auch wenn er ursprünglich verhalten auf den Pleven-Plan reagiert hatte, hatte er sich in den darauffolgenden Verhandlungen ganz und gar auf diese Lösung eingelassen. Das einst von Adenauer selbst erstellte Junktim zwischen EVG- und Deutschlandvertrag erwies sich nun als verhängnisvoll: Jetzt schienen nicht nur seine Pläne für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und für die europäische Integration, sondern auch für die Erlangung der Souveränität in Scherben zu liegen.

Aus dem Scheitern der EVG zog Adenauer umgehend den Schluss, dass die Bundesrepublik nun einen Beitritt zur NATO mit freiwilligen deutschen Sicherheitsbeschränkungen, Truppenverträgen und die Wiedererlangung der Souveränität anstreben müsse. Erfreut nahm er daher die Empfehlung des britischen Außenministers Anthony Eden auf, der mit amerikanischer Zustimmung die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO vorschlug. Zudem sollte der Brüsseler Pakt – ein Militärbündnis, das 1948 von Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Staaten sowohl gegen eine deutsche als auch eine sowjetische Aggression gegründet worden war – um die Bundesrepublik erweitert und in die Westeuropäische Union (WEU) umgewandelt werden. Der sogenannte Eden-Plan sah auch vor, das Junktim zwischen Wiederbewaffnung und Deutschlandvertrag beizubehalten.

Vom 20. bis 23. Oktober 1954 kamen daraufhin in Paris die damaligen NATO-Mitglieder und die Bundesrepublik zu vier ineinander verwobenen Konferenzen zusammen. Mit den NATO-Mitgliedern verhandelte die Bundesrepublik über ihre Aufnahme in die Atlantische Allianz; die Mitglieder des Brüsseler Pakts beschlossen die Erweiterung zur WEU um die Bundesrepublik und Italien; die drei westlichen Besatzungsmächte und die Bundesrepublik verhandelten um eine Modifizierung des Deutschlandvertrags; in bilateralen Gesprächen mit Frankreich wurden unter anderem eine Lösung für das Saarproblem sowie Fragen der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit erörtert.

Obwohl die Pariser Verträge, die am 23. Oktober 1954 unterschrieben wurden, Ergebnis eines nur zweimonatigen Krisenmanagements waren, stellten sie eine deutliche Verbesserung gegenüber den ursprünglichen Plänen zur Wiederbewaffnung und zur Ausweitung der Selbständigkeit der Bundesrepublik dar. So wurde im modifizierten Deutschlandvertrag, der das Besatzungsstatut aufhob, beispielsweise das Thema Souveränität nun explizit erwähnt, indem der Bundesrepublik die „volle Macht eines souveränen Staates“ zugesprochen wurde – allerdings mit der Einschränkung, dass unter anderem die alliierten Vorbehaltsrechte für Deutschland als Ganzes bis zur Vereinigung fortbestanden. Die Bundesrepublik verpflichtete sich zudem, die Wiedervereinigung nur gewaltfrei anzustreben. Die westlichen Alliierten erklärten ihrerseits, sich weiterhin für das Ziel der deutschen Einheit einzusetzen.

Die Vereinbarungen von Paris enthielten zudem verschiedene Verträge, um den Übergang der Bundesrepublik vom besetzten Land zum gleichberechtigten Mitglied des kollektiven Sicherheitssystems der NATO zu regeln. Die Aufrüstung sollte durch die WEU überwacht und kontrolliert werden. Als deutsche Truppenstärke wurden die bereits im EVG-Vertrag ausgehandelten zwölf Divisionen mit einer Höchststärke von 500.000 Mann festgelegt. Um die französische Furcht vor einem wiederbewaffneten deutschen Nachbarn zu zerstreuen, verzichtete die Bundesrepublik auf die Produktion von ABC-Waffen auf deutschem Boden. Außerdem verpflichteten sich Großbritannien und die USA, Truppen in Europa zu belassen.

 

Die Bundesrepublik als NATO-Mitglied

Adenauer war mit der erreichten Lösung sehr zufrieden und verkündete vor dem CDU-Bundesvorstand am 11. Oktober 1954: „Für uns Deutsche insgesamt ist die neue Organisation viel besser, als es die EVG gewesen ist.“ Die Bundesrepublik werde nun direkt NATO-Mitglied und somit an deren Entscheidungen beteiligt. Außerdem schließe die NATO-Lösung den Schutz der USA und Großbritanniens ein. „Wir haben das Besatzungsregime nicht mehr. Wir sind wieder ein freies Volk. […] Wir können dann mit Fug und Recht behaupten, daß wir wieder eine Großmacht geworden sind.“

Nach hitzigen Debatten wurden die Pariser Verträge am 27. Februar 1955 gegen die Stimmen der SPD durch den Bundestag ratifiziert. Die Ratifizierungsurkunden der anderen NATO-Mitglieder wurden am 6. Mai hinterlegt, am 9. Mai 1955 unterzeichnete der Bundeskanzler die Beitrittsurkunde. Die Sowjetunion reagierte kurz darauf mit der Gründung des Warschauer Pakts. Im Juni ernannte Adenauer Theodor Blank zum ersten Bundesminister für Verteidigung und im November 1955 wurde schließlich die Bundeswehr gegründet. Die allgemeine Wehrpflicht führte die Bundesrepublik erst im Folgejahr ein, der Aufbau der zwölf Divisionen sollte sogar noch einige Jahre andauern.

