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Außer den 550 Sitzen im nationalen Parlament wurden am Wahltag auch noch rund 15.300 Mandate in den über 30 Provinz- sowie den rund 400 Kreis- und Stadtparlamenten und erstmals auch im direkt gewählten Regionalrat (Dewan Perwakilan Daerah/DPD, die durch eine Verfassungsergänzung 2002 geschaffene zweite Parlamentskammer) neu besetzt: dadurch hatte jeder Wähler vier Stimmzettel auszufüllen.
Wahlberechtigt waren über 147 Millionen Indonesierinnen und Indonesier und damit über 20 Millionen Menschen mehr als bei den letzten allgemeinen Wahlen 1999. Der Großteil der zusätzlichen Wahlberechtigten waren Jung- bzw. Erstwähler. Die nationale Kommission für die allgemeinen Wahlen (KPU), die für die Vorbereitung und Durchführung des Wahlvorgangs sowie die Stimmenauszählung verantwortlich ist, sah sich einer Herkulesaufgabe gegenüber und musste allein rund 660 Millionen Stimmzettel drucken lassen. Dies entsprach nach KPU-Angaben einer Menge von rund 30.000 Tonnen Holz, die zur Papierherstellung benötigt worden wären, wenn die Wahlkommission sich nicht für die Verwendung von Recycling-Papier entschieden hätte.
Diese logistische Herausforderung führte im Vorfeld des Urnengangs zu teilweise endlosen Verzögerungen und Vorbereitungspannen. Kurzfristig schien selbst eine Verschiebung des Wahlvorgangs nicht ausgeschlossen. Dass es dennoch nicht dazu kam, sollte angesichts der extremen geografischen Dimensionen Indonesiens und der damit verbundenen organisatorischen Schwierigkeiten bei der Wahlvorbereitung und -durchführung anerkennend gewertet werden.
Am Wahltag selbst blieb es weitestgehend ruhig, abgesehen von vereinzelten Störungen des Wahlvorgangs in der Unruheprovinz Aceh. Westliche Beobachter waren mit dem Verlauf der Wahlen im allgemeinen zufrieden, die Beanstandungen blieben minimal. Hingegen kritisierten indonesische Nichtregierungsorganisationen zahlreiche vermeintliche Verstöße gegen Wahlvorschriften, zumeist fehlende Eintragungen von Wahlberechtigten in die Wählerverzeichnisse und, damit verbunden, Probleme bei der Ausübung des Wahlrechts.
Entgegen ihrem eigenen Zeitplan, der die Verkündung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses für den 28. April vorsah, kam die KPU mit der Stimmauszählung nicht nach und kündigte den Abschluss der Auszählung nunmehr für den 5. Mai an. Dies wäre der letztmögliche Termin, denn gemäß der Verfassung muss das Wahlergebnis spätestens 30 Tage nach dem Wahlgang bekannt gegeben werden.
Die vorläufigen Auszählungsergebnisse vom 02. Mai 2004, 20.30 Uhr, lauten:
Rang | Partei | Vorsitzende/r bzw. assoziierte Führungs- persönlichkeit | Stimmen absolut | Stimmen in % | Voraussichtliche Gewinne/Verluste im Vergleich zur Wahl 1999 in % |
---|---|---|---|---|---|
1 | Golkar | Akbar Tandjung (Präsident des Repräsentan- tenhauses) | 19.751.088 | 21,18 | -1,26 |
2 | Indonesian Democratic Party of Struggl (PDI-P) | Megawati Sukarnoputri (Präsidentin der Republik Indonesien) | 18.089.513 | 19,40 | -14,34 |
3 | National Awakening Party (PKB) | Abdurrahman Wahid (ehemaliger Präsident der Republik Indonesien, 1999-2001) | 10.972.565 | 11,77 | -0,84 |
4 | United Develop- ment Party (PPP) | Hamzah Haz (Vizepräsident der Republik Indonesien, 1999-2001) | 7.752.219 | 8,31 | -2,40 |
5 | Democratic Party (DP) | Susilo Bambang Yudhoyono (ehem. Koordinierender Minister für politische und Sicherheitsangelegenheiten im Kabinett Megawati) | 7.030.463 | 7,54 | +7,54 |
6 | Prosperous Justice Party (PKS) | Hidayat Nur Wahid | 6.704.721 | 7,19 | +7,19 |
7 | National Mandate Party (PAN) | Amien Rais (Vorsitzender der Be- ratenden Volksversammlung) | 6.033.615 | 6,47 | -0,65 |
8 | Crescent Star Party (PBB) | Yusril Ihza Mahendra (Justizminister im Kabinett Megawati) | 2.398.729 | 2,57 | +0,63 |
9 | Reform Star Party (PBR) | Zainuddin MZ | 2.156.820 | 2,31 | +2,31 |
10 | Concern for the Nation Functional Party (PKPB) | H.R. Hartono bzw. Siti Hardijanti Indra Rukmana (Tochter des ehem. Präsidenten Suharto) | 1.987.884 | 2,13 | +2,13 |
Genannt werden hier nur zehn der insgesamt 24 zur Wahl zugelassenen Parteien, insoweit sie bzw. ihre Führungspersonen eine relevante Rolle auf nationaler Ebene spielen. Wie viele Parteien letztendlich ins Parlament einziehen werden, kann derzeit noch nicht definitiv beantwortet werden.
