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Parlamentswahlen in Island – Parteien auf der Suche nach parlamentarischer Mehrheit

by Elisabeth Bauer, Kai Gläser

Regierungsbildung könnte viel Zeit in Anspruch nehmen

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Island ist die konservative Unabhängigkeitspartei (Sjálfstæðisflokkurinn) um Ministerpräsident Bjarni Benediktsson trotz Verlusten stärkste Kraft geblieben. Ob er die nächste Regierung anführen wird, ist jedoch ungewiss, da die bisherige Koalition abgewählt wurde, acht Parteien den Einzug ins Parlament schafften und Experten von einer schwierigen und langen Regierungsbildung ausgehen.

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In der Runde der Spitzenkandidaten, die am Wahlabend im isländischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, gab sich Benediktsson dennoch optimistisch und betonte, dass seine Partei, welche im ganzen Land die meisten Stimmen geholt habe, an der nächsten Regierung beteiligt sein sollte . Nach Angaben des isländischen Rundfunks RÚV erhielt seine Partei 25,2% der Stimmen und wird zukünftig mit 16 Sitzen im Parlament (Alþingi) vertreten sein. Im Vergleich zur letzten Wahl vor einem Jahr bedeutet dies einen Rückgang um 3,8% bzw. fünf Parlamentsmandate. Besonders stark waren die Wahlergebnisse der Unabhängigkeitspartei im Süden und Südwesten des Landes, während sie in beiden Wahlkreisen der Hauptstadt Reykjavik knapp unter dem Landesdurchschnitt lagen.

Regierungskoalition verfehlt parlamentarische Mehrheit deutlich

Mit den ersten Hochrechnungen wurde jedoch ebenso deutlich, dass die rund 248.000 wahlberechtigen Isländerinnen und Isländer die bisherige Regierungskoalition abgewählt haben. Benediktssons bisherige Koalitionspartner mussten ebenfalls deutliche Verluste hinnehmen, was eine eigene Mehrheit im neu gewählten Parlament unmöglich macht. Die Reformpartei (Viðreisn) kam auf 6,7% (2016: 10,5%) und halbierte ihre Anzahl der Parlamentssitze damit fast. Noch schlimmer kam es für die Partei „Helle Zukunft“ (Björt framtíð), welche das Regierungsbündnis im September aufgekündigt hatte. Sie kam bei der Neuwahl des Parlaments auf nur 1,2% der Stimmen und ist damit nicht mehr im Althing vertreten, für den wie in Deutschland eine Fünf-Prozent-Hürde gilt. Ob die isländischen Konservativen um den amtierenden Ministerpräsidenten neue Koalitionspartner finden werden oder andere Möglichkeiten – etwa eine Minderheitsregierung – in Betracht ziehen, bleibt abzuwarten.

Oppositionskräfte streben politischen Wandel an

Die links ausgerichteten Oppositionskräfte konnten im Vergleich zum vergangenen Urnengang zwar Stimmen hinzugewinnen, verpassten jedoch ebenfalls eine eigene Mehrheit . Die Links-Grüne Bewegung (Vinstrihreyfingin–grænt framboð) um Spitzenkandidatin Katrín Jakobsdóttir kam auf 16,9% der Stimmen und wurde damit zweitstärkste politische Kraft. Deutliche Zugewinne konnte zudem die Sozialdemokratische Allianz (Samfylkingin) verzeichnen, die ihr Ergebnis von 2016 mit 12,1% der Stimmen mehr als verdoppelte. Dagegen musste die Piratenpartei deutliche Verluste hinnehmen und wird im neuen Althing nur noch mit 9,2% der Stimmen und sechs Sitzen vertreten sein (2016: 14,5% und zehn Sitze) . Trotz der nicht vorhandenen Mehrheit zeigte sich auch Oppositionsführerin Jakobsdóttir am Wahlabend zuversichtlich eine Regierung bilden zu können, um einen politischen Wechsel auf der Vulkaninsel einleiten zu können.

