Länderberichte
Auffallend hinsichtlich der Zustimmungsrate ist, dass diese besonders hoch in den Städten ausfiel, vor allem in Zagreb und Umgebung, wo auch die Wahlbeteiligung vergleichsweise hoch war (55 Prozent). Generell kann man von einem Nord-Süd-Gefälle hinsichtlich der Zustimmungsrate sprechen. Besonders die Gespanschaften (Regierungsbezirke), die direkt oder in der Nähe zu EU-Mitgliedsstaaten liegen, verzeichneten besonders hohe Zustimmungsraten. Für die dort lebenden Menschen ist die EU schon jetzt eine positiv besetzte Realität.
Ein ähnliches Bild ist im Osten des Landes zu beobachten. Dort, in den Grenzgebieten zu Serbien, fand das EU-Referendum ebenfalls überdurchschnittliche Zustimmung, allerdings bei noch geringerer Wahlbeteiligung (Vukovar-Srijem: Zustimmung 69 Prozent, 38 Wahlbeteiligung). Hier dürfte vor allem der Sicherheitsaspekt eine große Rolle gespielt haben. Aus Sicht der EU-Befürworter sehr enttäuschend schnitten die Gebiete in Mittel- und Süddalmatien ab, die zu den wirtschaftlich eher unterentwickelten Gebieten gehören: Im südlichsten Teil Kroatiens, in der Gespanschaft Dubrovnik-Neretva, verweigerten über 42 Prozent der Wähler ihre Zustimmung.
Die allgemeine Freude und vor allem die Erleichterung über das positive Votum wurden allerdings durch die geringe Wahlbeteiligung getrübt. Dafür dürften im Wesentlichen drei Gründe ausschlaggebend gewesen sein: Zum ersten ist die Wahlbeteiligungsrate in Kroatien grundsätzlich vergleichsweise niedrig – jedenfalls, wenn man deutsche Maßstäbe anlegt. Bei der letzten Präsidentenwahl gingen nur 50 Prozent zur zweiten Abstimmung und bei den letzten Parlamentswahlen waren es auch nur 55 Prozent. Zudem haben sich auch in Kroatien die Unsicherheiten bemerkbar gemacht, die sich im Zusammenhang mit der Verschuldungskrise einiger EU-Staaten und im Hinblick auf die Zukunft des Euro breit gemacht haben. Und zum dritten wird in der Wahlverweigerung auch eine allgemeine Distanz zum politischen Establishment deutlich.
Mit dem EU-Referendum wird aus kroatischer Sicht endgültig das „Jugoslawien-Kapitel“ erfolgreich geschlossen. Zufall oder nicht: Auf den Tag genau vor 22 Jahren verließen am 22.01.1990 die kroatischen Kommunisten demonstrativ zusammen mit den slowenischen den 14. Parteitag des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens und setzten damit ein Fanal für das Auseinanderbrechen der Föderation.
Bis zum offiziellen Beitritt als 28. EU-Mitgliedsstaat müssen die Kroaten allerdings noch weitere Hausaufgaben erledigen. Nach wie vor begleitet die EU-Kommission die weiteren Fortschritte im Bereich „Justiz und Menschenrechte“ und „Wettbewerb“ in einem Monitoring-Prozess. Wenngleich dessen Ergebnisse für den Beitritt als solchen nicht direkt relevant sind, könnte es für Kroatien teuer werden, wenn es nicht gelingt, bis zum Beitrittstermin die defizitären kroatischen Werften aus der (finanziellen) Obhut des Staates zu entlassen. Dann würde die EU die zuvor geflossenen Umstrukturierungsgelder wieder zurückfordern. Also: Nach einer kurzen Feier- und Verschnaufpause wird die Kroaten und deren Regierung die ganze Härte des politischen Alltags alsbald einholen.