Länderberichte
Im ersten Wahldurchgang vom 22. November hatte keiner der Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit für den Sieg in den Präsidentschaftswahlen erringen können. Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten, der amtierende Staatspräsident Traian Basescu und Senatspräsident Mircea Geoana mussten daher zu einem entscheidenden 2. Wahlgang antreten.
Der von der regierenden Demokratisch-Liberalen Partei (PD-L) unterstützte Basescu hatte im ersten Wahldurchgang mit 32 Prozent das bessere Ergebnis vor Mircea Geoana mit 31 Prozent erzielt. Geoana ist Vorsitzender der Sozialdemokraten (PSD), die in einer Koalition mit der Konservativen Partei (PC) in die Wahl gegangen war. Der ebenfalls mit Aussichten auf die zweite Runde angetretene Vertreter der Liberalen Nationalen Partei (PNL) Crin Antonescu war mit 20 Prozent der Stimmen Dritter geworden. Damit wurden das Stimmverhalten der liberalen Wähler und die Beteiligung von noch Unentschiedenen für die zweite Runde entscheidend.
Staatspräsident Basescu musste bis zur Stichwahl einen Wahlkampf gegen die privaten Medien führen, die sich immer deutlicher zugunsten der politischen Opposition instrumentalisieren ließen. Eine von der KAS initiierte Beobachtung der Medienberichterstattung zum Wahlkampf bestätigte diese einseitige Berichterstattung deutlich (siehe www.hotnews.ro/media_in_campanie).
Den Sozialdemokraten gelang eine Koalitionsbildung mit den Nationalliberalen unter Einschluss des Ungarnverbands, der Vertreter der Minderheiten und weiterer kleinerer Parteien und Gruppierungen. Diese erschien vielen Beobachtern und vor allem auch den Anhängern der neuen Koalition als eine Weichenstellung für den zweiten Wahldurchgang. Mit der Benennung des Rumäniendeutschen Bürgermeisters von Hermannstadt Klaus Johannis als gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Premierministers wollte die Koalition weiter punkten.
In einer vom Meinungsforschungsinstitut INSOMAR durchgeführten Umfrage wurde Herausforderer Geoana mit einem deutlichen Vorsprung von ca. acht Prozent geführt. Die zwei Wochen zwischen den beiden Wahlgängen wurden dann aber von beiden Seiten intensiv genutzt, um die Wählerschaft zu mobilisieren. Die Wahlbeteiligung von ca. 58 Prozent lag dann auch deutliche über der vom ersten Wahlgang. Allerdings förderte die Art des Wahlkampfes eine Polarisierung der rumänischen Gesellschaft, die auch über die Verkündung des Wahlergebnisses hinaus ihrer Wirkung entfalten dürfte.
Wenig Inhalt – viel Streit und Intrigen
Bestimmt wurde der Wahlkampf weniger von politischen Inhalten, die zudem noch entlang erkennbarer Programme verlaufen würden, als vielmehr von Absichtserklärungen eher genereller Art. Geoana (Wahlslogan: Für ein einiges Rumänien) betonte in den beiden Wahlkampfwochen die Bildung einer breiten Koalition um ihn und Klaus Johannis als wichtige Errungenschaft, Basescu (Ich kämpfe für Sie) versprach den Kampf gegen die Oligarchen und für die Modernisierung des Staates.
Aufsehen erregte ein in die Öffentlichkeit gebrachtes Video aus dem Jahr 2004. Es zeigte den damaligen Präsidentschaftskandidaten Traian Basescu, wie er bei einer Wahlkampfveranstaltung einen Jungen ins Gesicht schlug. Die Veröffentlichung eines fünf Jahre alten Videos wenige Tage vor der Stichwahl ließ ein politisches Interesse vermuten. Allerdings wurden noch vor dem Wahltag Zweifel an der Authentizität der Aufnahmen öffentlich, welche auf eine Fälschung schließen lassen.
Pakt von Timisoara
In Timisoara, der Stadt in der eine gewaltig unterdrückte Demonstration gegen das kommunistische Regime im Dezember 1998 das Ende der Ceaucescu-Regimes einleitete, trafen sich zum Nationalfeiertag am 1. Dezember die Vertreter der neuen Koalition aus Sozialdemokraten, Nationalliberalen, Deutschem Forum und einem Flügel der gespalteten Christdemokraten. Sie unterzeichneten dort den „Pakt von Timisoara“, eine Partnerschaft für Timisoara zur Unterstützung der Kandidatur von Mircea Geoana in der Präsidentschaftswahl und von Klaus Johannis als Premierminister.
Die als Demonstration der neuen Einheit gedachte Veranstaltung schlug jedoch um in Proteste der dortigen Bevölkerung, in deren Gedächtnis der opferungsvolle Kampf gegen die Kommunisten noch tief verhaftet ist. Ganz offenbar wird dort die Kontinuität zwischen dem vormaligen kommunistischen Regime und der heutigen Sozialdemokratie stärker empfunden, als die Veranstalter der Paktunterzeichnung es vermutet hätten. Mehrere tausende Demonstranten protestierten gegen den Pakt unter anderem mit Plakaten wie: „Sie verkaufen uns den Russen“, „Die Proklamation von Timisoara gehört euch nicht“, „Rumänen gegen die PSD. Wir vergessen und verzeihen nichts“.
Später kam es zu Demonstrationen in mehreren Städten, unter anderen in Bukarest, Kronstadt und Klausenburg Die meisten Demonstrationen hatten einen ausgeprägt antikommunistischen Charakter, verbunden mit Anschuldigungen gegen die Sozialdemokraten.
