Brüssel - die Europastadt, eine Stadt mit hoher Anzugträgerdichte, mit vielen Lobbyisten, Politikerinnen und mit dem Hauptquartier einer der größten Militärallianzen der Welt: der Nato. Die North Atlantic Treaty Organization mit ihren 32 Mitgliedstaaten will für politische Sicherheit und Stabilität sorgen – in einer Zeit der politischen Unsicherheit und Instabilität. Und das seit 75 Jahren. Grund genug, um sich auf Spurensuche zu machen, die Nato zu verstehen, Geschichten in ihr und um sie herum zu finden. Die Journalistische Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich daher Ende September im Rahmen des Abschluss-Seminars auf den Weg nach Brüssel gemacht.
Ein Besuch im Nato-Hauptsitz
Das „Headquarter“ liegt am Rand der Stadt, gut gesichert, mit meterhohen Zäunen, bewaffnetem Sicherheitspersonal, Eingangskontrollen. Besuchergruppen werden unter Auflagen zugelassen, Journalisten müssen sich akkreditieren. Das alles geht nur nach vorheriger Prüfung. Das 2018 eingeweihte Gebäude besteht aus mehreren Flügeln, die architektonisch ineinandergreifen. Symbolisch steht der Bau für sich begrüßende Hände. Besucher dürfen nur einen ersten Teil des Gebäudes betreten und dann durch große Scheiben auf das Herzstück des „Headquarters“ schauen. Ein Gewusel wie an der Börse, Militärs in voller Montur laufen durch das Forum wie auch Menschen in Anzügen.
Um Punkt 14:15 Uhr steht Tom Morin-Robinson vor dem blauen Nato-Raum im Eingangsbereich. Pünktlichkeit, die ist wichtig, sonst geht nichts. Morin-Robinsons Job ist es, die Nato nach außen zu repräsentieren. Er erzählt über die Kraft der Nato, über die latente Gefahr von Terror, über die russische Invasion in die Ukraine.
Nach dieser Einführung starteten die Recherchen der Stipendiatinnen und Stipendiaten. Die Themenvorschläge waren vielfältig - vom Nato-Friseur bis zur Gefahr des Weltraums für die Sicherheit, von der Bedeutung der US-Wahl bis zu den Auswirkungen der Fluchtbewegung auf die Arbeit der Nato. In den kommenden Tagen beschäftigten sich die Geförderten mit diesen Themen, führten Interviews, fotografierten, schnitten Audioaufnahmen und diskutierten mit dem Trainingsteam Details des Magazins.
Komplexe Fragen, überraschende Erkenntnisse
Welche Auswirkungen hat die US-Wahl auf die Nato? Zwei Stipendiaten sind dieser Frage für das Magazin nachgegangen und kommen zu dem Schluss: Ob Harris oder Trump: Das Militärbudget werde wahrscheinlich unter beiden aufgestockt. Das wiederum erhöhe den Druck auf die übrigen Mitgliedsstaaten, finanziell mehr zum Bündnis beizutragen. Viele Mitgliedsstatten leiden aber ohnehin schon unter gestiegenen Energiepreisen, teilweise schwächelnden Wirtschaften und Rezessionsrisiken.
Die Militärausgaben der Nato steigen auch deshalb, weil das potenzielle Schlachtfeld sich ausweitet. Das Weltall gewinnt an militärische Bedeutung, das hat auch die Nato erkannt. Doch das kosmische Wettrüsten könnte für mehr Weltraumschrott sorgen – ein Risiko für das All, die Sicherheit und den Alltag auf Erden. Daher wird in der European Space Agency (ESA) darüber geforscht, was eine militärische Auseinandersetzung im Weltall bedeutet.
Ob im Weltraum oder auf dem Boden – Kriege sind immer auch Materialschlachten, die die Umwelt belasten. Der Krieg in der Ukraine ist keine Ausnahme. Sascha Brüning vom Rüstungsunternehmen „Vincorion“ betont: „Im Grunde genommen sind es zwei Konflikte, die wir parallel austragen. Zum einen der Schutz des Klimas – ein Konflikt, der so langen Atem erfordert, dass wir ihn immer wieder gern nach hinten schieben. Und zum anderen die akute Bedrohungslage, der wir uns stellen müssen. Momentan liegt der Fokus darauf, dass wir verteidigungsfähig und kriegstüchtig sind.“
Der Ukraine-Krieg hat aber nicht nur Auswirkungen auf das Klima. Die instrumentalisierte Migration sei eine weitere große Herausforderung für die Nato. Das zeige das Beispiel Finnland. Migranten seien von Russland an die finnische Grenze gedrängt worden, um so Druck auf das Nato-Mitglied Finnland auszuüben und die gesamte Nato zu destabilisieren. Russland nutze diese instrumentalisierte Migration bewusst, erklärt Monika Wohlfeld, Professorin für strategische Sicherheitsstudien am Marshall Center. Ein Krieg außerhalb der Nato – er hat durch Migration auch unmittelbaren Einfluss innerhalb der Nato. Und so ist es bei vielen Themen: Die Welt ist komplex – Abhängigkeiten, Risiken und Grautöne gibt es überall. Und das zeigen auch die Porträts, Faktensammlungen, Berichte, Kommentare und Reportagen.
Man kann die Nato nicht verstehen, wenn man die Konflikte und Diskussionen um sie herum vergisst. Ein guter Reporter macht sich Notizen, sein ganzes Leben. Daraus entstehen Geschichten. Genau das haben die Stipendiatinnen und Stipendiaten in Brüssel gemacht. Aus den vielen Notizen sind Geschichten entstanden, die in ihrer Vielfalt versuchen, die komplexe Welt verständlicher zu machen. Und an Komplexität scheitert es bei der Nato nicht. Erschöpfend und vollumfänglich kann so ein Magazin nicht sein. Aber manchmal reichen Notizen auch, um Eindrücke zu gewinnen – eben die „Notes of Nato“.
Ein Seminarbericht von Noah Brümmelhorst, Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung und Technikassistent des Abschlussprojektes „75 Jahre Nato“ in Brüssel.
Leitung: Friedrich Leist, Trainer der Journalistischen Nachwuchsförderung.
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