Ob wir heute nicht in „bildungsferneren Zeiten“ lebten, fragte ein Zuhörer nach der Lesung von Hans Pleschinski. Der Autor war um eine Antwort nicht verlegen. Man könne von Bildung nie genug bekommen, wenn Geist und Seele bei der Sache seien.
Von einer eindringlichen Bildungsgeschichte hatte Hans Pleschinski gerade erzählt. In der Reihe studio online stellte er seinen jüngsten Roman „Der Flakon“ vor. Fünfzig Gäste aus Berlin und Bergamo, aus Warschau und Sofia, aus Paris und vielen anderen Orten hatten sich zugeschaltet, um zu hören, warum eine Reichsgräfin und ihre Kammerdame im Winter 1757 in einer rumpligen und zugigen Postkutsche von Dresden nach Leipzig gereist sind. Pleschinskis Roman verrät es: Der preußische König ist ohne Kriegserklärung in Sachsen eingefallen, hat die Staatskassen geplündert, Burgen und Städte verwüstet, den sächsischen Herrscher ins Exil vertrieben. Anna Maria Franziska von Brühl, die Frau des sächsischen Premierministers, schmiedet einen Plan. Ein Attentat auf Friedrich II.; aber dazu bedarf sie, weil Frauen im 18. Jahrhundert keine Chance hatten, zum König vorgelassen zu werden, der Hilfe von Gellert und Gottsched. Der berühmte Fabeldichter und der Reformator der deutschen Literatur sollen dem „gekrönten Raubtier“ Gift in die Schokolade träufeln, welches ihr ein Dresdner Apotheker in einen Flacon abgefüllt hat.
Im Gespräch mit dem Literaturreferenten der Stiftung machte Pleschinski deutlich, was die neue bürgerliche Literatur gegen den aufstrebenden Machtstaat, die sächsische Kultur gegen das preußische Militär, das heitere Deutschland gegen ein wütendes ausrichten kann. Das epische Experiment kam an: Dem Publikum gefielen die Episoden, in denen der Autor historisch recherchierte Begebenheiten (den Attentatsversuch hat es gegeben) in virtuos ausgeschmückte Szenen eingewoben hat. Eine Erzählung von einem besseren Sachsen, aus der wir in Sachen Bildung und Kultur einiges lernen können. Und sei es auch nur auf der langsamen Fahrt in einer kursächsischen Postkutsche.
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