Ehemaliger Ministerpräsident mit politischem Comeback

Neben den genannten politischen Kräften schafften drei weitere Parteien den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, sodass erstmals in der rund 100-jährigen Geschichte des unabhängigen Islands acht Parteien im Parlament vertreten sein werden. Die neu gegründete Zentrumspartei (Miðflokkurinn) um den ehemaligen Ministerpräsidenten Sigmundur Davíð Gunnlaugsson kam aus dem Stand auf 10,9% der Stimmen und wird mit sieben Sitzen im Parlament vertreten sein. Gunnlaugsson musste 2016 im Zuge der Veröffentlichung der sogenannten „Panama Papers“ zurücktreten, da sein Name mit Offshore-Konten in der Karibik in Verbindung gebracht wurde. Durch die Rückkehr ins Parlament feiert der 42-jährige nun nur wenige Monate später sein politisches Comeback. Knapp dahinter landete die Fortschrittspartei (Framsóknarflokkurinn) mit 10,7% der Stimmen. Ebenfalls erstmals im Parlament vertreten ist die Volkspartei (Flokkur fólksins), die 6,9% der Stimmen auf sich vereinen konnte und somit vier Volksvertreter stellen wird.

Vertrauensbruch in Regierung als Grund für Neuwahlen

Die vorgezogene Neuwahl war nötig geworden, da die bisherige Regierungskoalition aus Unabhängigkeitspartei, Reformpartei und „Helle Zukunft“ im September aufgrund eines Skandals im Zusammenhang mit der „Wiederherstellung der Ehre“ eines Sexualstraftäters zerbrochen war. Der Vater von Ministerpräsident Benediktsson hatte sich in einem Schreiben an das ebenfalls von der Unabhängigkeitspartei geführte Justizministerium für die Löschung des Strafregisters eines verurteilten Sexualstraftäters eingesetzt. Eine solche „Wiederherstellung der Ehre“ war zu diesem Zeitpunkt in Island zwar möglich, die Tatsache, dass die Urheberschaft des Schreibens seitens der Unabhängigkeitspartei zurückgehalten wurde, veranlasste die Partei „Helle Zukunft“ jedoch dazu, die Regierung zu verlassen. In der letzten Sitzung vor den Neuwahlen entschied sich die Mehrheit der Abgeordneten im isländischen Parlament für die Abschaffung des sowohl politisch, als auch gesellschaftlich umstrittenen Verfahrens und schloss ähnliche Fälle für die Zukunft damit aus.

Island auf der Suche nach politischer Stabilität

Nach den zweiten vorgezogenen Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres sucht das Land am Polarkreis weiterhin nach politischer Stabilität in unruhigen Zeiten. Nach den vergangenen Wahlen hatte es mehr als drei Monate gedauert, ehe sich drei Parteien zusammenfanden, die eine parlamentarische Mehrheit hinter sich bringen konnten. Experten zu folge könnten die nun anstehenden Verhandlungen für eine Regierungsbildung aufgrund der veränderten Ausgangssituation noch komplexer und langwieriger werden. Wer der nächsten isländischen Regierung vorstehen wird und welche Parteien daran beteiligt sein werden, ist nach dem Wahltag in Island noch völlig offen. Staatspräsident Guðni Th. Jóhannesson empfing in den Tagen nach der Wahl die Spitzenkandidaten der im neuen Parlament vertretenen Parteien, um den Regierungsbildungsprozess in Gang zu setzen. In den kommenden Tagen und Wochen werden nun sowohl das konservative Regierungsbündnis als auch die links-grün ausgerichtete Opposition versuchen, eine tragfähige Mehrheit im Althing zu erreichen. Von einer stabilen Regierung, die sich Umfragen zu folge die meisten Isländer wünschen, scheint das Land jedoch nach wie vor entfernt zu sein.

Wahlbeteiligung leicht gestiegen

Trotz oder gerade wegen der politischen Turbulenzen der vergangenen Monate und Jahre lag die Wahlbeteiligung mit 81,2% erneut deutlich über dem europäischen Durschnitt. Im Vergleich zu den vergangenen Parlamentswahlen, bei denen mit einer Wahlbeteiligung von leicht über 79% ein historischer Tiefstand erreicht worden war, ergab sich somit ein leichter Anstieg.

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Bjarni Benediktsson, Premierminister von Island ©UN Women/Flickr/CC-BY-NC-ND 2.0

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