Country reports
Die Krise begann letzte Woche, als sich in der Provinz Süd Kivu eine Gruppierung von Banyamulenge Tutsis, unter dem Vorwand der ethnischen Ausgrenzung, aus der regulären Armee abspaltete. Die Banyamulenge Tutsis sind eng mit der von Ruanda unterstützten Rebellenbewegung RCD Goma verbunden, welche an sich seit Februar 2003 in die Übergangsregierung der DR Kongo eingebunden ist. Die von Jules Mutebuzi und Laurent Nkunda angeführte Fraktion hat am 02.06.2004 mit ca. 4.000 Mann die 500.000 Einwohner zählende Stadt Bukavu kampflos eingenommen, nachdem reguläre Regierungstruppen geflohen waren. Anschließend plünderten und vergewaltigten die neuen Machthaber in der Stadt. Die in Bukavu stationierten 1.060 UN Blauhelmsoldaten haben sich der Einnahme der Stadt nicht widersetzt und werden jetzt in Kinshasa von vielen Demonstranten für die Situation verantwortlich gemacht.
Als Reaktion auf die Nachricht vom Fall Bukavus wurde bereits am Nachmittag des 02.06. das Hauptquartier der MONUC in der Innenstadt von Kinshasa von Demonstranten belagert. Dabei wurden ca. 15 Autos der UN demoliert und 3 Autos verbrannt. Ein ziviler Mitarbeiter der MONUC wurde von der aufgebrachten Menge schwer verletzt. Die Situation verschärfte sich am Donnerstag den 03.06., als Tausende von Studenten und Jugendliche demonstrierend durch Kinshasa zogen, um gegen die Untätigkeit der MONUC und der Regierung zu demonstrieren. Auf der „Hauptstrasse Kinshasas“, dem Boulevard du 30. Juin, lieferte sich die Polizei stundenlange Starßenkämpfe mit randalierenden Jugendlichen. Den ganzen Tag war Gewehrfeuer in der Stadt zu hören. Die Demonstranten errichteten Straßensperren aus brennenden Reifen und brachten jeglichen Verkehr zum Stillstand. Die aufgebrachte Menge plünderte das UN Logistik Hauptquartier in Kingabwa sowie Wohnungen und Häuser von ca. 100 MONUC Mitarbeitern. Insgesamt sind 8 Plünderer bei den Unruhen ums Leben gekommen, davon mindestens drei durch UN-Soldaten in Selbstverteidigung. Das Hauptquartier der Europäischen Kommission und Mitarbeiter Internationaler Organisationen wurden mit Steinen beworfen. Am Abend des 03.06. wollten ca. 20 mit Eisenstangen bewaffnete Jugendliche das KAS Büro plündern, konnten aber glücklicherweise von unseren Wächtern überzeugt werden, dass wir nicht mit der UNO verbunden sind. Der Volkszorn richtete sich auch gegen die kongolesische Allparteienregierung, was sich durch die Plünderungen verschiedener Parteizentralen äußerte. Der kongolesische Transportminister Joseph Olengakoy wurde von einem Stein ins Gesicht getroffen, als er die aufgebrachte Menge beruhigen wollte. Am Abend des 03.06. wandte sich Präsident Joseph Kabila in einer Fernsehbotschaft an die Bevölkerung, erklärte die Mobilmachung der Armee und kündigte die Rückeroberung der Stadt Bukavu an. Weiterhin forderte er die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren und die Angriffe auf die MONUC und die anderen internationalen Organisationen einzustellen.
Dementsprechend hatten Polizei und Armee für Freitag den 04.06. die klare Anweisung, Unruhen im Keim notfalls gewaltsam zu unterdrücken. Als die Demonstranten am Morgen Straßenbarrieren errichten wollten, wurden sie von der Polizei durch Schüsse in die Luft vertrieben. Vereinzelte Plünderungsversuche wurden ebenfalls sofort energisch von Polizei und Armee unterbunden. Am Nachmittag herrschte relative Ruhe in Kinshasa. Es gab keinen regulären Verkehr, Geschäfte, Schulen und Büros blieben geschlossen. Am Abend richteten sich Studentenvertreter mit einem Ultimatum an die Regierung. Falls diese bis zum Montag, dem 07.06., die Stadt Bukavu nicht unter ihrer Kontrolle bekomme, würden die Unruhen fortgeführt und sich gegen die Regierung richten. Im Moment ist noch nicht absehbar, ob die Studenten diese Drohung wahrmachen und in wieweit sie dabei mit der Unterstützung der Bevölkerung rechnen können. Es war bei den Demonstrationen am Donnerstag aufgefallen, dass die Studenten relativ friedlich den Protest begonnen hatten, dann aber Gruppen von Jugendlichen und Straßenkindern das allgemeine Chaos zu Plünderungen und Randale genutzt haben. Insofern besteht die Befürchtung, dass erneute Demonstrationen nächste Woche wieder außer Kontrolle geraten könnten. Es scheint indes gewiss, dass es der Regierung nicht bis Montag gelingen wird, Bukavu unter ihre Kontrolle zu bekommen. Dies hat sie in den letzten 4 Jahren nicht geschafft, und wird dies mit Sicherheit nicht an einem Wochenende leisten. Die reguläre kongolesische Armee ist schlecht ausgerüstet, schlecht organisiert und permanent unterbezahlt. Nach noch nicht bestätigten Informationen sieht es eher so aus, dass die Rebellion sich zurzeit auf die Provinz Oriental ausbreitet. Wie sich diese Entwicklungen auf die Transitionsphase insgesamt und die für 2005 geplanten Wahlen auswirken, ist noch nicht abzusehen. Es wird von den Ereignissen der nächsten Wochen abhängen, ob es der kongolesischen Regierung gelingt diese aktuelle Krise unter Kontrolle zu bekommen, oder ob der Transitionsprozess ernsthaft gefährdet ist .