Aufgrund dieser vorläufigen Zahlen bzw. nach Auszählung von 64 der landesweit 69 Wahlbezirke könnte die Sitzverteilung im Repräsentantenhaus etwa wie folgt aussehen (basierend auf 499 von 550 zu vergebenden Mandaten, Stand: 02. Mai 2004):
Voraussichtliche Sitzverteilung im neuen indonesischen Repräsentantenhausauf der Basis von 499 von 550 Sitzen (Stand: 02. Mai 2004; ausgezählt: 64 von 69 Wahlbezirken)
Die Unterschiede in der Reihenfolge der Parteien nach Anzahl der absoluten Stimmen bzw. der gewonnenen Mandate ergeben sich aus der Tatsache, dass die indonesischen Wahlbezirke kein einheitliches demografisches Profil haben und daher - im Gegensatz etwa zu den entsprechenden Bestimmungen im deutschen Wahlrecht - zum Gewinn eines Mandats nicht unbedingt überall die gleiche Stimmenanzahl notwendig ist.
Wie zu erwarten, hat Golkar in seinen bisherigen Hochburgen besonders gut abgeschnitten. Dazu zählen die Provinzen Süd- und Zentral-Sulawesi, Gorontalo, aber auch Kalimantan sowie Riau und Jambi auf Sumatra. Gewinne verzeichnete die Partei aber auch in West-Java (Bandung). Trotz ihrer Verluste lag die Präsidentenpartei PDI-P dennoch in Bali sowie in Zentral- und Ost-Java weiterhin vorn. Interessant ist, dass die neue DP in nahezu jedem der Wahlbezirke mindestens ein Mandat gewinnen konnte.
Berücksichtigt man nur die bisher zehn stimmenstärksten Parteien und greift zu der in Indonesien üblichen Kategorisierung der politischen Kräfte in ein nationales und ein religiöses Lager, so ergäbe sich eine leichte Umschichtung im Umfang von ca. 6% der Wählerstimmen vom nationalen Lager (Golkar, PDI-P und die neuen Parteien DP und PKBP) hin zum religiösen Lager (PKB, PPP, PKS, PAN, PBB und PBR).
Diese Sicht verstellt allerdings den Blick auf die Tatsache, dass dieser Zugewinn nur theoretisch besteht und das Stimmenplus voll auf das Konto der neuen Partei PKS geht (die aus der früheren "Partei Keadilan", d.h. Gerechtigkeitspartei, hervorgegangen ist). Vorbehaltlich des amtlichen Endergebnisses ist viel eher zu erwarten, dass die religiösen "Altparteien" (außer PKS und PBR) im Endeffekt über ihr Gesamtergebnis von 1999 nicht hinauskommen werden.
Im nationalen Lager ist der Einbruch von PDI-P so schwerwiegend, dass die abgewanderten Wähler auch trotz des überraschenden hohen Erfolgs der neuen DP offensichtlich nicht vollständig von den anderen Kräften absorbiert werden konnten. Aufgrund der durch Verfassungsänderung um 50 auf nunmehr insgesamt 550 erhöhten Anzahl der Sitze im Repräsentantenhaus dürfte Golkar trotz ausgebliebener Stimmengewinne mit einer deutlichen Mandatszunahme rechnen; aus demselben Grund werden sich andererseits die Verluste für PDI-P in einer künftig erheblich verkleinerten Fraktion widerspiegeln.
