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Lorbeeren gab es schon vor dem Treffen von prominenter Seite. Tommy Koh, ehemals Direktor der in Singapur beheimateten "Asia-Europe Foundation", bescheinigte Bedeutsames: "Das Gipfeltreffen ist ein weiterer Schritt in Richtung auf eine andauernde Partnerschaft, es bringt Vorteile für Asien, Europa und den Rest der Welt". Die Rede ist vom Asien-Europa-Gipfel (Asem).
Zum dritten Mal trafen sich Ende Oktober zehn ostasiatische und fünfzehn europäische Staats- und Regierungschefs zu zweitägigen politischen und wirtschaftlichen Gesprächen. Lediglich Griechenland, die Philippinen und Vietnam hatten ihre Außenminister bzw. stellvertretenden Premiers geschickt.
Mit dabei auch Romano Prodi, Präsident der Europäischen Kommission. Nach dem Gründungsgipfel in Bangkok im Jahre 1996, gefolgt von London 1998, war dieses Mal die südkoreanische Hauptstadt Seoul Schauplatz des Treffens. Erklärtes Ziel nach eigenem Bekunden: man wolle der Zusammenarbeit zwischen Asien und Europa neues Leben einhauchen.
Politische Lage Koreas dominiert den Gipfel
Dem Asem-Gipfel stand der südkoreanische Präsident Kim Dae Jung als Gastgeber vor. Für ihn hätte der Zeitpunkt dieses Treffens nicht besser sein können. Eine Woche zuvor hatte er den Friedensnobelpreis wegen seiner Verdienste um die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel verliehen bekommen.
Da verwunderte es denn auch nicht, dass in Seoul das Thema Nordkorea die meisten Schlagzeilen machte. "Natürlich hat der Fall Korea den Dialog dominiert", meinte ein Gipfelteilnehmer, wenn auch hinter den Kulissen zu hören war, dass eine Reihe von südostasiatischen Staaten von dieser Überbetonung nicht allzu begeistert gewesen seien. Gar einen "historischen Moment" sah Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Allerdings: die Europäische Union spielte wieder einmal in der Außenpolitik keine besonders rühmliche Rolle, denn eine abgestimmte Politik gegenüber dem Regime in Pjöngjang kam nicht zustande.
Deutschland, Großbritannien, Spanien, Belgien und die Niederlande kündigten an, diplomatische Beziehungen mit Nordkorea aufnehmen zu wollen.
Der französische Staatspräsident Jacques Chirac, in seiner Eigenschaft als derzeitiger Ratspräsident der Europäischen Union, äußerte sich verwundert über die Politik seiner europäischen Nachbarn.
Für Frankreich käme ein solcher Schritt erst dann in Frage, wenn die nordkoreanische Regierung die Menschenrechte akzeptiere und kontrollierbar ihr Raketen- und Atomwaffenprogramm einfriere. "Zweifelsohne handelt es sich beim nordkoreanischen Regierungssystem nach wie vor um eine Diktatur", so Chirac über den ehemaligen Erzfeind Südkoreas im Norden.
Insgesamt machte das ziemlich diffuse Erscheinungsbild der europäischen Staaten große Schlagzeilen. So meinte denn auch Niederlands Ministerpräsident Kok enttäuscht: "In Europa sollten wir an einem Strang ziehen".
Und dies vor allem bei einem Thema, bei dem es grundsätzlich kaum eine Meinungsverschiedenheit unter den Europäern gibt.
Der politische Kurs lautet: Südkoreas Präsident Kim Dae Jung hat Unterstützung verdient und Pjöngjang muss aus seiner gefährlichen Isolation an den Verhandlungstisch geholt werden.
Amerikanische Initiativen gegenüber Nordkorea
In Seoul ist man sichtlich bemüht, die politische Initiative in Sachen Nordkorea nicht aus der Hand zu geben. Mit dem Besuch Kim Dae Jungs in Pjöngjang im vergangenen Juni und dem historischen Handschlag mit Nordkoreas Kim Jong Il war der Durchbruch gelungen.
