Zunächst begrüßt die Leiterin des Regionalbüros Rheinland, Simone Habig, die Teilnehmenden: „Während das eigene Zuhause für viele Menschen einen Rückzugsraum darstellt, ist er für Menschen, die von Gewalt in den eigenen vier Wänden bedroht sind, das genau Gegenteil.“ Die Weltgesundheitsorganisation definiert drei Arten häuslicher Gewalt in (ex-)partnerschaftlichen Beziehungen, erklärt Prof. Steinert: Physische Gewalt, Sexuelle Gewalt und Psychologische Gewalt, wozu emotionaler Missbrauch und kontrollierendes Verhalten gehören.
„Für viele Frauen ist das Zuhause der gefährlichste Ort“
Gewalt in partnerschaftlichen Beziehungen sei immer noch sehr stigmatisiert, erklärt Steinert, „da es im intimsten Bereich von Familien geschieht.“ Deswegen gehe man von einer sehr hohen Dunkelziffer an Betroffenen aus – auch, weil Gewalt teilweise von Betroffenen nicht als solche erkannt werde. Für die Studie wurden 3800 Frauen zu ihren Erfahrungen befragt. Dadurch, dass die Online-Befragung nur zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, gibt es keine Vergleichszahlen aus 2019 – also einer Zeit, wo es noch keine Einschränkungen durch die Corona-Pandemie gab. Deswegen wurde in einem weiteren Schritt die Anzahl der Kontaktaufnahmen von Kontaktstellen wie dem Hilfetelefon erhoben und qualitative Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Frauenhäusern und Kontaktstellen geführt.
Anstieg der Anrufe bei Kontaktstellen
Die Auswertung zeigt: Mit Beginn des Lockdowns stieg die Anzahl der Kontaktaufnahmen an, vor allem in Bundesländern mit umfangreicheren Beschränkungen. Mehr als vorher wurden Chatangebote von Hilfestellen genutzt, was darauf schließen lässt, dass vertrauliche Telefonate für viele Betroffene durch die häusliche Quarantäne nicht möglich sind. Darauf hätten nach dem ersten Lockdown viele Hilfestellen reagiert, sagt Steinert: Es gebe nun viele Online-Angebote und in der Öffentlichkeit wurden die Hilfemöglichkeiten stark beworben, um Betroffene zu informieren. Ein wichtiger Schritt, wie die erhobenen Daten aus der Studie zeigen: Viele Befragte gaben im April 2020 an, kaum Hilfsangebote zu kennen – teilweise waren die Angebote in der Gruppe der betroffenen Frauen noch weniger bekannt als bei Frauen, die nicht betroffen sind. Aber vor allem die geringe Anzahl der Frauen, die Hilfsangebote aufgesucht haben, sei überraschend gewesen, sagt Prof. Steinert.
Risikofaktoren für häusliche Gewalt im Lockdown
Steinert leitet aus den Ergebnissen der Studie und anderen Daten mehrere Faktoren ab, die das Risiko für häusliche Gewalt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie steigern können. Durch wirtschaftliche Unsicherheit steige das Risiko, das habe man in vergangenen Rezessionen beobachten können, erklärt Steinert. Auch die Belastung durch Arbeit und Kinderbetreuung habe ein hohes Konfliktpotenzial, genau wie psychische Belastungen oder Erkrankungen. Die Studie zeige zudem, dass es in Quarantäne-Situationen häufiger zu häuslicher Gewalt komme. Steinert betont, dass die Schutzmaßnahmen virologisch sinnvoll seien – das Ziel der Studie sei, auf die Risikofaktoren hinzuweisen und dort anzusetzen: Finanzielle Hilfen und niedrigschwellige Angebote zur psychologischen Hilfe sowie Notbetreuung von Kindern könnten Maßnahmen sein, um das Risiko zu verringern.
Gesellschaftliches Bewusstsein schaffen
In der anschließenden Fragerunde gibt es eine große Beteiligung der Zuschauerinnen und Zuschauer. Viele interessieren sich für das Studiendesign, die gesellschaftlichen Reaktionen auf die Studie und teilen eigene Erfahrungen. Es gebe eine gesteigerte Aufmerksamkeit für das Thema, sagt Prof. Steinert: „Es ist zu hoffen, dass dadurch mehr gesellschaftliches Bewusstsein entsteht.“ Trotzdem sei noch einiges zu tun. Im eigenen Umfeld sei es wichtig, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, um Betroffenen so zu zeigen, dass sie nicht allein sind – und mehr über das Thema zu sprechen: „Durch die eigene Aufmerksamkeit kann die generelle Aufmerksamkeit erhöht werden.“
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Landesbüro NRW und Regionalbüro Rheinland
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