Setzt sich die Stimmen- und Mandatsverteilung auch nach Auszählung der noch ausstehenden Wahlbezirke dem Verhältnis der bisherigen Ergebnisse entsprechend fort, hätten die drei nationalen Parteien Golkar, PDI-P und DP - vorausgesetzt, letztere beteiligte sich an der Regierung - nur eine hauchdünne absolute Mandatsmehrheit im Parlament, die bei 276 Sitzen liegt. Traditionell jedoch dominiert ohnehin ein weit stärker als im europäischen politischen Kontext ausgeprägtes Konsensdenken die parlamentarische Arbeit in Jakarta. Daher ist davon auszugehen, dass sich die künftige Regierung sich aus mehr als drei Parteien zusammensetzen dürfte, wobei die Beteiligung von mindestens einer, wahrscheinlich jedoch mehrerer religiöser Parteien zu erwarten ist.
Das bisherige Wahlergebnis aus dem Blickwinkel der Parteien- Das Ergebnis ist die erwartete Niederlage für die PDI-P; diese ist allerdings in ihrem Ausmaß so extrem ausgefallen, dass man eigentlich nur von einer Ohrfeige sprechen kann. Es ist die persönliche Niederlage Megawatis und eine Abstrafung für die insgesamt miserable Regierungsleistung der PDI-P, deren Personifikation sie ist. Mängel der Regierung lagen bzw. liegen v.a. in der nur schleppenden wirtschaftlichen Konsolidierung, der nicht bekämpften Massenarbeitslosigkeit (bis zu 45 Millionen Betroffene), nach wie vor hoher Armut und fehlendem politischen Willen zur Bekämpfung der allgegenwärtigen Korruption.
Megawati hat ihr Hauptkapital in der personenorientierten Politik Indonesiens, Tochter Sukarnos zu sein (was wesentlich zu ihrem Wahlerfolg 1999 beitrug) schnell verloren, zumal sie ihrem nach wie vor hoch angesehenen Vater von der persönlichen Ausstrahlung und den rhetorischen Fähigkeiten her nicht einmal nahe kommt. Hauptverantwortliche politische Schwächen für ihre Niederlage sind ihre Unfähigkeit, mit der breiten Bevölkerung zu kommunizieren und keine markanten politischen Visionen bzw. Zielvorstellungen entwickelt und vermittelt zu haben sowie ihre so empfundene Entscheidungsschwäche. Sie wird bei weitem nicht immer als diejenige wahrgenommen, die bestimmt, was in Indonesien geschieht und welchen Weg die PDI-P geht. Die Stimmung im Land lässt sich derzeit in etwa mit dem Satz "schlechter kann es nicht mehr werden" beschreiben und wurde voll auf sie zurückgeführt. Der Wunsch nach (politischem) Wechsel ist, deutlich stärker als noch vor einem Jahr, mit Händen zu greifen. - Golkar hat bei weitem nicht im erwarteten Ausmaß von den Verlusten der PDI-P profitieren können und hält in etwa seinen Stimmenanteil von 1999 (das ist auch eine Niederlage für die Demoskopen, die das zumeist völlig anders vorausgesehen und die Partei nahe der 30%-Marke angesiedelt hatten). Die Rolle als stärkste Fraktion im neuen Repräsentantenhaus fällt der Partei trotzdem in den Schoß. Das ist um so erstaunlicher, als das frühere Machtvehikel Suhartos im Kabinett Megawati in maßgeblichen Ressorts durch führende Parteirepräsentanten politische Verantwortung trug, beispielsweise in der Person des ehemaligen Koordinierenden Ministers für soziale Angelegenheiten, Jussuf Kalla.
Die Partei hätte unter anderen Umständen vielleicht besser abgeschnitten, litt aber unter einem Attraktivitätsdefizit, u.a. weil ihr Vorsitzender, der Präsident des Parlaments, Akbar Tandjung, nicht nur als Belasteter der Suharto-Zeit gilt, sondern v.a. auch wegen seines unter fragwürdigen Umständen erfolgten Freispruchs vom Korruptionsvorwurf durch den Obersten Gerichtshof Anfang des Jahres vielen Indonesiern offenbar einfach nicht wählbar erschien. Positiv aus Golkar-Sicht ist, dass auch in der kommenden Legislaturperiode und unabhängig vom Ausgang der Präsidentenwahl im Herbst niemand an dieser Partei als stärkste parlamentarische Kraft vorbei kommen wird.