Die Streitkräfte der NATO-Mitglieder stehen in Friedenszeiten unter nationalem Kommando. Es gibt jedoch eine gemeinsame Kommandobehörde, eine koordinierte Planung und Kontrolle der Verteidigungsaktivitäten sowie kollektive Führung, Einsatzbereitschaft und Lastenteilung. Die Bundesrepublik verpflichtete sich in den Pariser Verträgen, ihre Truppenteile in Übereinstimmung mit der NATO und ihrer Strategie zu stationieren und sie dem NATO-Befehl zu unterstellen. Bis zum Ende des Kalten Krieges durfte die Bundesrepublik also keinen Generalstab aufbauen und hatte kein eigenständiges Kommando- und Kontrollsystem. Anfangs durften deutsche Offiziere nicht gleichberechtigt in den NATO-Stäben mitwirken, insbesondere in der Standing Group – dem damals wichtigsten militärischen Planungs- und Abstimmungsgremium – war die Bundesrepublik nicht vertreten. Durch diese Einschränkungen sowie den Verzicht auf Atomwaffen war die Bundesrepublik – vor allem vor dem Hintergrund der New- Look-Strategie des amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower, die den Schwerpunkt auf die atomare Verteidigung legte, – auf die Sicherheitsgarantien der nuklearen NATO-Mitglieder angewiesen. Trotz dieser Benachteiligungen innerhalb der NATO hatte die Bundesrepublik ein Veto-Recht gegenüber den anderen NATO-Mitgliedern. Dies stellte den den eigentlichen Souveränitätsgewinn dar, den die Bundesrepublik durch den NATO-Beitritt erlangte

Mit dem Ende des Kalten Kriegs verlor die Bundesrepublik ihre Frontstellung gegenüber den Staaten des Warschauer Paktes. Auch die NATO verlor nun ihren ursprünglichen Daseinszweck und die Aufgaben der Allianz passten sich der neuen sicherheitspolitischen Lage an. War es in der Bundesrepublik zunächst umstritten gewesen, ob ein vereintes Deutschland Mitglied des Bündnisses bleiben sollte bzw. konnte, setzte sich Bundeskanzler Helmut Kohl, unterstützt von den USA, für eine gesamtdeutsche NATO-Mitgliedschaft ein, der die Sowjetunion schließlich zustimmte. Mit der Vereinigung wurde Deutschland vollständig souverän und ist seither innerhalb des Bündnisses gleichberechtigt, auch wenn die Bundesrepublik weiterhin auf ABC-Waffen verzichtet. Seit den 1990er Jahren übernimmt die NATO zunehmend auch außerhalb des Bündnisgebiets Aufgaben der Krisenbewältigung und Konfliktverhinderung. In der Bundesrepublik war die Beteiligung an solchen Einsätzen besonders in den ersten Jahren umstritten, letztlich blieb und bleibt Deutschland jedoch auch unter den gewandelten Umständen ein verlässliches und aktives Bündnismitglied.

 

Quellen:

  • Adenauer, Konrad: Erinnerungen, Bde. 1/2, Stuttgart 1965/66.
  • Dokumente zur Deutschlandpolitik (DzD). II. Reihe/Bd. 4. Die Außenminister-Konferenzen von Brüssel, London und Paris, 8. August bis 23. Oktober 1954, hg. vom Bundesministerium des Innern/Bundesarchiv, bearb. von Hanns Jürgen Küsters. München 2003.

 

Literatur:

  • Biermann, Werner: Konrad Adenauer. Ein Jahrhundertleben, Berlin 2017.
  • Bredow, Wilfried von: Militär und Demokratie in Deutschland. Eine Einführung, Wiesbaden 2008.
  • Haftendorn, Helga: Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und Selbstbehauptung, Stuttgart/München 2001.
  • Krieger, Wolfgang (Hg.): Adenauer und die Wiederbewaffnung (Rhöndorfer Gespräche 18), Bonn 2000.
  • Küsters, Hanns Jürgen: Die Pariser Verträge, 23. Oktober 1954, in: 100(0) Schlüsseldokumente zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Online: https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0018_par&l=de
  • Rupieper, Hermann-Josef: Die NATO und die Bundesrepublik Deutschland 1949–1956, in: Norbert Wiggershaus/Winfried Heinemann (Hg.), Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedsstaaten, München 2000, S. 195–208.
  • Schlösser, Maria Helene: Die Entstehungsgeschichte der NATO bis zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main/Bern/New York 1985.
  • Schwarz, Hans-Peter: Adenauer. Der Aufstieg: 1876–1952. Stuttgart 1986.
  • Schwarz, Hans-Peter: Adenauer. Der Staatsmann: 1952–1967. Stuttgart 1991.
  • Tuschhoff, Christian: Die Grundsteinlegung deutscher Sicherheitspolitik 1949–1955, Münster 1994.
  • Uzulis, André: Die Bundeswehr. Eine politische Geschichte von 1955 bis heute, Hamburg/Berlin/Bonn 2005

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