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Die umweltfeindliche Politik des amerikanischen Präsidenten hat negative Auswirkungen auf die transatlantische Zusammenarbeit, sowohl in außenpolitischen als möglicherweise auch in Wirtschaftsfragen. Die gute Nachricht: Trotz der Haltung der US-Administration bleiben die Ziele des Pariser Klimaabkommens für viele Akteure in den USA ein wichtiges Anliegen, was internationale Kooperationen ermöglicht.
Unterschiedliche Zielsetzungen
Europas und Amerikas klima- und umweltpolitische Ziele laufen gegenwärtig auseinander. Während sich europäische Entscheidungsträger durchaus dem wissenschaftlichen Konsens anschließen, dass die gegenwärtige globale Erwärmung von Menschen verursacht wird und ernst zu nehmen ist, sind viele Vertreter der US-Regierung und nicht zuletzt der Präsident selber Klimawandelleugner. Die Trump-Administration vertritt dementsprechend die Position, dass eine anspruchsvolle Klimapolitik der US-Wirtschaft schadet. Sie ist gerade dabei, die Bemühungen der Obama-Administration in diesem Bereich aufzuweichen oder rückgängig zu machen.
Pittsburgh, nicht Paris
Auf der transatlantischen Ebene wurde die Kluft zwischen der amerikanischen und der europäischen Perspektive am 1. Juni 2017 besonders deutlich, als der US-Präsident ankündigte, sein Wahlversprechen halten und die USA aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen zu wollen. Trumps Kommentar, er sei gewählt worden, um die Bürger von Pittsburgh, nicht von Paris, zu vertreten, sorgte in Europa für Furore. Das war insbesondere in Frankreich der Fall, zumal Präsident Macron enorme diplomatische Anstrengungen im Vorfeld der Ankündigung ergriffen hatte, um eine solche Entwicklung zu vermeiden.
Der amerikanische Exit-Prozess wird wegen langer Kündigungsfristen, die im Pariser Klimaabkommen geregelt sind, frühestens am 4. November 2020 (einen Tag nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen!) abgeschlossen sein. Donald Trump hat allerdings am 1. Juni 2017 klar gemacht, dass die US-Regierung alle Maßnahmen zur Umsetzung des Klimaabkommens sowie die US-Zahlungen an den Green Climate Fund, den Klimafonds der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (VN), sofort einstellen werde.
Im Gegensatz zur europäischen Einstellung wird „grünes“ Wachstum von der derzeitigen amerikanischen Regierung nicht als eine ernstzunehmende Strategie betrachtet, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, Investitionen zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der USA weltweit zu stärken. Das Verhältnis zwischen Wachstum und Umweltschutz wird von der Trump-Administration eher als Nullsummenspiel angesehen. Dementsprechend sollen Umweltstandards gesenkt werden, um die US-Wirtschaft zu fördern. Außerdem werden US-Beiträge an internationale Organisationen wie die VN, die Projekte im Ausland finanzieren, um Treibhausgasemissionen zu mindern und die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu verbessern, als großzügige Geschenke betrachtet. Washington möchte dieses Geld im Inland investieren – da, wo es den Amerikanern wirklich zu Gute kommt, so die Trump-Administration.
Strategische Risiken
Damit stehen auch die Analysen bezüglich der sicherheitspolitischen Dimension der Klima- und Umweltfragen in Europa und in den USA im scharfen Kontrast zueinander.
Die Folgen der Erderwärmung werden in der Europäischen Union (EU) als eine akute Bedrohung wahrgenommen. Die Globale Strategie der EU von Juni 2016, die die Orientierung für die Außen- und Sicherheitspolitik der Union vorgibt, bezeichnet den Klimawandel – neben dem Terrorismus, hybriden Bedrohungen und Energieversorgungsunsicherheit – als eine gegenwärtige und künftige Gefahr für die Bevölkerung in Europa.