- Einer von zwei Gewinnern des Urnengangs ist die Demokratische Partei (DP) mit ihrer Galionsfigur, dem ex-General Susilo Bambang Yudhoyono, eines auch im Westen angesehenen Politikers, der bis zum 11. März als Koordinierender Minister für politische und Sicherheitsfragen dem Kabinett Megawatis angehörte und im vergangenen Monat aus Protest gegen seine angebliche Ausgrenzung von wichtigen Kabinettsentscheidungen durch die Präsidentin von seinem Amt zurücktrat. PDI-P-Größen (vornehmlich Megawatis Ehemann Taufik Kiemas, der als Parlamentsabgeordneter eine führende Rolle in der Partei seiner Ehefrau spielt) erkannten schon zuvor sein politisches Potential sowie die damit verbundene politische Gefahr für die Präsidentin und taten ihr Möglichstes, um den "rising star" in seinem Aufstieg zu behindern.
Aber dennoch ist es erstaunlich, dass die von Yudhoyono als politische Maschine benutzte DP praktisch aus dem Stand ein hervorragendes Ergebnis eingefahren und v.a. in urbanen Zentren stark gewonnen hat (in der Hauptstadt Jakarta wurde sie nach der religiösen PKS zur zweitstärksten Fraktion im Stadtparlament). Die Sehnsucht vieler Wähler nach einem führungs- und entscheidungsstarken Präsidenten - ein Ideal, das der ex-General "SBY", wie er genannt wird, durch sein souveränes Auftreten verkörpert - dürfte dazu ebenso beigetragen haben wie sein Image als von Korruption weitestgehend freie politische Führungsgestalt. Gleichwohl bleibt unklar, wofür die DP im Unterschied zu anderen Parteien steht. Ihr Erfolg beruht auf der konsequenten Ausnutzung des allgemeinen Wunsches nach neuen Gesichtern und bestätigt den personalistischen Aspekt der indonesischen Politik. Attraktiv war sie nach ersten Erkenntnissen aber nicht nur für gebildete Schichten in den Städten, sondern auch für die signifikante Anzahl ethnisch chinesischer Wähler, die sich 1999 zumeist noch für die PDI-P entschieden hatten.
- Zweiter strahlender Gewinner dieser Wahl ist die religiöse PKS, eine Partei die aus der früheren PK ("Partai Keadilan", d.h. Gerechtigkeitspartei) hervorgegangen ist. Es handelt sich um eine religiöse Partei, die aber im Gegensatz dazu keinen religiös orientierten Wahlkampf geführt hat, sondern sich in einer langfristig angelegten und offensichtlich äußerst erfolgreichen Strategie auf Aspekte wie Armuts- und Korruptionsbekämpfung konzentriert hatte. Dazu betrieben die überwiegend jungen Parteifunktionäre bereits seit über einem Jahr soziale Projekte, Nachbarschaftshilfe u.ä. Aktivitäten, die besonders bei den sozial Schwachen gut ankamen.
Wie die PD Yudhoyonos, gewann auch die PKS sehr stark in Jakarta, wo die beiden großen Parteien PDI-P und Golkar im Stadtparlament von den Spitzenpositionen ins Mittelfeld herabgesunken sind. PKS gab an, im Gegensatz zu den anderen Parteien keinerlei interessengebundene Spenden entgegengenommen zu haben, sondern sich ausschließlich aus Mitgliederzuwendungen zu finanzieren. Besonders erwähnenswert ist die auf die Langzeitwirkung angelegte Kampagne dieser Partei, die - im indonesischen Kontext eher ungewöhnlich - funktioniert hat, weil die Begleitumstände (Versagen der anderen etablierten, auch religiösen Parteien bei der Lösung von Kernproblemen) für die PKS begünstigend gewirkt haben.
