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Konkret geht es um eine faktische Verwässerung des Straftatbestandes des Amtsmissbrauchs und des Interessenkonfliktes, wie auch um die Abschaffung des Straftatbestandes der dienstlichen Fahrlässigkeit. Die Notverordnung stand nicht auf der öffentlichen Tagesordnung der Kabinettssitzung, die erst um 19.45 Uhr begann. Sie wurde bereits wenige Stunden später, kurz nach 1 Uhr nachts, im Amtsblatt verkündet und soll in zehn Tagen in Kraft treten.
Von den neuen Bestimmungen des StGB würden zahlreiche gegenwärtige oder ehemalige Amtsträger profitieren, darunter der Vorsitzende der regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD), Liviu Dragnea, gegen den wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch bereits ein Strafverfahren läuft. Auch die Strafverfolgung gegen andere hochrangige Politiker würde eingestellt werden müssen, darunter gegen den ehemaligen Vizepremier- und Innenminister Gabriel Oprea, gegen die ehemalige Regionalentwicklungsministerin Elena Udrea oder gegen zwei ehemalige Bürgermeister von Bukarester Bezirken, Marian Vanghelie und Cristian Popescu Piedone. Nach Angaben der Nationalen Antikorruptionsbehörde (DNA) sind insgesamt 2.151 Anklagen wegen Amtsmissbrauch in Arbeit.
Die Verkündung der Notverordnungen durch den Justizminister Florin Iordache (PSD) um ca. 22 Uhr löste in Bukarest und anderen Städten Straßenproteste aus, die bis in die Nacht zum 1. Februar andauerten. Dabei hatte es bereits am 22. und am 29. Januar Demonstrationen im ganzen Lande mit Zehntausenden Protestierenden gegeben, nachdem der Justizminister am 18. Januar Entwürfe für zwei Notverordnungen vorgelegt hatte – neben den Änderungen an StGB und StPO war auch eine breit angelegte Begnadigung vorgeschlagen worden, die nun als Gesetzesentwurf dem Parlament zugeleitet wird.
Das Vorhaben der Regierung wurde von den Spitzenvertretern des Justizwesens scharf kritisiert. Der Generalstaatsanwaltschaft Augustin Lazăr bezeichnete die Notverordnung als „Beleidigung“ der Judikative, während die DNA-Leiterin Laura Codruța Kövesi von einem „abscheulichen“ Vorgehen sprach, das die Effizienz der Korruptionsbekämpfung beeinträchtigen würde. Es handele sich um eine Notverordnung, die gezielt Politiker retten solle. Bereits nach der ursprünglichen Vorlage durch das Justizministerium hatten der Oberste Rat der Magistratur (CSM), die Generalstaatsanwaltschaft und die DNA die vorgeschlagenen Änderungen am StGB und an der StPO kritisiert.
Neben der Zivilgesellschaft hat sich insbesondere Präsident Klaus Iohannis als Verteidiger des Rechtsstaates positioniert und somit die politische Federführung für Gegenmaßnahmen übernommen. Noch am Abend des 31. Januar wurde auf seiner Facebook-Seite eine Erklärung veröffentlicht, in der das Staatsoberhaupt von einem „Trauertag für den Rechtsstaat“ sprach, der einen „starken Schlag von den Gegnern der Justiz, der Gerechtigkeit und des Kampfes gegen die Korruption“ erlitten habe. Iohannis bezeichnete zudem die „Wiederherstellung des Rechtsstaates“ als eigene Mission. Am nächsten Vormittag nahm er an der Sitzung des CSM teil, der einstimmig beschloss, beim Verfassungsgericht das Vorliegen eines verfassungsrechtlichen Konfliktes zwischen der Judikative und der Exekutive anzuzeigen. Iohannis hatte am 22. Januar auch kurzzeitig an den Straßenprotesten in Bukarest teilgenommen, weshalb der PSD-Vorsitzende Liviu Dragnea ihm vorwarf, sich an einem Staatsstreich beteiligen zu wollen. Ferner kündigte der Präsident am 23. Januar an, ein (konsultatives) Referendum zur Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung einzuberufen.
Damit ist ein Konflikt zwischen Regierungsmehrheit und Präsident vorgezeichnet, der tiefgreifende Konsequenzen für die politischen Entwicklungen in Rumänien haben dürfte. Eine weitere Eskalation könnte unter Umständen zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Iohannis führen, wobei der Ausgang des entsprechenden verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Referendums ungewiss wäre – ein Scheitern würde die Legitimität des Präsidenten zuungunsten der PSD untermauern. Die Opposition hat derweil einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von Sorin Grindeanu (PSD) angekündigt, der sowohl von der Nationalliberalen Partei (PNL), als auch von der Union Rettet Rumänien (USR) unterstützt werden soll. Dennoch verfügt das Regierungsbündnis der Sozialdemokraten und der Allianz der Demokraten und Liberalen (ALDE) über eine solide Mehrheit im Parlament.
Vielmehr wird es relevant sein, inwieweit die öffentliche Mobilisierung gegen die geplanten Notverordnungen aufrecht erhalten bleibt. Die PSD ist bekannt dafür, eine gewisse Sorge gegenüber Druck „von der Straße“ zu haben, welcher u.a. im November 2015 zum Rücktritt der Regierung von Victor Ponta geführt hatte, obgleich diese über eine Parlamentsmehrheit verfügte. Sollte Dragnea jedoch seinen Vorstoß zurücknehmen, bekäme er Probleme in den eigenen Reihen, denn viele jetzige und ehemalige Mandatsträger der PSD wären Nutznießer der Notverordnungen. Auch wäre ein Rückzieher ein Zeichen von Schwäche und womöglich der politischen Karriere Dragneas abträglich. Auf jeden Fall dürfte der entbrannte Konflikt um das Thema Rechtsstaatlichkeit die politische Auseinandersetzung in Rumänien mindestens bis zur Präsidentschaftswahl Ende 2019 prägen.