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Country Reports

Papstbesuch im Libanon

by Maria Zandt, Simone HĆ¼ser

Benedikt XVI. ruft zu Frieden und religiƶser Koexistenz auf

Vom 14. bis 16. September 2012 besuchte Papst Benedikt XVI. den Libanon. Insbesondere vor dem Hintergrund des anhaltenden BĆ¼rgerkrieges in Syrien und den gewaltsamen Protesten muslimischer Extremisten gegen westliche Institutionen in Nordafrika, im Zusammenhang mit dem in den USA verƶffentlichten anti-islamischen Video, setze Papst Benedikt XVI. mit seinem Besuch ein Zeichen. Der Besuch endete mit einer ƶffentlichen Messe am Sonntag den 16. September, an der mehr als 300.000 Menschen verschiedener Religionen teilnahmen.

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Die 24. Auslandsreise von Papst Benedikt XVI. in den Libanon fand in einer von politischen und religiƶsen Spannungen geprƤgten Woche statt. Der Ausbruch gewaltvoller Proteste in verschiedenen islamischen Staaten gegen westliche Institutionen, als Reaktion auf ein in den USA verƶffentlichtes anti-islamisches Video, gab dem Besuch eine besondere Bedeutung.

Der Papst verstand seine Reise aber nicht als politisch, sondern betonte den eigentlichen religiƶsen Grund seiner Reise; die Unterzeichnung und die Ɯbergabe des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens der Sonderversammlung der Bischofssynode fĆ¼r den Nahen Osten Ecclesia in Medio Oriente.

Im Mittelpunkt der Reise stand dennoch vor allem der anhaltende BĆ¼rgerkrieg im Nachbarland Syrien. Bereits am ersten Tag seines Besuches rief Papst Benedikt nicht nur zur Beendung der gewaltsamen Auseinandersetzungen und zum Dialog auf, sondern erklƤrte auch jegliche Waffenlieferungen an Syrien als ā€žschwerwiegende SĆ¼ndeā€œ und setzte damit ein klares Zeichen.

Ein weiterer Themenschwerpunkt seiner Reise war der Arabische FrĆ¼hling. Dieser, so Papst Benedikt XVI., sollte einen FrĆ¼hling fĆ¼r alle Religionen darstellen, nicht allein fĆ¼r die Muslime. In diesem Zusammnehang betonte er insbesondere die Wichtigkeit der religiƶsen Koexistenz im Nahen Osten und rief sowohl Christen als auch Muslime dazu auf, Seite an Seite zu leben und sich fĆ¼r Frieden im Nahen Osten einzusetzen. Speziell an die Christen appellierte er, trotz der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation in der Region die Emigration nicht als alleinigen Ausweg zu sehen. Stattdessen sollten sie sich als Teil der arabischen Welt sehen und ihren Platz in der Gesellschaft und der Kirche einnehmen.

Besuch im Zeichen der christlich-muslimischen Beziehungen im Libanon

Die Wahl des Libanons fĆ¼r einen Besuch des Papstes war nicht zufƤllig. Bereits Papst Johannes Paul II hatte bei seinem Besuch 1997 in den Libanon die religiƶse PluralitƤt des Staates, in dem politische Posten zwischen den Religionen aufgeteilt sind, als besonderes Markenzeichen des Landes herausgestellt. Libanon ist in der Tat das einzige Land im Nahen Osten, das die religiƶse Vielfalt in seiner Verfassung verankert hat. Etwa 35 Prozent der libanesischen Bevƶlkerung sind Christen (davon 25 Prozent Maroniten), 35 Prozent Shiiten, 30 Prozent Sunniten und 5 Prozent Drusen.

Die religiƶse PluralitƤt hat aber seit jeher auch zu Spannungen zwischen den Religionen im Libanon gefĆ¼hrt. Bei seiner BegrĆ¼ĆŸung durch Christen, sunnitischen und shiitischen Muslimen und Drusen, ging Papst Benedikt XVI. auf ebendiese Spannungen ein. ā€žSie und ich wissen, dass dieses Gleichgewicht, das Ć¼berall als Beispiel dargestellt wird, hƶchst labil ist. Gelegentlich droht es zu zerbrechen, da es wie ein Bogen gespannt ist oder einem Druck unterliegt, der allzu oft parteiisch (ist) (ā€¦) Deswegen ist es notwendig, echte MƤƟigung mit groƟer Weisheit zu Ć¼ben. Und die Vernunft muss Ć¼ber einseitige Leidenschaften obsiegen, um das Gemeinwohl aller zu fƶrdern.ā€œ

Historisch betrachtet, war der BĆ¼rgerkrieg von 1975 bis 1990 vielfƤltig motiviert, basierte aber Ć¼berwiegend auf MachtkƤmpfen zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen, herrschenden Minderheit. Den Christen kommt im Libanon eine SchlĆ¼sselfunktion bei der Bildung von Allianzen zu, was die Konflikte leicht verschƤrfen kann. WƤhrend groƟe christliche Gruppierungen sich mit ihren alten Rivalen den Sunniten zusammenschlieƟen, verbĆ¼nden sich andere mit der shiitischen Hezbollah.