Noch ist nicht abzusehen, ob die Partei in Zukunft zu jenen politischen Gruppierungen gehören wird, die die Einführung des islamischen Rechtssystems Schariah fordern. Der Parteichef Hidayat Nur Wahid, ein u.a. in Saudi-Arabien ausgebildeter Universitätsdozent, war zwar bereits als Vorsitzender der PKS-Vorgängerpartei "Partai Keadilan" öffentlich in Erscheinung getreten, ist aber bisher politisch ein eher unbeschriebenes Blatt und beantwortete entsprechende Fragen eher sybillinisch. Es ist denkbar, dass die Partei, den Erfolg ihrer jetzigen Langfrist-Strategie vor Augen, sich im Parlament zunächst als kritische "Stimme des Volkes" positionieren will, um so gegebenenfalls eine noch breitere politische Basis aufzubauen.
- Das Gesamtergebnis der anderen religiösen Parteien PKB, PPP, PAN und PBB ist wenig berauschend. Es belegt die bekannte, für Indonesien spezifische Wahrheit, dass eine weit überwiegend moslemische Wählerschaft durchaus nicht zwangsläufig überwiegend religiöse Parteien wählt. Ein guter Moslem kann man scheinbar also auch sein, wenn man nationale Parteien wie Golkar, PDI-P oder DP wählt.
Zu dem insgesamt mageren Ergebnis für diese Parteiengruppe dürften mehrere Faktoren beigetragen haben:- die Erinnerung an die desaströse Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Abdurrahman Wahid ("Gus Dur", 1999-2001): der frühere Staatschef profilierte sich im Wahlkampf gleichwohl als kämpferisch und entschlossen, nach dem Referendum nochmals in das Rennen um das höchste Staatsamt im zweiten Halbjahr einzutreten. Wahid übt als ehemaliger Vorsitzender der größten moslemischen Massenorganisation des Landes mit angeblich 40 Millionen Mitgliedern, der "Nahdlatul Ulama" (NU) nach wie vor großen Einfluss als ein wichtiger geistig-religiöser Führer der Partei PKB aus. Diese hatte sich in der abgelaufenen Legislaturperiode und v.a. nach dem Sturz Wahids als Präsident in die parlamentarische Schmollecke zurückgezogen und war als gestaltende politische Kraft praktisch nicht mehr wahrnehmbar.
Dass sie jetzt ein durchaus respektables Ergebnis erzielt und mit voraussichtlich nur minimalen Verlusten den dritten Platz im Parlament verteidigen konnte, sollte man sich parteiintern eigentlich als Erfolg bei der Mobilisierung der eigenen Stammwähler anrechnen. Unverständlich ist daher, weshalb ausgerechnet Wahid lautstark verkündete, er bzw. PKB würden das Wahlergebnis wegen vermeintlicher Unregelmäßigkeiten verschiedener Art nicht ohne Widerstand anerkennen. Damit schloss er sich einer Gruppe von insgesamt 19 der 24 an der Wahl teilnehmenden Parteien an, die ähnliches ankündigten; - die ebenfalls mäßige Leistungsbilanz des derzeitigen Vizepräsidenten Hamzah Haz: die von ihm geführte PPP war eine der drei "Blockflötenparteien" der Suharto-Zeit und repräsentiert eine ländlich-konservative, islamische Wählerschaft. Der Vizepräsident verdankt sein Amt in erster Linie der nach der Wahl Megawatis zur Präsidentin 2001 von ihr und PDI-P definierten Notwendigkeit, einen Nicht-Javaner und Vertreter der religiösen Parteien zum stellvertretenden Staatschef zu machen, um so auch die außerhalb der Hauptinsel Java lebenden sowie die moslemischen Wählergruppen stärker einzubinden. Damals setzte er sich bei der Abstimmung im Parlament gegen den Golkar-Chef Tandjung durch.
