Country reports
Die 124 Gründungsmitglieder waren hauptsächlich aus dem Wahlverband Volksvertrauen, der in Tallinn eine Koalition zusammen mit der Isamaaliit, Reformpartei und Moderaten bildet. In die neue Partei sind neben dem Verband noch 50 ehemalige Mitglieder der Russischen Partei, Vereinigten Volkspartei und Russischen Einheitspartei eingetreten.
Der Kongreß verlief in russischer Sprache, alle Druckmaterialien waren auch in estnischer Sprache vorhanden.
Der zum Vorsitzenden der Partei gewählte Sergei Ivanov, Mitglied des Riigikogu sowie der Tallinner Stadtverordnetenversammlung wies in seiner Rede darauf hin, daß Estland ein Staat mit zwei verschiedenen Gesellschaften ist. Dieses sei aber äußerst gefährlich. Die Idee der neuen Partei sei die Partnerschaft der Ethnien in Estland, keinesfalls ein russischer Nationalismus in Estland. Die Partei sei offen für alle Einwohner, nicht nur für Russen.
Ivanov gab zu, daß es in Estland zu viele russische Parteien gibt. Sie seien so zersplittert, daß keine die Meinungsführerschaft beanspruchen könne und die russischsprachige Bevölkerung in Estland vertreten würde.
Die neue Partei will schon in ihrem Namen betonen, daß es sich um die von den baltischen Russen gegründete Partei handelt.
Nach Ivanov haben 60% der Mitglieder der neuen Partei Hochschulbildung, 10 Mitglieder sind Studenten, etwa 1/3 sind Frauen. Die Mitglieder kommen meistens aus Tallinn, aber auch aus Narva, Kohtla-Järve und Tartu.
Die Forderungen der neuen Partei:
- die estnische Staatsbürgerschaft automatisch allen Menschen zu erteilen, die in der Zeit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Staates in Estland geboren sind oder gelebt haben;
- den Status der russischen Sprache offiziell anerkennen, vor allem in den Regionen, wo die russischsprachige Bevölkerung in der Mehrheit ist;
- Einführung der Steuerprogression für Einkommenssteuerzahler (z.Z. 26 % Einkommensteuersatz);
- die Investitionen, die zur Erweiterung der Produktion und Schaffung neuer Arbeitsplätze eingesetzt werden, von den Steuern zu befreien.
Tatsache ist, daß die russische Gemeinde in Estland politisch in drei politische Lager gespalten ist: in die der Regierung loyale Baltisch-Russische Partei als Mitte-Rechts-Partei, in die linkspopulistische Zentralpartei und in den linken oppositionellen Verband der Russischen Parteien.
Sowohl Andrejev als auch Maspanov haben in den letzten Jahren vor den Parlaments- oder Kommunalwahlen versucht, die Unterstützung aus Moskau zu bekommen. Vor den letzten Parlamentswahlen half Georgi Satarov, damals der innenpolitische Berater des ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jeltsin, die Wahlkampagne der Vereinigten Volkspartei durchzuführen und zu finanzieren.
Die Baltisch-Russische Partei will sich auf Estland konzentrieren und auf Moskauer Hilfe verzichten. Die Finanzierungsquellen der neuen Partei sind allerdings nicht bekannt.
Die Partei von Ivanov hat die Meinungsverschiedenheiten unter den in Estland erscheinenden russischsprachigen Zeitungen vergrößert. Während die größte russischsprachige Zeitung Estonija offen die Baltisch-Russische Partei unterstützt, so kritisierte die Zeitung Molodjozh Estoni die Gründung der Baltisch-Russischen Partei. Sie gilt als Meinungsorgan des Verbandes der Russischen Parteien.
Stellungnahmen estnischer Politiker zu der Parteigründung:
Der Generalsekretär der Moderaten Tõnu Kõiv meinte, daß die neue Partei eine gute Perspektive besitze wenn Sergei Ivanov, der als sehr einflußreich gleichermaßen in der russischen als auch estnischen Gemeinde gilt, viele sachkundige Menschen sammeln kann. Die russischen Parteien haben nach ihm nie die estnischen Parteien allzusehr gefährdet. "Die einzige Gefahr sei die Zentralpartei, bisher die Interessenvertretung der Nicht-Esten. Die Zentralpartei kann diese verlieren, wenn die neue Partei sich gut organisieren kann," so Kõiv.
Nach der Meinung des Generalsekretärs der Zentralpartei Küllo Arjakas bildet die neue Partei vorläufig nur eine Gruppe von Menschen aus Tallinn und sei noch weit davon entfernt eine Partei zu werden. "Die Gründung der Partei ist ziemlich leicht, aber alles andere ist schon kompliziert. In den heutigen Bedingungen wird die Bildung einer erfolgreichen Partei ein paar Jahre Zeit in Anspruch nehmen und ein paar Millionen EEK kosten," so Arjakas, der in der neuen Partei noch keinen Konkurrenz für die estnischen Parteien sieht.