Auf der anderen Seite des Atlantiks wird der Klimawandel nicht mehr zu den „top strategic risks“ für die Interessen der USA gezählt. Das Wort „Klimawandel“ wird in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA, die die Trump-Administration im Dezember 2017 veröffentlicht hat, nicht erwähnt. Klimafragen werden in diesem Dokument lediglich im Zusammenhang mit Energiefragen diskutiert: „Climate policies will continue to shape the global energy system. U.S. leadership is indispensable to countering an anti-growth energy agenda that is detrimental to U.S. economic and energy security interests. Given future global energy demand, much of the developing world will require fossil fuels, as well as other forms of energy, to power their economies and lift their people out of poverty.” Im US-Verteidigungsministerium sind klimabedingte Risiken in der Arktis derzeit wohl ein Thema. Diese Risiken werden allerdings vor allem unter dem Blickwinkel der militärischen Interessen der Vereinigten Staaten, nicht der umweltpolitischen Konsequenzen, analysiert.
Industriefreundliche Agenda
Vor diesem Hintergrund hat die Trump-Administration seit Januar 2017 viele Maßnahmen ergriffen, um die amerikanische Kohle-, Öl- und Gasbranche zu “entfesseln” sowie bestehende Umwelt- und Klimaauflagen zu deregulieren. Beispielweise hat sie den Weiterbau der umstrittenen Keystone XL-Pipeline genehmigt. Zwei Naturschutzgebiete in Utah („Bears Ears“ und „Grand Staircase - Escalante“) sind verkleinert worden, um die Suche nach Bodenschätzen und Fracking zu ermöglichen. Insgesamt sollen 27 Nationalparks überprüft werden. Im April 2017 hat der Präsident zudem eine Exekutivanordnung unterschrieben, die die Genehmigung von Offshore-Bohrungen nach Öl und Gas in Gewässern des Bundes vorsieht. Die strengen Sicherheitsauflagen der Obama-Administration nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko im Jahr 2010 seien eine unnötige Bürde für die Industrie, so die Begründung. Außerdem hat die US-Regierung im Mai 2018 das Carbon Monitoring System der NASA beendet. Mit diesem Programm konnte weltweit geprüft werden, ob sich die Unterzeichnerstaaten des Pariser Abkommens an die Vereinbarungen halten und ihre Kohlenstoffemissionen kürzen.
Neueste Entwicklungen könnten potentiell weitreichende Folgen haben. Am 2. August 2018 hat die US-Regierung einen Plan vorgelegt, um die von der Obama-Administration eingeführten strengen Emissionsvorgaben für Fahrzeuge aufzuweichen. Bundesstaaten mit höheren Ansprüchen wie Kalifornien soll künftig nicht mehr erlaubt werden, ihre eigenen Regeln zu haben. Ziel sei es, betont die Administration, die Fahrzeuge preiswerter zu machen, sodass sich amerikanische Familien wieder neue und sichere Autos leisten können.
Darüber hinaus kündigte die Administration am 22. August 2018 eine Aufweichung der Emissionsregeln für Kohlekraftwerke an. Die Affordable Clean Energy (ACE) Rule soll den Clean Power Plan (CPP) von 2015 ersetzen. Hierbei handelt es sich um eine der wichtigsten Errungenschaften der Obama-Ära im Umweltbereich und den Grundpfeiler der Vorgängerregierung, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Mit der neuen Strategie soll laut der Umweltschutzbehörde (EPA) der Kohlendioxidausstoß der Kohlekraftwerke bis 2030 um bis zu 1,5 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden. Der CPP von Obama – der aufgrund juristischer Anfechtungen noch nicht in Kraft getreten ist – strebt seinerseits eine Verringerung der CO2-Emissionen um 32 Prozent im selben Zeitraum an. Donald Trump will mit seiner Initiative den „Krieg gegen die Kohle“ in den USA beenden. Seine Hoffnung ist es, dass dadurch Arbeitsplätze in der Kohleindustrie gerettet werden können.