Seine und damit die politische Bilanz der PPP blieb jedoch dürftig: Erneut scheiterte 2002 das von PPP mitgetragene Vorhaben, die Schariah in die indonesische Verfassung aufzunehmen, und Haz selbst bezeichnete sich in den Wochen vor der Wahl rückblickend auf seine Amtszeit frustriert als bloßer "satpam" (indonesisch für "satuan pengaman", d.h. Wächter oder Nachtwächter) in der Abwesenheit der Präsidentin. Besser kann man auch die politische Wirkungslosigkeit seiner Partei in den letzten drei Jahren nicht beschreiben. Dennoch ist auch in diesem Fall die Stammwählermobilisierung geglückt; - das unglaubwürdige Taktieren des PAN-Führers Amien Rais: der noch amtierende Vorsitzende der Beraten Volksversammlung (MPR) versuchte seit 1999, über die Öffentlichkeitswirksamkeit dieses hohen Staatsamtes auch politisches Kapital zu gewinnen. PAN trat im Parlament immer wieder als Mahner und Kritiker von Politik und Persönlichkeiten der Regierung Megawati auf, der aber u.a. der Generalsekretär der Partei Hatta Rajasa, als Forschungsminister angehört.
Wo die eigentliche produktive und konstruktive Regierungsleistung dieser schon beim Wahlergebnis 1999 weit hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückgebliebenen Partei erbracht wurde, blieb hingegen unklar. Es scheint, als ob die gebildete moslemische Bevölkerung, die bisher das Gros der PAN-Wähler stellte, sich diesmal nur noch zögerlich für die Partei entschied oder bereits politische Alternativen erprobte - PAN war, ist und wird jedenfalls auch künftig keine dominierende politische Kraft in Indonesien sein; - die offensichtliche politische Belanglosigkeit des PBB-Chefs Mahendra: auch wenn seine Partei am 5. April möglicherweise einen leichten Zugewinn erzielt haben könnte, kann dies nicht über die marginale Rolle hinweg täuschen, die diese vom amtierenden Justizminister geführte Kraft im Repräsentantenhaus und in der öffentlichen Meinung spielt. Darüber konnten auch seine ungeschminkten Versuche, die Präsidentin in Interviews zu disqualifizieren, nicht hinweg helfen. Wie auch PPP und PAN hatte sich die PBB die Einführung der Schariah auf ihre Fahnen geschrieben und ist damit gescheitert. Wofür sie ansonsten eintrat, bleibt ihr Geheimnis.
- die Erinnerung an die desaströse Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Abdurrahman Wahid ("Gus Dur", 1999-2001): der frühere Staatschef profilierte sich im Wahlkampf gleichwohl als kämpferisch und entschlossen, nach dem Referendum nochmals in das Rennen um das höchste Staatsamt im zweiten Halbjahr einzutreten. Wahid übt als ehemaliger Vorsitzender der größten moslemischen Massenorganisation des Landes mit angeblich 40 Millionen Mitgliedern, der "Nahdlatul Ulama" (NU) nach wie vor großen Einfluss als ein wichtiger geistig-religiöser Führer der Partei PKB aus. Diese hatte sich in der abgelaufenen Legislaturperiode und v.a. nach dem Sturz Wahids als Präsident in die parlamentarische Schmollecke zurückgezogen und war als gestaltende politische Kraft praktisch nicht mehr wahrnehmbar.
- Die politische Vergangenheit Indonesiens machte wieder von sich reden in Gestalt der Partei "Sorge um die Nation" (PKBP), die allgemein als Vehikel der Suharto-Familie zum Wiederauftritt auf der politischen Bühne des Landes angesehen wurde. Geführt von dem ehemaligen Armeechef und ex-General Hartono, einem engen Vertrauten des früheren Präsidenten, sollte dessen älteste Tochter, Siti Hardijanti Indra Rukmana ("Tutut"), als weithin bekanntes Zugpferd fungieren, wobei man besonders auf die Stimmen von enttäuschten ehemaligen Golkar-Anhängern spekulierte.
Auch wenn das Gesamtergebnis der PKBP in absoluten Zahlen nicht übermäßig beeindruckt und derzeit noch nicht definitiv feststeht, ob sie ins Parlament einziehen wird, zeigt es doch, dass noch immer mindestens zwei Millionen Menschen empfänglich für die Parteipropaganda waren, die die Erinnerung an die "gute alte Zeit" mit ihren wirtschaftlichen Entwicklungserfolgen und der allgemeinen Stabilität beschwor und für die Rückbesinnung auf die politischen Tugenden der "Neuen Ordnung" eintrat.