Fernsehduell zugunsten Basescus
Am 2. Dezember traten beide Kandidaten zu einem beinahe dreistündigen Fernsehduell an, welches von mehreren öffentlichen und privaten Fernsehsendern übertragen wurde. Ca. 5 Millionen Fernsehzuschauer verfolgten diese Sendung. Bei einer Wahlbevölkerung von 18 Millionen und einer Wahlbeteiligung von 58 Prozent konnte sich somit beinahe die Hälfte der Wählerschaft nochmals von den Qualitäten der Kandidaten überzeugen.
Im direkten Duell mit Geoana hinterließ Basescu den besseren Eindruck. In diesem Aufeinandertreffen wurden die Wahlkampfaussagen nochmals verdichtet vorgetragen. Geoanas zentrale Nachrichten war die aus seiner Sicht schlechte Bilanz der fünfjährigen Präsidentschaft („Korruptestes Land Europas“, „den Menschen geht es schlecht“) und die Herausstellung der ihn unterstützenden Koalition und die Präsentation von Johannis als künftigen Premierminister. Basescu stellte sich als volksnaher Präsident dar, welcher im Interesse der Rumänen gegen Oligarchen und gegen die nur auf persönliche Vorteile fixierte „politische Klasse“ kämpfe. Dabei konnte er das von ihm initiierte und mit großer Mehrheit angenommen Referendum zur Reduzierung Zahl der Abgeordneten und zur Einführung eines Einkammersystems für sich nutzen.
Hinsichtlich der Bilanz seiner Präsidentschaft gestand Basescu ein, dass diese nicht nur positiv war. Er stellte die Aufarbeitung der der kommunistischen Vergangenheit des Landes sowie die Bekämpfung der Korruption durch die Schaffung der Antikorruptionsbehörde heraus und betonte, dass Rumänien in seiner Amtszeit der EU beigetreten sei und jetzt mit dem EU-Kommissar für Landwirtschaft einen wichtigen EU-Posten erhalten habe, der zudem mit dem von ihm vorgeschlagenen Kandidaten besetzt wurde.
Ein Schlüsselmoment der Debatte war die von Basescu eingebrachte Information, wonach Geoana am Tage zuvor ein nächtliches Treffen mit einem der von Basescu als Oligarchen bezeichneten Geschäftsmänner hatte. Basescu konnte damit vor laufenden Kameras den Vorwurf untermauern, sein Gegenkandidat sei von sogenannten Oligarchen innerhalb und außerhalb der Sozialdemokratischen Partei abhängig.
Foto-Finish am 6. Dezember
Am Wahlabend wurden nach Schließung der Wahllokale um 21 Uhr die Wahlprognosen von vier Meinungsforschungsinstituten veröffentlicht. Drei der Institute sahen auf der Basis der Daten von 19 Uhr einen knappen Vorsprung von Geoana, (1-3 Prozent), ein Institut sagte einen Gleichstand voraus. Beide Kandidaten erklärten sich daraufhin zum Wahlsieger. Die Wahlprognosen auf der Basis der Daten nach Schließung der Wahllokale ergaben bei drei Instituten einen - allerdings geschrumpften - Vorsprung von Geoana, während ein Institut einen knappen Vorsprung Basescus vorhersagte. Die Demokratisch-Liberale Partei veröffentlichte noch am Abend das provisorische Ergebnis ihrer parallelen Auszählung, die einen sehr knappen Vorsprung von Basescu ergab. Die von den Sozialdemokraten durchgeführte parallele Auszählung ergab einen ebenfalls sehr knappen Vorsprung für Geoana.
Die von der Nationalen Zentralen Wahlbehörde am 7.12.2009 um 8 Uhr veröffentlichten Teilergebnisse nach einer Auszählung von über 95 Prozent der Stimmen zeigten dann aber einen wenn auch knappen Vorsprung des amtierenden Staatspräsidenten. Dieses Ergebnis verfestigte sich im Laufe des Tages, da zudem die Auslandsrumänen sehr deutlich für Basescus gestimmt hatten. Angesichts der Wahlergebnisse kündigte der Kandidat der Koalition für das Amt des Premierministers Klaus Johannis noch am Vormittag des 7. Dezember an, für die Regierungsbildung nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Die Sozialdemokraten forderten eine Überprüfung des Wahlergebnisses.
Regierungskrise nicht beendet
Nach dem Wahlsieg Basescus stellt sich nun erneut die Frage nach der Lösung der Regierungskrise. Rumänien wird seit dem erfolgreichen Misstrauensvotum vom Oktober 2009 von einer geschäftsführend von einer demokratisch-liberalen Regierung geführt.
Der erste von Basescu mit der Regierungsbildung beauftragte parteilose Lucian Croitoru scheiterte im Parlament. Auch dem zweiten bereits vor den Präsidentschaftswahlen beauftragten Kandidaten Liviu Negoita, Sektorbürgermeister der PD-L aus Bukarest, wurden vor den Wahlen nur geringe Chancen zugerechnet, das Plazet des Parlaments zu erhalten.
Nach den Präsidentschaftswahlen könnten sich im Parlament die Mehrheitsverhältnisse ändern, wenn Abgeordnete in das Lager des Wahlsiegers wechseln, auch um Neuwahlen zu vermeiden. Die PD-L hatte zudem schon vor den Wahlen angekündigt, der Nationalliberalen Partei nach einem Wahlsieg Basescus ein Koalitionsangebot zu unterbreiten. Beide Prozesse könnten durch die Benennung eines auf breite Unterstützung treffenden Kandidaten für das Amt des Premierministers gefördert werden.
Der Ausgang der Wahlen lässt auf ein kurzweiliges politisches Jahr 2010 schließen.