Herausforderungen für die transatlantische Zusammenarbeit
Das Leugnen der klimapolitischen Herausforderungen bzw. der Fatalismus der US-Regierung gegenüber dem Klimawandel sorgt in Europa für Verärgerung. Die Entscheidungen der Trump-Administration in diesem Bereich haben aber auch politische und potentiell ebenfalls wirtschaftliche Folgen für die transatlantische Beziehung.
Politischer Alleingang mit weitreichenden Konsequenzen
In der EU wird mit großer Sorge beobachtet, dass Donald Trumps Ankündigung des Rückzugs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen das falsche Signal an die Welt sendet und die diplomatischen Anstrengungen vieler Jahre gefährdet. In der Tat stellt das Center for Strategic and International Studies (CSIS) nur 15 Monate nach dieser Entscheidung fest, dass die Sorgen berechtigt sind. So seien kritische Äußerungen von hochrangigen Politikern in der kanadischen Provinz Ontario, in Australien und in Brasilien, die in den letzten Monaten gegenüber dem Pariser Abkommen geäußert wurden, zum Teil direkt von dem amerikanischen Beispiel inspiriert worden.
Auch die schwierigen Verhandlungen während der letzten UN-Klimakonferenz im September 2018 in Bangkok haben gezeigt, dass Solidarität unter transatlantischen Partnern nicht mehr selbstverständlich ist. Besonders problematisch ist, dass die Amerikaner schon lange zugesagte finanzielle Hilfen an Entwicklungsländer zur Implementierung des Klimaabkommens verweigern und somit zusätzlich Druck auf die weiteren Staaten des Nordens, allen voran die EU, setzen.
Insofern bestätigt das graduelle klimapolitische Disengagement der US-Regierung im In- und Ausland, was schon im Sommer 2017 von US-Experten befürchtet wurde: Im Klimabereich gibt es seitens der USA keinen Gemeinschaftssinn mehr mit anderen Staaten. Max Boot vom Council on Foreign Relations (CFR) schrieb im Juni 2017, dass Donald Trump mit seinem Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen eine provokative Botschaft von politischem Alleingang an die Europäer sende. Die Sicherheitsexperten der RAND Corporation und des Atlantic Councils bewerten den US-Austritt als einen strategischen Fehler, denn er werde insbesondere die Zusammenarbeit mit den Alliierten der Vereinigten Staaten in vielen kritischen Fragen der Außenpolitik und der nationalen Sicherheit erschweren.
Fest steht jedenfalls, dass die klimapolitischen Entscheidungen in Washington den ersten konkreten Rückschlag für die transatlantische Beziehung im Zeitalter der Trump-Administration darstellten. Darauf folgten weitere Spannungen, u.a. in Bezug auf die Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem, die Überprüfung des Iran-Deals (JCPOA), die Nordkorea-Krise, die Straffzölle auf Stahl und Aluminium und nicht zuletzt die Verteidigungsausgaben der Europäer. Jedes Thema ist spezifisch und verlangt seine eigenen Antworten von beiden Seiten des Atlantiks. Der US-Rückzug aus dem Pariser Abkommen hat aber mitnichten dazu beigetragen, das Vertrauen und den Kooperationswillen zwischen der US-Administration und den europäischen Regierungen in allen diesen Außen- und Sicherheitsfragen zu stärken.
Nächste Etappe: Ein Grenzausgleich für Kohlenstoffemissionen?
Die aktuelle Klimapolitik der US-Regierung könnte in Zukunft ebenfalls negative Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU haben.
In amerikanischen Think Tanks wird die Idee regelmäßig diskutiert, dass ausländische Regierungen auf die Umweltpolitik der US-Administration mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren könnten. Ziel wäre es, die Vereinigten Staaten davon abzuhalten, ohne Klimaziele einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. So könnten Handelspartner der USA – nicht zuletzt die EU-Staaten – Mechanismen zum Kohlenstoffausgleich, etwa in Form von Straffzöllen, einführen. David Livingston vom Atlantic Council spricht in diesem Fall von der Gefahr eines „grünen Protektionismus“.