Die unmittelbaren politischen Implikationen des Wahlergebnisses
Noch ist es viel zu früh, um darüber zu spekulieren, welche Konsequenzen das Wahlergebnis für die programmatische Schwerpunktsetzung der neuen Regierung haben wird. Viel wird von der Koalitionsbildung abhängen und von der Bereitschaft der die Regierung tragenden Parteien, die bisher bei der politischen Entscheidungsfindung stark von der javanischen Kultur beeinflusste, inhärente Neigung zur Konsensbildung um jeden Preis etwas abzuschwächen.
Die grundlegenden Probleme Indonesiens sind seit langem bekannt. Jetzt hat der Wähler ein klares Signal gegeben, dass er nicht mehr länger bereit ist, den größtenteils ineffektiven und langwierigen politischen Ränkespielen tatenlos zuzuschauen, die ohne jedwede positive Auswirkungen auf die problematischen Lebensbedingungen vieler Millionen Menschen im Lande geblieben sind.
Das Schlagwort der politischen Wende 1998/99 lautete "Reformasi", die umfassende Reform des politischen Systems mit der Einführung eines stabilen demokratischen Staates sowie rechtstaatlicher Institutionen und Verfahren. Davon sprach schon lange weder in den Medien noch in der Öffentlichkeit kaum jemand mehr.
Auch in der indonesischen Zivilgesellschaft gilt dieses Projekt gemeinhin als gescheitert. Dass es darüber keinen öffentlichen Aufruhr gibt, hängt allein damit zusammen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung mit der Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen des tagtäglichen Überlebenskampfes vollauf ausgelastet ist.
Das Wahlergebnis hat allerdings unmittelbare Bedeutung für die am 5. Juli bzw. am 20. September anstehenden beiden Runden der Präsidentenwahl. Erstmals können die Indonesier ihr Staatsoberhaupt direkt wählen. Es ist davon auszugehen, dass dies erst im zweiten Wahlgang gelingt, denn das Gesetz zur Präsidentenwahl verlangt im ersten Wahlgang vom Sieger nicht nur mehr als 50% der Stimmen, sondern auch mindestens 20% der Stimmen in mehr als der Hälfte der 32 Provinzen - eine Hürde, die kaum jemand im ersten Anlauf nehmen können wird.
Antreten können nur sogenannte "single tickets" aus je einem Kandidaten für das Präsidenten- und das Vizepräsidentenamt. Nominierungsberechtigt sind Parteien oder Koalitionen aus Parteien, die bei der Parlamentswahl mindestens 5% der Stimmen oder 3% der Sitze errungen haben: dies wären nach derzeitigem Stand Golkar, PDI-P, PKP, PPP, DP und PAN. Die PKS hat sich Presseberichten zufolge bereits entschieden, keinen Kandidaten für das Präsidentenamt zu nominieren, obwohl sie ihr Wahlergebnis dazu berechtigen würde. Es ist daher im ersten Wahlgang mit fünf bis sechs Tickets zu rechnen, die antreten. Strategisches Ziel der Bewerber muss es sein, dabei mindestens Zweite zu werden und den Sprung in die Stichwahl zu schaffen, bei der dann die einfache Stimmenmehrheit zum Sieg ausreicht.
Es besteht eine offizielle Registrierungspflicht für Kandidaten bei der KPU, die Mitte Mai abläuft. Nominiert sind bisher Präsidentin Megawati für die PDI-P sowie der auch im Westen wegen seiner unrühmlichen Rolle in Zusammenhang mit der Unabhängigkeit Ost-Timors bekannte ex-General Wiranto für Golkar, der sich dort in einem erstmals in Indonesien (und ausgerechnet von der ehemaligen Staatspartei Suhartos) angewandten Verfahren eines Wahlparteitags überraschend deutlich gegen Parteichef Tandjung durchsetzte.
Auch Ex-Minister und PD-Star Yudhoyono wird antreten und hat bereits einen Vizepräsidenten-Kandidaten auserkoren, den ehemaligen Koordinierenden Minister für Soziale Angelegenheiten, Jussuf Kalla, der allerdings der Golkar angehört.
Für die anstehende Präsidentenwahl dürften Wiranto, Yudhoyono und Megawati die aussichtsreichsten Bewerber sein. Bedingt durch den Wahlmodus ist das Ausscheiden einer dieser drei Persönlichkeiten nach der ersten Runde vorprogrammiert. Aus heutiger Sicht kann nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden, wen es treffen wird. Indonesische Politik bleibt für die nächsten fünf Monate äußerst spannend.