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Die international anerkannte bisherige Finanzministerin Brigita Schmögnerová wurde zunächst von ihrer eigenen Partei zum Rücktritt aufgefordert. Die Partei der Demokratischen Linken (SDL) wollte damit acht Monate vor der nächsten regulären Parlamentswahl noch die letzten Wahlchancen retten.
Der von Schmögnerová vertretene rigorose Sparkurs habe dem Image der Partei geschadet, lautete die Begründung der Parteiführung. Die von ehemaligen Reformkommunisten 1991 gegründete SDL ist zwar die zweitgrößte slowakische Regierungspartei, erreicht aber in Meinungsumfragen zurzeit nur etwa drei Prozent an Wählerstimmen. Fünf Prozent sind notwendig, um überhaupt in das Parlament einziehen zu können.
Schmögnerová selbst weigerte sich aber anfangs, der Rücktrittsaufforderung nachzukommen. Premierminister Mikulás Dzurinda lehnte es überraschend ab, sie zu entlassen. Dabei hatte SDL-Parteivositzender Koncos bereits Frantisek Hajnovic als Nachfolger der Öffentlichkeit vorgestellt. Aus Protest gegen Dzurindas Weigerung erklärte die SDL daraufhin, sich an keinen Koalitionssitzungen mehr zu beteiligen, bis der "Fall Schmögnerová" gelöst sei.
Gemäß Koalitionsvertrag steht nämlich nur der SDL die Führung des Finanzministeriums zu. Dzurinda verstieß mit seiner Weigerung gegen die Koalitionsvereinbarung und wurde dafür nicht nur von der SDL, sondern auch von anderen Koalitionspartnern kritisiert. Die Sympathie vieler Wirtschaftsexperten hatte er aber dennoch auf seiner Seite.
Schmögnerová ist nämlich international anerkannt und hatte im Jahr 2000 sogar als erste Frau die begehrte Auszeichnung "bester Finanzminister der Welt" der renommierten Londoner Finanzzeitung "Euromoney" erhalten. Ein Wechsel an der Spitze des Finanzressorts so kurz vor wichtigen Entscheidungen könne ausländische Investoren ebenso wie Diplomaten verunsichern, warnten politische Beobachter.
So entscheidet im November 2002 der NATO-Gipfeltreffen in Prag auch über die Aufnahme der Slowakei und anderer ehemals kommunistischer Staaten in das Nordatlantische Bündnis. Und zum Jahresende soll der letzte Fortschrittsbericht im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union vorgelegt werden, bevor dann das eigentliche Beitrittsverfahren eingeleitet wird.
Um nicht für ein Auseinanderbrechen der Regierungskoalition verantwortlich gemacht zu werden, gab Schmögnerová schließlich nach und reichte am 28. Januar selbst ihren Rücktritt ein. Am darauf folgenden Tag konnte so der 52-jährige Frantiek Hajnovic von Staatspräsident Rudolf Schuster zum neuen Finanzminister ernannt werden.
Hajnovic war bisher Leiter der Abteilung für volkswirtschaftliche und währungspolitische Studien der Slowakischen Nationalbank. Auch er gehört der SDL an, ist aber politisch bisher nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Zuletzt war in den Medien der Verdacht aufgetaucht, er könnte vor der Wende Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes StB (Státna bezpecnost - Staatssicherheit) gewesen sein. Er selbst wies diesen Verdacht aber noch vor seiner Ernennung zurück: Er sei lediglich im Jahr 1986 von der StB verhört worden, weil er zu einem Studienaufenthalt in die USA gereist sei. Der Geheimdienst habe danach jedoch an ihm "das Interesse verloren".
Widerstand gegen die Privatisierung der "Slowakischen Gasindustrie" (SPP)
Kaum war durch Schmögnerovás Rücktritt der Streit um den Finanzministerposten beigelegt, bedrohte die SDL aber schon von neuem den Fortbestand der Regierungskoalition: Anlass dieser noch nicht völlig beigelegten Krise ist eines der größten Privatisierungsprojekte Mitteleuropas. Die Regierung hatte im vergangenen Jahr - auch mit Zustimmung der SDL - beschlossen, 49 Prozent der "Slowakischen Gasindustrie" (SPP) zu privatisieren.