Expertern des CSIS halten eine solche Entwicklung für möglich: Das Zusammenbrechen der internationalen Kooperation im Rahmen des Pariser Klimaabkommens könnte zu einer Situation führen, in der sich umweltfreundliche Staaten mit Außenhandelsinstrumenten gegen umweltfeindliche Länder wenden. Eine solche Entwicklung auf der transatlantischen Ebene wäre weder für die USA noch für die transatlantischen Partner wünschenswert. Nach dem Dieselskandal wäre insbesondere für Deutschland diese Entwicklung sehr heikel.
Hinzu kommt, dass die Reduktion von öffentlichen Förderungen für Forschung, Innovation und Patenten im Bereich der so genannten sauberen Energiequellen zu einem Wettbewerbsnachteil der US-Energiebranche gegenüber ausländischen Konkurrenten führen könnte. Laut Richard Morningstar vom Atlantic Council werde der Austritt aus dem Klimaabkommen daher dazu führen, dass die USA die Führung im Bereich des Klimas und der neuen Technologien an China und Europa abtreten. Beispielsweise denken einige Beobachter, dass die EU bald die Führung in Bezug auf ein Satellitensystem zur Überwachung der weltweiten Kohlenstoffemissionen übernehmen wird. Somit könnten in Zukunft Spannungen zwischen den USA und Europa im Bereich Klimaforschung und Innovation entstehen.
Potential für Kooperation zwischen Europäern und Amerikanern
Dieses düstere Bild der transatlantischen Lage stellt allerdings nur einen Teil der Realität dar. Trotz der aktuellen Entscheidungen der US-Administration ist das Ende einer aktiven Klima- und Umweltpolitik in den USA nicht in Sicht. Amerikaner und Europäer können insofern weiterhin an gemeinsamen Zielen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen arbeiten. Unter anderem aus folgenden Gründen ist das Glas auch halb voll:
Die Trump-Agenda ist noch nicht Realität
Spektakuläre Ankündigungen allein machen keine Politik aus. Viele Punkte der Umwelt- und Energieagenda von Donald Trump werden von US-Experten als nicht zielführend oder als schwer durchsetzbar betrachtet.
Dies gilt u.a. für die angestrebte Wiederbelebung der Kohleindustrie. Vor allem billiges Erdgas infolge der „Schieferrevolution“ führt zum Rückgang des Bergbaus in Amerika, betonten Experten des Breakthrough Institute in Foreign Affairs im Januar 2017. Auch ohne den Clean Power Plan werde sich dieser Trend fortsetzen. Kohle sei nicht mehr wettbewerbsfähig in den USA. Laut dem CSIS sind Erdgas und die erneuerbaren Energien die Energiequellen, die am schnellsten wachsen. Allein die Solarbranche und die Windindustrie schaffen Jobs zwölf Mal schneller als der Rest der US-Wirtschaft, unterstreicht das World Ressource Institute. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Entwicklungen – die nichts mit strengen Umweltauflagen zu tun haben – wurden seit 2010 bereits über 200 Kohlekraftwerke geschlossen. Der Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen, so der Konsens in der Gemeinschaft der Energieexperten. Damit werden die Treibhausemissionen im Kohlebereich selbstständig sinken.
