Issue: 1/2019 kompakt/2019
Mit seinen Kurzmitteilungen per Twitter irritiert, brüskiert, ja schockiert US-Präsident Donald Trump nicht nur seine politischen Gegner im eigenen Land, sondern auch enge Verbündete im Ausland. Im Kern „neu“ sind viele seiner umstrittenen Positionen deshalb aber noch lange nicht: 2001 hatten die USA, damals unter George W. Bush, das Klimaschutz-Abkommen von Kyoto abgelehnt. Im Jahr darauf verabschiedete sich das Weiße Haus aus dem ABM-Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen. Iran wird auch nicht erst seit dem Amtsantritt von Donald Trump vorgeworfen, im Nahen und Mittleren Osten Terroristen zu unterstützen. Höhere Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte hatte Präsident Bush trotz internationaler Proteste bereits 2002 verhängt. Im darauffolgenden Jahr wurden die Einfuhrgebühren von der Welthandelsorganisation dann für unrechtmäßig erklärt. Die damalige Entscheidung der WTO prägt die kritische Haltung der USA zu multilateralen Schlichtungsverfahren bis heute. Darüber hinaus geht auch die Entscheidung der NATO-Mitgliedstaaten, zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden, bereits auf das Jahr 2002 zurück. Die Bestätigung des Richtwerts fiel 2014 in die Amtszeit von Barack Obama. Dieser sprach, anders als heute, zwar nicht von „Make America Great Again“; seine Anhänger adressierte der demokratische Ex-Präsident aber schon vor Jahren mit der sinnverwandten Forderung nach „Nationbuilding here at home“.Kurzum: Die Erwartungen und Streitpunkte, um die im transatlantischen Verhältnis auf hoher und höchster politischer Ebene derzeit gerungen wird, haben fast durchgängig eine lange Vorgeschichte. Nicht umsonst ist in Regierungskreisen häufig die Rede davon, Donald Trump habe in vielen Bereichen gewissermaßen nur die „Fast Forward“- Taste gedrückt.
Polarisierung als Strategie
Dementsprechend spricht auch wenig dafür, dass die US-Regierung auf Bitten ihrer ausländischen Partner absehbar einen Kurswechsel einleiten oder „den Druck aus dem Kessel“ nehmen könnte. Auch die Zwischenwahlen Ende des letzten Jahres geben diesbezüglich keinen großen Anlass zur Hoffnung: Zwar stand der umstrittene Präsident 2018 stärker im Mittelpunkt als seine Vorgänger, Zustimmung (26 Prozent) und Ablehnung (34 Prozent) lagen bei Donald Trump aber näher beieinander als etwa bei Barack Obama 2014 (pro: 17, contra: 30 Prozent) oder 2006 bei George W. Bush (pro: 18, contra: 31 Prozent). Im Ergebnis verloren die Republikaner im November zwar ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus, konnten den Senat aber erfolgreich verteidigen – ein für Zwischenwahlen eher untypischer Erfolg, den Trump nicht zuletzt der für ihn typischen Strategie der Polarisierung verdankt. Die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft hat unter Trump indes weiter zugenommen: Bei den Zwischenwahlen gaben nur neun Prozent aller Wähler an, die USA seien stärker geeint, während 76 Prozent die Auffassung vertraten, die Gesellschaft bewege sich auseinander. Den US-Präsidenten stellt diese Entwicklung vor nicht unerhebliche Herausforderungen.
Konfrontationskurs absehbar
Gut möglich also, dass Donald Trump in den nächsten beiden Jahren gegen die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus einen harten Konfrontationskurs fahren wird, wie wir ihn zuletzt in der erbitterten Auseinandersetzung über den Haushalt und den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko erlebt haben. Dieses Rezept zur Wiederwahl hatte erfolgreich schon Harry Truman angewendet, nachdem er die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses bei den Zwischenwahlen an die Republikaner abtreten musste. Einen harten Konfrontationskurs dürfte Trump insbesondere dann einschlagen, wenn die Demokraten ihn, wie es ein Journalist in seiner Frage ausdrückte, „mit einem Sturm von Vorladungen zu allem von der Russland-Untersuchung […] bis zu Ihren Steuererklärungen“ überziehen. „Wenn das passiert“, so Trump, „werden wir dasselbe tun und die Regierung kommt zum Stillstand.“ Die Schuld dafür liege in dem Fall bei den Demokraten, versicherte der Präsident. Ob sich deren Abgeordnete und Anhänger, zumal die weiblichen und die Vertreter der Minderheiten, mit den von Trump abgesteckten Chancen und Grenzen für die checks and balances arrangieren werden, ist im aufgeheizten und polarisierten Amerika derzeit fraglich. Die von Robert Kagan 2003 in „Of Paradise and Power“ aufgestellte These: „Amerikaner sind vom Mars und die Europäer von der Venus“ markiert heute im übertragenen Sinne jedenfalls auch die poli tischen Realitäten innerhalb der USA. „Stillstand“ können sich Demokraten und Republikaner trotz aller Meinungsunterschiede und Emotionen ebenso wie Europa und die USA dennoch nicht leisten. Am Ende würden beide verlieren.
Paul Linnarz ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington D.C.