So fielen denn auch die Kommentare zur Reise der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright nach Pjöngjang - immerhin der erste Besuch eines Mitglieds der US-Regierung im kommunistischen Nordkorea seit gut einem halben Jahrhundert - zurückhaltend aus.
Albright war zwei Tage nach dem Asem-Gipfel zu Gesprächen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il zusammengekommen.
Dabei ging es um einen möglichen Besuch des amerikanischen Präsidenten Bill Clintons in Nordkorea. Beide Länder hatten nach dem Ende des Koreakrieges im Jahre 1953 keinen offiziellen Kontakt.
Die USA lockerten im Herbst 1999 ihre Wirtschaftssanktionen, als Nordkorea sich verpflichtete, sein Testprogramm für Langstreckenraketen einzufrieren. Nahrungshilfen aus dem Ausland lindern die größte Not in einem Land, das seine eigene Bevölkerung nicht ernähren kann.
Laut Schätzungen werden von den 23 Millionen Nordkoreanern rund acht Millionen durch Hilfen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen versorgt.
Nordkorea feiert derweil das "Ende des Kalten Krieges" auf der Halbinsel, möglich gemacht auch von Kim Jong Il, der von der alten Forderung Nordkoreas abgerückt war, dass der Prozess der Entspannung mit dem Abzug aller amerikanischen Streitkräfte beginnen müsse.
Die knapp 40 000 in Südkorea stationierten US-Soldaten sind das größte Truppenkontingent Washingtons in Asien.
Hochgesteckte Erwartungen
Jedoch stand nicht nur die politische Lage auf der koreanischen Halbinsel auf der Tagesordnung des dritten Asem-Gipfels. Die Erwartungen waren hochgesteckt.
Asien will mit intensiveren politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Europa seine wirtschaftliche Abhängigkeit von Japan und den USA minimieren.
Der erst fünf Jahre alte Asem-Prozess war 1996 u.a. von Helmut Kohl, Jacques Chirac, Ryutaro Hashimoto und Indonesiens Präsident Suharto gegründet worden, um ein Rahmenwerk für Handel und Sicherheitsfragen zu schaffen.
Zwei Jahre später in London wurde das Treffen von der tiefgreifenden Asienkrise überschattet, die viele Länder in der Region an den Rand des Abgrundes gebracht hatte.
Jetzt haben viele der asiatischen Länder wirtschaftlich wieder Fuß gefasst und blicken auf stattliche Wachstumsraten. Europa hat sich zur Wirtschafts- und Währungsunion zusammengeschlossen, der "Euro" steht vor der Tür.
Da ist es für beide Kontinente wichtig, international zusammenzuarbeiten, um den Handel zu verstärken, die Investitionen zu erhöhen und über Bildungs- und Technologiefragen intensiver ins Gespräch zu kommen.
Aber nicht nur Wirtschaftsthemen bilden die Grundlage für Asem. Schon seit dem Beginn der Treffen in Bangkok war man - wenn auch unausgesprochen - politisch daran interessiert, den USA mit Ostasien und Europa zwei weitere Eckpfeiler im internationalen Kräftespiel hinzuzufügen.
Wenig konkrete Ergebnisse
Man wolle - so hieß es im Vorfeld des Gipfeltreffens - wichtige Antworten, beispielsweise auf die Nachteile der Globalisierung geben, sich über die Auswirkungen der Asienkrise Gedanken machen, Lösungsvorschläge unterbreiten, wie die Ölzufuhr in Zeiten steigender Preise gesichert werden könnte, und Austauschprogramme für Studenten und Wissenschaftler auflegen. Letztlich wurde es jedoch wenig konkret, allzu vieles blieb an der Oberfläche.
Das Treffen unter dem Titel "Partnership for Prosperity and Stability in the New Millennium" hatte über weite Teile Züge einer Generaldebatte. Viele Punkte wurden angesprochen, allerdings oft in blumiger Allgemeinheit und Unverbindlichkeit. Um alles auf einen Nenner zu bringen bzw. alle Akteure in einem Boot zu versammeln, suchte man zu oft Zuflucht bei leeren Formeln.