Außerdem werden viele angekündigte Deregulierungsmaßnahmen der Trump-Regierung derzeit juristisch angefochten, was deren Implementierung verzögert oder gar komplett in Frage stellt. So hat beispielsweise ein amerikanisches Bundesberufungsgericht am 9. August 2018 ein Verbot für Chlorpyrifos angeordnet, nachdem die EPA versucht hat te, den weiteren Verbrauch dieses Pestizids in der Agrarwirtschaft durchzusetzen (Chlorpyrifos wird mit neuronalen und anderen Entwicklungsproblemen bei Kindern in Verbindung gesetzt). Anfang Juli 2017 hatte ein weiteres Bundesberufungsgericht die Umweltbehörde davon abgehalten, ein Gesetz aus der Obama-Ära zur Begrenzung der Methanemissionen aus neuen Öl- und Gasquellen auszusetzen. Auch der US-Senat hatte bereits im Frühjahr 2017 Deregulierungsmaßnahmen für Methanemissionen sowie Mittelkürzungen für Forschung im Bereich der sauberen Energien abgelehnt. Für die neuesten Initiativen der US-Regierung in Bezug auf den Kohlendioxidausstoß von Fahrzeugen und Kohlekraftwerken laufen bereits juristische Anfechtungen. Eine langfristige Umsetzung dieser umweltfeindlichen Entscheidungen ist daher zurzeit ungewiss. Experten gehen davon aus, dass der juristische Prozess Jahre dauern könnte.
Tatsache ist, dass die US-Regierung – nach Urteilen des Obersten Gerichtshofs der USA – gezwungen ist, sich an die klimapolitischen Ziele des Clean Air Act zu halten. Juristen betonen daher, dass die Trump-Administration bestehende Gesetze zum Schutz der Luftqualität nicht aufheben kann, ohne andere klimaschützende Regeln vorzuschlagen.
Die Amerikaner sind grüner als die Regierung
Eigentlich könnte die Trump-Administration mit einer aktiven Umweltpolitik über ihre Kernwählerschaft hinaus politisch punkten. Eine Studie der Yale University von August 2018 belegt, dass 70 Prozent der Amerikaner der Ansicht sind, dass der Klimawandel stattfindet. 57 Prozent sind der Meinung, dass die Erderwärmung menschlich bedingt ist. Diese Entwicklung bereitet 61 Prozent der Befragten Sorgen. Großer Konsens herrscht bei der Frage, ob die Erderwärmung künftigen Generationen schaden wird. Diese Ansicht vertreten 70 Prozent der Amerikaner. Dass Forschung in erneuerbaren Energiequellen finanziert werden sollte, befürworten 85 Prozent der Befragten. Eine generelle Regulierung von CO2-Emissionen unterstützen 77 Prozent. Zudem sollten Unternehmen der fossilen Energiebranche laut 68 Prozent der Befragten eine Kohlenstoffsteuer bezahlen. Last but not least denken laut dieser Studie 70 Prozent der Amerikaner, dass Umweltschutz wichtiger sei als Wirtschaftswachstum.
Ein Großteil der Menschen in den Vereinigten Staaten wollen sich zudem an dem internationalen Kampf gegen Klimaerwärmung beteiligen: Trotz des Rückzugs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen glauben 81 Prozent der Befragten einer Umfrage der Stanford University von Juli 2018, dass die USA versuchen sollten, ihre Treibhausgase zu reduzieren, um die Ziele des Klimaabkommens zu erreichen. Generell beweisen Umfragen der letzten Jahre eine steigende Unterstützung in der US-Bevölkerung für globale Aktionen zum Thema Klimaschutz, so Experten der Brookings Institution.
Der Privatsektor setzt auf saubere Technologien
Im Frühjahr 2017 hatten sich viele große Unternehmen wie Walmart, Google, Unilever, darunter auch Energieriesen wie BP, Shell, Exxon Mobile und General Electric, für den Verbleib der USA in dem Pariser Klimaabkommen ausgesprochen. Viele Experten unterstreichen, dass trotz des aktuellen Kurses der US-Regierung insbesondere die Energiebranche an ihren kohlenstoffarmen Investitionen festhält und sich weiterhin für erneuerbare Ressourcen einsetzt.
