Stanislaw Tillich wurde am 10. April 1959 in Neudörfel im Kreis Kamenz in der Oberlausitz geboren. Seine Familie gehört zu den in der Lausitz lebenden Sorben. Tillichs Vater Rudi Tillich war evangelisch, Mitglied der SED und Funktionär des Dachverbandes der sorbischen Vereine und Vereinigungen. Tillichs Mutter war katholisch und auch er selbst erhielt eine katholische Erziehung.
In Bautzen besuchte Tillich das Sorbische Gymnasium. Nach Ableistung seines Grundwehrdienstes studierte er Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität Dresden. 1984 schloss er sein Studium als Diplomingenieur für Konstruktion und Getriebetechnik ab. Danach arbeitete er als Konstrukteur in einem Elektrobetrieb in Kamenz. Neben dem Beruf absolvierte er 1987/1988 ein Aufbaustudium in Binnenhandel an der Handelshochschule Leipzig.
1987 trat Tillich in die CDU (Ost) ein. 1987 bis 1989 war er Mitarbeiter, ab Mai 1989 stellvertretender Vorsitzender beim Rat des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung. Als im Herbst 2008 eine öffentliche Debatte über seine Vergangenheit in der DDR entbrannte, räumte Tillich ein, dass er vor 1989 nicht der Opposition angehört hatte. „Natürlich war die DDR-CDU Teil des Systems, aber Stasi und SED waren von ganz anderem Kaliber.“ Die DDR und „die vielen unterschiedlichen Lebensgeschichten der DDR-Bürger“ seien jedoch nicht nach einem simplen schwarz-weiß-Schema zu beurteilen. „Es gab viel Grau, und auch in der DDR-CDU gab es Licht und Schatten.“
Politische Karriere in der EU und in Dresden
Am 3. März 1990 wurde der Landesverband Sachsen auf dem ersten Landesparteitag in Dresden neu gegründet. Beim 2. Landesparteitag der CDU Sachsen beschlossen die Delegierten die Fusion mit der Bundes-CDU.
Tillich, wurde, dank des Erfolges der „Allianz für Deutschland“ bei der Wahl am 18. März 1990, Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Als Mitglied der CDU in Sachsen wechselte er 1991 in die europäische Politik und wurde einer von insgesamt 18 Beobachtern der ostdeutschen Bundesländer im Europäischen Parlament. Bei den Europawahlen 1994 gewann er dann selbst ein Abgeordnetenmandat. Er erhielt das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und wurde 1998 zudem Generalberichterstatter für den Haushalt der Europäischen Union. 1999 holte ihn Ministerpräsident Kurt Biedenkopf zurück nach Sachsen und ernannte ihn zum Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten.
Neben seinem politischen Engagement gründete Tillich 1989 zusammen mit einem Geschäftsfreund ein Konstruktions- und Werkzeugbauunternehmen und war bis 1995 als mittelständischer Unternehmer tätig (Clauß und Tillich GmbH Kamenz).
Beim Machtkampf um die Nachfolge Biedenkopfs hielt er sich zurück und wurde nach dem Amtsantritt von Georg Milbradt als sächsischer Ministerpräsident im April 2002 zunächst zum Staatsminister und Chef der Staatskanzlei berufen. Nachdem er bei der Landtagswahl am 19. September 2004 erstmals ein Landtagsmandat gewonnen hatte, erhielt Tillich im neuen Kabinett unter Milbradt das Amt des sächsischen Staatsministers für Umwelt und Landwirtschaft. In dieser Position war er damit befasst, das Hochwasserschutzkonzept umzusetzen, das sich der Freistaat Sachsen nach der Jahrhundertflut von 2002 verordnet hat. Unter anderem umfasste diese Aufgabe die Einführung neuer Hochwasser-Gefahrenkarten – eine Investition, die den Freistaat Sachsen 26 Millionen Euro kostete. „Sie können heute ins Internet gehen und entlang der Elbe flurstück-genau feststellen, bei welchem Hochwasser-Niveau ihr Grundstück betroffen ist. Ich glaube, das ist eine Leistung, die hat viel Geld gekostet das ist eine Dienstleistung für den Bürger, für das Unternehmen, für die Katastrophenschutzkräfte, wenn es zum Beispiel um Fragen der Evakuierung geht oder ähnliches, wo man diese Medien benutzen kann“, so zitierte der Tagesspiegel Tillich am 13. August 2007.