Die SPP ist nach der russischen Gazprom der größte Gaskonzern Europas und organisiert den Transport von russischem Erdgas über die Slowakei nach Westeuropa. Wegen seiner strategischen Bedeutung müssen laut slowakischem Gesetz 51 Prozent des Unternehmens in staatlicher Hand bleiben.
Nach dem ursprünglichen Regierungsplan sollte aber der künftige private Minderheitseigentümer dennoch alle wesentlichen Entscheidungen für den Konzern fällen können. Der Staat als Mehrheitseigentümer sollte sich demnach mit einem Vetorecht zufrieden geben, falls nationale Interessen berührt würden.
Nun schwenkt aber die SDL um, obwohl bereits das Ausschreibungsverfahren läuft und neun Interessenten ihre ersten unverbindlichen Angebote abgaben. Nach dem Willen der SDL soll nur ein Viertel des Konzerns verkauft werden. Ein weiteres Viertel soll dagegen mit seinen regelmäßigen Gewinnen zur Finanzierung des Rentensystems eingesetzt werden. Die rechtspopulistische Opposition um Ex-Premierminister VladimÃr Meciar (HZDS) hat bereits klargestellt, dass sie den SDL-Vorschlag unterstütze.
In der Regierung dominieren zwar mehrere bürgerliche Rechtsparteien. Im Parlament aber hätten SDL und Opposition gemeinsam eine Mehrheit. Sollte die SDL jedoch mit der Opposition gegen die rechten Regierungsparteien die SPP-Privatisierung blockieren, erwarten Beobachter ein vorzeitiges Ende der Regierungskoalition. Ein Kompromiss zwischen den Regierungsparteien soll im Februar gefunden werden.
Begonnen hat die in Finanzministerwechsel und Privatisierungswiderstand sichtbare Umorientierung der SDL auf einen traditionelleren Linkskurs mit der Wahl von Pavel Koncos zum neuen Parteichef im November 2001. Der damals in einer Kampfabstimmung unterlegene Peter Weiss war früher selbst schon jahrelang Parteichef gewesen und gilt als eigentlicher Gründer der SDL. Da er sich mit der politischen Linie der neuen Parteiführung unter Koncos nicht mehr identifizieren kann, trat Weiss zugleich mit Brigita Schmögnerová am 31. Januar aus der SDL' aus.
Dass weitere Reformer aus der Partei austreten und mit Weiss und Schmögnerová gemeinsam eine neue Partei gründen, gilt als wahrscheinlich. Diese neue Partei würde aber mit dem Handicap starten, dass bis zur nächsten Parlamentswahl (spätestens im September 2002) kaum noch Zeit für den Aufbau einer effizienten Organisation bleibt. Für Weiss spricht hingegen, dass er laut Meinungsumfragen wesentlich populärer ist als alle in der SDL verbliebenen Politiker.
Noch weit populärer als Weiss ist aber der schon 1999 aus der SDL ausgetretene Robert Fico. Seine Partei SMER liegt in Umfragen konstant an zweiter Stelle hinter der HZDS von Ex-Premierminister VladimÃr Meciar. SMER definiert sich als "Partei der Mitte" bzw. "Partei des Dritten Weges" im Sinne von Tony Blair.
Ausdrücklich betont sie aber ihre Distanz zu jedweder Ideologie und versteht sich daher selbst nicht als Linkspartei. Alle anderen Gruppierungen des linken Lagers von der sozialdemokratischen SDSS bis zur altkommunistischen KSS liegen in Meinungsumfragen derzeit deutlich unter der Fünfprozent-Hürde für den Einzug in das Parlament. Somit könnte in der Slowakei bald die für ein postkommunistisches Land untypische Situation entstehen, dass es im Parlament keine einzige Linkspartei mehr gibt.