Hierfür gibt es auch wirtschaftliche Anreize: Saubere Energietechnologien wie Solaranlagen sind jetzt aufgrund von Innovationen und Massenproduktion gegenüber fossilen Energieträgern wettbewerbsfähiger geworden, betonen Analysen von Brookings. Laut Carnegie Endowment for International Peace soll 2016 mehr als die Hälfte der gesamten globalen Investitionen im Energiebereich in saubere Energien geflossen sein. Berechnungen der University of Texas zeigen außerdem, dass Erdgas und Windenergie heutzutage in den meisten Bundesstaaten der USA die billigsten Quellen für zusätzliche Energieerzeugung sind. Laut Brookings konnten bereits mehr als die Hälfte der 50 US-Bundesstaaten ihr Bruttoinlandsprodukt vom Anstieg umweltschädlicher Treibhausgasemissionen entkoppeln. Mehr Wachstum und Beschäftigung führen dort folglich nicht zu mehr Emissionen. Das impliziert, dass, auch wenn die US-Regierung nichts unternimmt, die ökonomischen und technologischen Entwicklungen in der amerikanischen Wirtschaft dazu beitragen werden, die Treibhausgasemissionen des Landes zu verringern.
Die Rebellion der US-Staaten und Städte
Neben der Privatwirtschaft sind auch viele US-Bundesstaaten und einzelne Städte große Hoffnungsträger für die Implementierung des Pariser Klimaabkommens in den USA. Der Grund ist, dass viele Regulierungen im Energiebereich auf der Ebene der Bundesstaaten und Gemeinden festgelegt werden. Die aktuellen Initiativen der Trump-Administration, um bestimmte Entscheidungsbefugnisse in diesem Bereich neu zu verteilen und mehr Einfluss zu gewinnen, sind noch lange nicht erfolgreich. Es sollte also in den nächsten Jahren für die Bundesregierung in Washington schwierig sein, regionale und lokale Akteure davon abzuhalten, eine aktive Klimapolitik zu verfolgen. Diese Akteure sind potentielle Partner der Europäer im Kontext der weltweiten Mobilisierung gegen die Erderwärmung.
Experten wie William W. Buzbee, Professor für Rechtswissenschaft an der Georgetown University, betonen, dass ein großer Teil der Treibhaussenkungen sowie der Innovationen im Bereich saubere Energie und Energieeffizienz auf Initiativen der einzelnen US-Bundesstaaten zurückzuführen ist. Ihre Führungsrolle sollte sich in den nächsten Jahren noch intensivieren, denn die Ankündigung des Austritts der USA aus dem Pariser Klimaabkommen hat in vielen Orten bundesweit einen Proteststurm ausgelöst und die Motivation lokaler Akteure weiterverstärkt. Viele – vor allem demokratische, aber auch mehrere republikanische – Bundesstaaten und Gemeinden haben dementsprechend mit neuen Initiativen zur Senkung der Treibhausgasemissionen auf den aktuellen Kurs der US-Administration reagiert.
Beispielsweise haben mehrere Gouverneure einzelner Bundesstaaten die U.S. Climate Alliance im Juni 2017 gegründet. 16 US-Staaten, Puerto Rico, Hunderte von Städten und fast 2.000 Unternehmen beteiligen sich heute an dieser Initiative. Zusammen vertreten sie 40 Prozent der US-Bevölkerung und eine Wirtschaftsleistung in Höhe von 9 Billionen US-Dollar. In vielen Bereichen wie der Solarenergie, Energieeffizienz, Kohlenstoffspeicherung und emissionsfreie Fahrzeuge sind ihre Vorhaben besonders anspruchsvoll. Die U.S. Climate Alliance hat sich im Rahmen der UN-Klimakonferenz, die im November 2017 in Bonn stattgefunden hat („COP 23“), auch dazu verpflichtet, mit Kanada und Mexiko zusammenzuarbeiten, um die klimapolitischen Bemühungen in Nordamerika zu beschleunigen. Der Gouverneur von Kalifornien hat außerdem einen Global Climate Action Summit Mitte September 2018 in San Francisco u.a. mit der Unterstützung der Vereinten Nationen organisiert. Dieser Gipfel brachte sowohl amerikanische als auch internationale institutionelle und nicht institutionelle Akteure zusammen. Insgesamt wurden vier Milliarden US-Dollar gesammelt, um Projekte gegen Erderwärmung in den nächsten fünf Jahren zu finanzieren.