Ministerpräsident und Vorsitzender der sächsischen Union
Die Krise um die Liquidität der Landesbank Sachsen beförderte Tillich 2007 dann auf den Posten des Finanzministers, da der bisherige Amtsinhaber Horst Metz seinen Rücktritt einreichte. Als wenige Monate später dann auch der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Milbradt im Zuge der Liquiditätskrise der Landesbank den Rücktritt von seinen Ämtern ankündigte, schlug er Tillich als seinen Nachfolger vor. Am 24. Mai 2008 wählten die Delegierten des CDU-Landesparteitags ihn mit 97,7 % zum neuen Vorsitzenden der sächsischen Union. Wenige Tage später, am 28. Mai, wurde er im Landtag im ersten Wahlgang zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt. Er erhielt 66 von 121 abgegebenen Stimmen. Als Besonderheit notierten die Berichterstatter, dass Tillich nicht nur der erste gebürtige Sachse in diesem Amt war, sondern auch der erste Sorbe. Seinen Amtseid leistete der neue Ministerpräsident, auch das war eine Besonderheit, auf Deutsch und auf Sorbisch.
Tillich führte die Koalition seines Vorgängers mit der SPD fort, wobei sich das mitunter gespannte Verhältnis zwischen den Koalitionären unter dem von Beobachtern oft als „Mann des Ausgleichs“ bezeichneten Tillich deutlich verbesserte. Nach der Landtagswahl 2009, aus der die CDU mit 40,2 Prozent der Wählerstimmen abermals als stärkste Kraft hervorging, bildete Tillich eine Koalition mit der FDP. Am 29. September 2009 wurde er vom Landtag im ersten Wahlgang mit 69 Stimmen als Ministerpräsident bestätigt. Arbeitsschwerpunkt der neuen Landesregierung war die Haushaltskonsolidierung. Im Landtag kündigte Tillich dazu am 3. März 2010 einen harten Sparkurs an, der nicht nur Sachausgaben umfasste, sondern auch einen drastischen Personalabbau im Landesdienst von 88 000 auf nur noch 70 000 Beschäftigte. Es gebe „keine Schonbereiche mehr“, sagte Tillich und begründete dies mit sinkenden Steuereinnahmen und dem Ende des Solidarpakts. Im November 2010 forderte Tillich, der seit Mai 2008 als beratendes Mitglied auch dem CDU-Präsidium angehörte, die Haushaltskonsolidierung als Teil der Identität der CDU anzuerkennen. „Solide Finanzpolitik muss ein Markenkern der CDU sein", sagte er der „Rheinischen Post“. „Bei uns in Sachsen ist Generationengerechtigkeit keine Worthülse, sondern praktische Politik. Die Mehrheit der Bevölkerung honoriert diesen Kurs."
Bei der Landtagswahl in Sachsen am 31. August 2014 wurde die CDU mit einem Stimmenanteil von 39,4 Prozent wieder stärkste Kraft. Mit 49,1 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung allerdings einen historischen Tiefstand und die FDP verpasste mit 3,8 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag. Nachdem Tillich eine Koalition der CDU mit der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) noch am Wahlabend ausgeschlossen hatte und weil die Grünen zu einer Zusammenarbeit mit der CDU nicht bereit waren, bildete Tillich schließlich erneut eine Regierungskoalition mit der SPD. Der Landtag wählte ihn am 12. November 2014 zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten, er erhielt dabei die Stimmen von 74 der 126 Abgeordneten.