Man feierte die Wiedergenesung Asiens nach der Wirtschaftskrise, stellte sich selbst und dem Asem-Prozess hervorragende Noten aus, äußerte sich besorgt über die steigenden Ölkosten und war sich einig darin, dass "der stetige Zufluss von Energie lebenswichtig für das langfristige Wachstum aller Asem-Partner und der ganzen Welt ist".
Es wimmelt von Allgemeinheiten: man ist entschlossen, "globale Themen von gemeinsamen Interesse" anzugehen, und dann folgt eine simple Aufzählung weltweiter Übel wie internationaler Terrorismus, Drogen, AIDS etc. Da ist die Rede von "fruchtbaren Diskussionen", von "Beiträgen zum gegenseitigen Verständnis".
Die Gipfelteilnehmer betonen, unterstreichen, intensivieren, sind sich ohne Unterlass einig und heißen willkommen - und alles von Osttimor über den Kosovo, den Nahen Osten und das Gipfeltreffen der Vereinten Nationen wird gestreift. Besorgt ist man auch: Abrüstung, Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, Atomteststoppabkommen, ABC-Waffen generell, Minen - kein Thema wird ausgelassen.
Und dann schließt dieser Absatz in der Abschlusserklärung unter der Überschrift "Politischer Dialog" mit dem fulminanten Satz: "Die Staats- und Regierungschefs sind sich darüber einig, dass die sich schnell wandelnde Welt beachtliche Herausforderungen an die gesamte internationale Gemeinschaft stellen". Wenig konkrete Signale eines Treffens, das eher ein Sammelsurium von Unverbindlichkeiten und diplomatischen Wortspielen war.
Gerade dies scheint man aber auch in Gipfelkreisen erkannt zu haben, ist doch beim nächsten Treffen in Kopenhagen in zwei Jahren geplant, zwar der tagespolitischen Aktualität wieder Platz einzuräumen, sich jedoch vor allem auf ein bis drei Themen zu konzentrieren, um inhaltsleere Generaldebatten zu vermeiden.
Erklärung über Menschenrechte
Für Kim Dae Jung sind zwei Errungenschaften des Asem-Gipfels herausragend: die "Seouler Erklärung für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel" und das verabschiedete europäisch-asiatische Kooperationsabkommen 2000 (AECF).
Die Korea-Erklärung unterstützt den Friedensprozess und unterstreicht die Wichtigkeit intensiverer Kontakte der Asem-Partner mit Nordkorea. Das europäisch-asiatische Kooperationsabkommen ist für den südkoreanischen Präsidenten ein Meilenstein in den Beziehungen der beiden Kontinente.
Dem zehnseitigen Abkommen komme der Charakter eines Grundsatzpapieres für den weiteren Asem-Prozess zu. Da heißt es unter der Überschrift "Eine Vision für das 21. Jahrhundert", die Partner strebten nach Frieden und Stabilität, nach nachhaltiger wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung.
Synergien zwischen Asien und Europa seien von herausragender Wichtigkeit, der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kontinenten werde sich positiv auf Sicherheit, Wohlstand und Entwicklung für alle auswirken. Eilig versichern alle Beteiligten, dass Asem nicht gegen die Vereinigten Staaten gerichtet sei.
Beim Blick auf die umfangreichen Abschlussdokumente fällt noch ein Punkt auf. Stolz vermelden die europäischen Verhandlungspartner, dass es einen wichtigen Fortschritt bei den Diskussionen mit ihren asiatischen Kollegen gegeben habe.
In der 22-seitigen Abschlusserklärung des Gipfels ist erstmalig ein deutlicher Passus über Menschenrechte enthalten. Alle Staaten verpflichten sich im achten Abschnitt, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu verteidigen.
Sie sind "allgemeingültig, unteilbar und bedingen einander", heißt es in dem Kommunique. Gerade dies war in der Vergangenheit bei einigen asiatischen Staaten - allen voran China - immer wieder auf Protest gestoßen.
Ganz ohne Widerstand ist das Thema jedoch auch auf diesem Gipfel nicht über die Bühne gegangen. So berichtet der stellvertretende südkoreanische Minister für politische Planung, Choi Young Jin, von "lebhaften Diskussionen" und "unterschiedlichen Denkweisen" zwischen Europäern und Asiaten in dieser Frage.