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Event reports

Sicherheitslage in Westafrika

Das Promotionskolleg Sicherheit und Entwicklung im Austausch mit Fachleuten zur regionalen Instabilität und ihren Folgen

Unter dem Titel „The Deteriorating Security Situation in West Africa” widmete sich das Promotionskolleg Sicherheit und Entwicklung im 21. Jahrhundert im Rahmen seines Oktoberkolloquiums in Berlin der Region, die Teile der Sahelzone sowie südlich davon gelegene Küstenstaaten im nordwestlichen Teil Afrikas umfasst. Die sicherheitspolitischen Schwerpunkte bildeten die Rolle Dschihadistischer Gruppierungen sowie der zunehmende Einfluss Russlands in Westafrika. Ein Bericht von Nicolas van de Loo.

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Krisen und Konflikte in der Nachbarschaft von Europa wirken sich zunehmend auch auf unsere Sicherheit in Deutschland aus. Deutlich wir das am Beispiel der Sahelzone. Zwar spielt die Region in der öffentlichen Wahrnehmung eine eher untergeordnete Rolle. Längst hat aber Russland die Region als wichtiges Spielfeld für seine Interessen erkannt. Und auch sonst gibt es zahlreiche Faktoren, warum Sicherheit und Prosperität in Europa nicht ohne die Sahelzone gedacht werden können. Das Promotionskolleg Sicherheit und Entwicklung im 21. Jahrhundert beschäftigte sich daher mit der Region auf dem Nachbarkontinent in einem Kolloquium, das neben der Sahelzone auch auf die aktuellen, bestürzenden Entwicklungen in Nahost einging. Die gegenwärtige Lage in Nahost verstärke die derzeitige Hochkonjunktur sicherheitspolitischer Debatten, und sicherheitspolitischer Herausforderungen für Deutschland, vor allem für unseren Partner Israel. Dies unterstreiche die Relevanz der Auseinandersetzung mit entsprechenden Fragstellungen innerhalb des Kollegs, erklärte die Vorsitzende des Kollegs, Prof. Dr. Beate Neuss, bevor sie zum inhaltlichen Schwerpunkt, der Sicherheitslage in Westafrika, überleitete.

Im Rahmen des Kolloquiums gewährten Referentinnen der Abteilung Internationale und europäische Zusammenarbeit sowie ein externer Experte Einblicke in die laufende Kooperation der Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Counter-Extremism-Projekt (CEP). Das analysiert die sicherheitspolitische Lage in Westafrika und erarbeitet Handlungsempfehlungen für politisch Verantwortliche. Die Vortragenden zeichneten das Bild einer zunehmend instabilen Region, in der ein Zusammenspiel mannigfaltiger und interdependenter Faktoren wie die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit einer verhältnismäßig jungen Bevölkerung, gepaart mit der Schwäche staatlicher Institutionen, unter anderem zum Erstarken dschihadistischer Terrorgruppen geführt habe. Einen weiteren Destabilisierungssfaktor stellt Russland dar, das verschiedene Putschregime in Westafrika unterstützt und dabei auf antifranzösische Ressentiments setzt.

Die Bedeutung Westafrikas für Deutschland und Europa leitet sich bereits aus der geographischen Nähe ab. Instabilität insbesondere in der Sahelzone kann etwa zu Flucht- und Migrationsbewegungen über afrikanische Mittelmeeranrainer in Richtung europäisches Festland führen. Unsicherheit verursache dabei insbesondere die Ausbreitung islamistischer Terrorgruppen sowie grassierende transnationale Organisierte Kriminalität, so Anna Wasserfall, KAS-Länderreferentin für Westafrika. Zugleich habe sich die Region zur geopolitischen Arena entwickelt. China erkaufe sich Einfluss über die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, ohne den Einsatz ihrer Mittel an Bedingungen wie die Einhaltung von Menschenrechtsstandards zu koppeln. Die Europäische Union, insbesondere Deutschland mit dem Anspruch einer wertegeleiteten Außenpolitik, gerate hier zunehmend ins Hintertreffen. Hinsichtlich des deutschen Engagements kritisierte Frau Wasserfall insbesondere mangelnde Koordination innerhalb der Bundesministerien, mithin eine Inkohärenz deutscher Westafrikapolitik sowie eine fehlende strategische Vorausschau. Insgesamt sei noch kein nachhaltiger außen- und sicherheitspolitischer Ansatz der gegenwärtigen Bundesregierung zu erkennen. Ein solcher wird aber benötigt, da neben den genannten Akteuren insbesondere Russland vermehrt seine Interessen in der Region geltend macht und destabilisierend wirkt. Hierzu beschrieb Dr. Susanne Conrad, KAS-Länderreferentin für Recht und Sicherheit Subsahara Afrika, die Motive und Vorgehensweise des Kremls. Russland wolle sich einerseits Einfluss in der Region sichern und sein geopolitisches Handlungsfeld erweitern. Hierzu unterstütze der Kreml die infolge von Staatsstreichen an die Macht gelangten Militärregime und biete die Dienste der Wagner-Gruppe zur Stützung der jeweiligen Junta an, die gerne akzeptiert werde. Der Austausch der Absicherung des Regimes gegen den Zugriff auf Rohstoffe, beispielsweise durch die Erteilung von Schürfrechten, sei dabei der Regelfall. Mit dem Einsatz der Söldnergruppe, gepaart mit Waffenlieferungen und Desinformationskampagnen, betreibe Russland ein gezieltes „Eskalationsmanagement“, als dessen Blaupause das Vorgehen des Kremls in der Zentralafrikanischen Republik gesehen werden könne. Von zunehmender Instabilität in der Region verspreche sich Moskau etwa mit zunehmender Flucht und Migration auch die Destabilisierung europäischer Demokratien. Frau Dr. Conrad führte anschließend die russische Desinformationsstrategie weiter aus. Diese nutze vorhandene Bruchlinien gezielt aus, in Westafrika insbesondere die Ablehnung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, zu der sich Russland als vermeintlich antikoloniale Alternative präsentiere. Neben der Verbreitung von Desinformationen beruhe das Vorgehen vor allem auf der Einschaltung lokaler Influencer, die über soziale Medien vordergründig panafrikanische Befreiung predigen, dabei aber von Moskau gesteuert gezielt antiwestliche, insbesondere antifranzösische Ressentiments schüren.