Die dominierenden Themen in dieser Amtszeit Tillichs waren der Umgang mit der Protestbewegung PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“), Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und die gesellschaftspolitischen Folgen der sogenannten Flüchtlingskrise im Herbst 2015. Tillichs moderierende Haltung, die ihm zuvor stets als Verdienst angerechnet worden war, bescherte ihm nun negative Schlagzeilen und wurde als „debattenscheu“ kritisiert. In einer Regierungserklärung sprach er sich am 9. Juli 2015 unmissverständlich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aus („Rassismus ist eine Schande. Rassismus ist der Nährboden für Verbrechen“). Gleichzeitig betonte er jedoch immer wieder, dass nur eine Minderheit der sächsischen Bevölkerung „gegen Werte von Moral und Anstand“ verstoße.
Als die CDU in Sachsen bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 nur noch 26,9 Prozent der Stimmen erhielt und damit ein schlechteres Ergebnis als die AfD (27 Prozent) erzielte, wurde Tillich verantwortlich gemacht. Als Konsequenz kündigte er im Oktober an, er wolle das Amt des Ministerpräsidenten im Dezember „in jüngere Hände übergeben". Es falle ihm schwer, zu gehen. Sachsen stehe „vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen“. Für die Zukunft seien aber auch neue Antworten wichtig. Dafür brauche es „neue und frische Kraft“. Als seinen Nachfolger schlug er den Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, vor. Dieser wurde am 9. Dezember 2017 von den Delegierten des CDU-Landesparteitages in Löbau mit 90,05 % der Stimmen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt und am 13. Dezember 2017 im Landtag zum neuen Ministerpräsidenten.
Im April 2018 kündigte Tillich an, dass er zum 31. Oktober sein Landtagsmandat niederlegen werde. Seinen letzten Auftritt am Rednerpult des Landtages am 27. September 2018 nutze er für einen Appell an die Abgeordneten, bei allem Streit in der Sache zivil und respektvoll miteinander umzugehen. „Wozu Verletzungen führen könnten, hat man auf der Straße auch in Sachsen sehen können."
Vom 6. Juni 2018 an gehörte Stanislaw Tillich als einer der vier Vorsitzenden der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung ( kurz „Kohlekommission“) an, die im Auftrag der Bundesregierung Empfehlungen für Maßnahmen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklung der Braunkohleregionen sowie zu ihrer finanziellen Absicherung erarbeiten sollte. Am 26. Juni 2019 stellte die Kommission ihren Abschlussbericht vor, in dem sie sich für einen Ausstieg aus der Kohlestromversorgung bis 2038 aussprach. Auf der Grundlage des Berichts beschloss das Bundeskabinett am 28. August 2019 das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen, wonach die betroffenen Braunkohleregionen bis 2038 bis zu 14 Milliarden Euro für Investitionen um die die Stärkung der Wirtschaft erhalten.
Am 24. September 2019 gab die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (Mibrag) Tillichs Berufung zu ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden bekannt.
Stanislaw Tillich ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Söhnen.
Lebenslauf
- 1977 Abitur
- 1977–1979 Wehrdienst bei der NVA
- 1979–1984 Studium der Ingenieurwissenschaften an der TU Dresden
- 1984 Diplom-Ingenieur für Konstruktion und Getriebetechnik
- 1987–1988 Aufbaustudium in Binnenhandel an der Handelshochschule Leipzig
- 1984–1987 Konstrukteur in einem Elektrobetrieb
- 1987–1989 Mitarbeiter bzw. Stellvertreter des Vorsitzenden beim Rat des Kreises Kamenz, zuständig für Handel und Versorgung 1989–1995 Selbstständiger Konstruktions- und Werkzeugbauunternehmer
- 1987 Eintritt in die CDU (Ost)
- 1990 Mitglied der Volkskammer
- 1991–1994 Beobachter im Europäischen Parlament
- 1992–1999 Mitglied des Vorstands der Europäischen Volkspartei
- 1994–1999 Mitglied des Europäischen Parlaments, dort stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses und 1998 Generalberichterstatter für den Haushalt der EU
- 1999–2002 Sächsischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigter des Freistaates Sachsen beim Bund
- 2002–2004 Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei
- seit 2004-2018 Mitglied des sächsischen Landtags
- 2004–2007 Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft
- 2007–2008 Sächsischer Staatsminister der Finanzen
- seit 2007 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Kamenz
- 2008-2017 Landesvorsitzender der CDU Sachsen und Ministerpräsident des Freistaates Sachsen.