Auch US-Städte koordinieren sich gegenwärtig, um die klimapolitischen Entscheidungen der Trump-Administration zu konterkarieren. Beispielsweise ist der Verein Mayors National Climate Action Agenda (kurz Climate Mayors) seit Juni 2017 stark gewachsen. Der Verein wurde im Jahr 2014 gegründet, um Städte bei der Implementierung des Pariser Klimaabkommens zu unterstützen. Vor Trumps Ankündigung des US-Rückzugs zählte der Verein 61 Mitglieder. Er vertritt heute 407 Städte, die zusammen 70 Millionen Amerikaner – ca. 20 Prozent der US-Bevölkerung – ausmachen. Von Seattle bis Miami, Minneapolis bis Dallas und New York bis Los Angeles sind die meisten Großstädte des Landes dabei. Neben lokalen Aktivitäten und Vernetzungsarbeit innerhalb der USA möchten die Mitglieder des Vereins auch mit internationalen Partnern zusammenarbeiten: „Wir werden Beziehungen auf der ganzen Welt aufbauen und stärken, um den Planeten vor verheerenden Klimarisiken zu schützen“, so ihr Vorhaben.
Fazit
Der Klima- und Umweltschutz in den USA ist durchaus zukunftsträchtig, wenngleich dieser Bereich keine Priorität für die aktuelle US-Regierung darstellt. Einige Faktoren sind hierbei hervorzuheben: Die Wettbewerbsfähigkeit sauberer Energietechnologien, die Unterstützung einer Mehrheit der Bevölkerung und eines großen Teils des Privatsektors, das Engagement vieler US-Bundesstaaten und Städte – und nicht zuletzt die Grenzen der Exekutivmacht. Ohne Unterstützung der US-Regierung herrscht allerdings Konsens unter den Experten, dass die Vereinigten Staaten nicht in der Lage sein werden, die langfristigen Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
Insgesamt haben der angekündigte US-Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen sowie die industriefreundliche Agenda der Trump-Administration zu politischen Unstimmigkeiten auf der transatlantischen Ebene geführt. Die Spannungen gehen weit über umweltpolitische Themen hinaus und tragen dazu bei, dass sich beide Seiten des Atlantiks in mehreren außen- und sicherheitspolitischen Fragen zurzeit voneinander distanzieren. Auch im Handels- und Innovationsbereich könnten möglicherweise neue Herausforderungen zwischen den USA und Europa entstehen. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn die US-Regierung langfristig tatsächlich jeden Anspruch im Bereich der Senkung von Treibhausgasemissionen aufgeben sollte.
Für die Europäer besteht die beste Herangehensweise momentan darin, weiterhin auf die USA zu setzen. Allerdings sollte der Fokus auf einer Kooperation mit lokalen Akteuren und privaten Unternehmen gelegt werden, um den Klimawandel zu bremsen. Zahlreiche internationale Plattformen in Verbindung mit den Vereinten Nationen oder z.B. dem Global Climate Action Summit von September 2018 in San Francisco bieten die Gelegenheit dazu. Überdies ist es in diesem transatlantischen Kontext um so wichtiger, dass die europäischen Staaten eine Führungsrolle in allen internationalen Gremien – VN, G7, G20 – übernehmen, die sich mit dem Klimawandel befassen. Schließlich sollte Europa gegenüber den USA eine langfristige Strategie verfolgen. US-Investoren setzen derzeit wenig auf umweltschädliche Technologien und spekulieren anscheinend darauf, dass künftige US-Regierungen zu emissionsärmeren Strategien zurückkehren werden. Bessere Zeiten für die transatlantische Regierungszusammenarbeit im Klima- und Umweltbereich sind also nicht ausgeschlossen.