 

Diese Gemeingelage machten sich dschihadistische Gruppen mehr und mehr zunutze, wie Dr. Hans-Jakob Schindler, Senior Director des CEP verdeutlichte. In Bezug auf Westafrika nannte der Terrorismusexperte insbesondere JNIM (Jama'a Nusrat ul-Islam wa al-Muslimin), einen Zusammenschluss verschiedener Zweige von Al-Qaida, der auch innerhalb des globalen Netzwerks der Terrororganisation immer mehr an Bedeutung gewinne, sowie den regionalen Ableger des IS, d.h. ISWAP (Islamic State West Africa Province). Neben zahlreichen Terroranschlägen in den vergangenen Jahren kontrollieren diese Gruppierungen bereits weite Teile des Staatsgebiets z.B. in Mali: Die Hauptstadt Burkina Fasos, Ouagadougou, sei praktisch von JNIM umzingelt. Somit könne man die Aktivitäten in der Region mittlerweile als „Insurgency“ bezeichnen. Die Absicht dieser Terrorgruppierungen, Anschläge in Europa zu verüben, sei vorhanden, in Spanien sei bereits ein Anhänger des westafrikanischen Ablegers des IS festgenommen worden. Es bestehe die Möglichkeit, Terroristen über Flüchtlingsströme nach Europa zu schleusen, andererseits greife man auf moderne Rekrutierungstechniken zurück, indem bereits im Zielland befindliche Sympathisanten via Social Media angesprochen werden. In der Region fehle es dem Westen derzeit an Handlungsoptionen für eine effektive Bekämpfung der Dschihadisten, insbesondere in Anbetracht der schrumpfenden Anzahl verlässlicher Partner vor Ort durch die steigende Anzahl von Militärputschen – zuletzt im Niger. Nun müsse die militärische Ertüchtigung westafrikanischer Küstenstaaten erfolgen, um ein Übergreifen dschihadistischer Bewegungen auf deren Staatsgebiet zu verhindern. So müsse man verstärkt auf europäische Trainingsmissionen setzen, zugleich seien stärkere Grenzkontrollen geboten. Dies könne freilich nur zur Bekämpfung von Symptomen beitragen, ein nachhaltiger Ansatz müsse die Ursachen des Zulaufs für dschihadistische Bewegungen in den Blick nehmen – von ökonomischer Perspektivlosigkeit bis Klimawandel.

Im Zuge des Kolloquiums gelang es somit, verschiedene Unsicherheitsfaktoren zu identifizieren und im angeregten Diskurs zu vertiefen. Was bleibt, ist das Bild einer komplexen, sich verschlechternden Sicherheitslage in Westafrika, deren Auswirkungen auf Deutschland und Europa spürbarer werden. Gleichzeitig fehlt es nach wie vor an umfassenden politischen Konzepten Deutschlands, aber auch der EU zur nachhaltigen Stabilisierung der Region.

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David Khunchukashvili

David Khunchukashvili Photogenika

Consultant for the Doctoral Scholarship Programme (R02) | Managing Director of the Doctoral Programms "Sicherheit und Entwicklung im 21. Jahrhundert"

david.khunchukashvili@kas.de +49 (0)30-26996-3369

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About this series

The Konrad-Adenauer-Stiftung, its educational institutions, centres and foreign offices, offer several thousand events on various subjects each year. We provide up to date and exclusive reports on selected conferences, events and symposia at www.kas.de. In addition to a summary of the contents, you can also find additional material such as pictures, speeches, videos or audio clips.

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