Heute jedoch bestehen die Hauptspannungen zwischen Sunnis und Shias. Besonders vor dem Hintergrund des BĆ¼rgerkriegs in Syrien kam es in den vergangenen Monaten verstƤrkt zu gewalttƤtigen Auseinandersetzungen zwischen Shias, welche das Regime von Bashar al-Assad unterstĆ¼tzen, und Sunnis, die auf der Seite der syrischen Opposition stehen. Besonders die nƶrdliche Stadt Tripoli ist Schauplatz von regelmƤƟigen bewaffneten StraƟenkƤmpfen. Zunehmende Geiselnahmen spitzen die Situation weiter zu. Zudem zƤhlt das Land bereits Ć¼ber 70.000 syrische FlĆ¼chtlinge, welche durch die anhaltende Gewalt in ihrem Heimatland im Libanon Zuflucht suchen.

Im Zusammenhang mit den Protesten gegen das von Nakoula Basseley Nakoula, einem koptischen Ƅgypter, in den USA verƶffentlichte islam-feindliche Video, kam es am Wochenende des Papstbesuches im Libanon besonders in der nƶrdlichen Stadt Tripoli zu gewaltsamen Ausschreitungen. Am Freitag randalierten hunderte von Demonstranten das Restaurant einer amerikanischen Fast-Food Kette in Tripoli und setzten es anschlieƟend in Brand. Die Polizei konnte den Demonstranten nur wenig entgegensetzen. Bei den Protesten wurde eine Person getƶtet und mindestens 25 Personen verletzt.

Reaktionen auf den Besuch

Aufgrund der angespannten Sicherheitslage bewegte der Papst sich lediglich innerhalb von Beirut und den umliegenden Dƶrfern und blieb folglich dem unruhigen Norden des Landes fern. Zwar verlief der Besuch des Papstes ohne schwerwiegende Vorkommnisse, doch waren Zeugenaussagen zufolge in der nƶrdlichen Stadt Tripoli, wƤhrend Protesten gegen das anti-islamische Video, auch Rufe zu hƶren, welche sich deutlich gegen den Besuch des Papstes richteten.

An der abschlieƟenden Messe am Sonntag den 16. September nahmen mehr als 300.000 Menschen teil. Unter ihnen waren nicht nur Christen, sondern auch Muslime und Drusen. Auch die shiitische Hezbollah begrĆ¼ĆŸte offiziell den Besuch des Oberhauptes der katholischen Kirche und nahm an der Abschlussmesse teil. Bei einem offiziellen Treffen mit dem Papst im Baabda Palast sprach sich der GroƟmufti der libanesischen Sunniten, Mohammed Rashid Kabbani, fĆ¼r den Verbleib der Christen in Libanon aus. Zudem waren BegrĆ¼ĆŸungsbanner und Bilder des Papstes nicht nur in und um Beirut zu finden, sondern auch in den sĆ¼dlichen Vororten des Libanons, dem Teil des Landes, der bekanntlich von der Hezbollah dominiert wird.

WƤhrend das Engagement der Hezbollah von manchen Seiten kritisch beobachtet wurde, betont sie selbst, dass sie sich fĆ¼r einen politischen Pluralismus in der Region einsetze und eines ihrer politischen Hauptziele die PrƤsenz der Christen im Nahen Osten sei. Kritiker sehen das Engagement der Hezbollah jedoch eher als Strategie ihrer Minderheitenpolitik. Zudem rief Hezbollah-Chef Nasrallah bereits einen Tag nach der Abreise des Papstes zu erneuten Protesten im Zusammenhang mit dem anti-islmischen Video auf. Zwar lobte er die Haltung christlicher Kleriker, welche das Video deutlich vereurteilten, doch lƤsst der Aufruf Nasrallahs zu massiven Protesten im ganzen Land dies als nicht maƟgeblich erscheinen.

Wie manche der Golfstaaten, welche mit Waffenlieferungen nach Syrien die dortigen Rebellen in ihrem Kampf gegen das Assad-Regime unterstĆ¼tzen, mit der Aussage des Papstes, dass die Sendung von Waffen nach Syrien eine schwerwiegende SĆ¼nde sei, umgehen werden, wird sich in den nƤchsten Tagen zeigen. Eine maƟgebliche baldige Verbesserung der Situation in Syrien ist allerdings nicht zu erwarten.

Lesen Sie den kompletten Bericht mit allen FuƟnoten als PDF (oben).

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Jordanien Jordanien