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Am 17. November luden das Politische Bildungsforum Brandenburg der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Initiative Willkommen in Oranienburg, das Netzwerk Schule 2015 und der Kreisverband Oberhavel des Bundes der Vertriebenen mit freundlicher Unterstützung der Stadt Oranienburg zum Dialog über Fluchterfahrungen ein. Unter dem Titel „Flucht. Gestern – Heute“ erzählten vier Menschen im Oranienburger Bürgerzentrum ihre persönliche Fluchtgeschichte.
Als erster der vier Geflüchteten berichtete Alfons Zeh, der als Sechsjähriger in Folge des Zweiten Weltkriegs von Polen aus Lagowitz in der Neumark östlich der Oder vertrieben wurde. Der Großvater des heute 77-jährigen blieb zurück und wurde ums Leben gebracht, der Rest der Familie war Hunger und Entbehrung ausgesetzt und verlor Haus und Hof und Heimat. Auch eine 90-jährige Oranienburgerin teilte die Geschichte ihrer Vertreibung aus Hinterpommern. Sie bemühte sich, nicht die Fassung zu verlieren, als sie von den vielfachen Vergewaltigungen und weiteren schlimmsten Gewalterfahrungen und Verbrechen berichtete, die ihr als junge Frau angetan wurden. Beide Mitglieder des Bundes der Vertriebenen schilderten sehr eindrücklich ihre Erfahrungen mit Hunger, Krankheit, Angst und Gewalt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Weiterhin berichteten zwei Menschen, die vor kurzer Zeit als Flüchtlinge nach Deutschland kamen: Job Tchitchouang aus Kamerun verließ seine Heimat, da er als Christ von der Terrorgruppe Boko Haram bedroht und verfolgt wurde und mit ansehen musste, wie seine Frau vergewaltigt und umgebracht wurde. Er ließ seine drei Kinder bei seiner Mutter und floh über Nigeria, Niger, Algerien und Marokko nach Spanien. Mit der Zugfahrkarte eines Freundes kam er nach Deutschland, wo er seit gut einem Jahr versucht, einen Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Traumatisiert von den Erlebnissen in Kamerun und dort weiter von Verfolgung bedroht, sieht er keine Perspektive für eine Rückkehr in seine Heimat. Erst vor kurzem nach Deutschland gelangte dagegen Hassan Al Hossien aus Syrien. Der frühere Polizist verließ sein Land, nachdem Kämpfer des sogenannten „Islamischen Staats“ sein Dorf bombardierten und seine Frau umbrachten. Zusammen mit seinen vier Kindern, die von Granatsplittern getroffen wurden, aber überlebten, durchquerte er acht Länder auf dem Weg nach Deutschland. Im Gegensatz zu Tchitchouang gab Al Hossien an, so bald wie möglich in seine Heimat zurückkehren zu wollen, wenn der Krieg beendet sei.
Alle vier Geflüchteten verließen ihre Heimat in Folge kriegerischer Auseinandersetzungen – nach dem Zweiten Weltkrieg, wegen des Kriegs in Syrien oder des Terrors von Boko Haram. Ihre Flucht führte sie über verschiedene Routen, war jedoch stets von Entbehrung und Gewalterfahrungen geprägt. Einige erlitten gar den Tod von Familienmitgliedern. Mit der Ankunft in Deutschland endeten die Herausforderungen jedoch nicht. Nicht nur Tchitchouang und Al Hossien, deren Muttersprachen Französisch respektive Arabisch sind, sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, Deutsch zu lernen. Dies ging auch der 90-jährigen Vertriebenen so, die in ihrer Heimat nur Plattdeutsch gesprochen hatte.
In der anschließenden Diskussion stellten die rund 70 Teilnehmenden, die den Schilderungen interessiert, berührt und betroffen gefolgt waren, auch persönliche Fragen: So erkundigten sie sich nach den zeitlichen und räumlichen Dimension der Flucht oder nach den familiären Verhältnissen der Geflüchteten. Außerdem wurden Fragen zu den Umständen und Bedingungen in den Herkunftsländern Syrien und Kamerun gestellt. Schließlich wurden aktuelle Kernfragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik angesprochen: So wurde gefragt, warum gerade Deutschland als Zielland ausgewählt worden sei, wie es um einen Aufenthaltstitel stünde und wo die Geflüchteten langfristig ihre Zukunft sähen.
Die vier Organisationen, die die Veranstaltung gemeinsam geplant hatten, waren sich einig: Eine solche Auseinandersetzung mit ganz persönlichen Schicksalen leistet einen wichtigen Beitrag zur „gesamtgesellschaftlichen Debatte“ zum Thema Flüchtlinge, zu der Bundespräsident Gauck aufrief, weil sie das persönliche Schicksal der Menschen in den Blick nimmt. Bei Diskussionen um die Entwicklung politischer Lösungsvorschläge ist die Gesamtheit der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge und Migranten ausschlaggebend – hinter großen Zahlen darf jedoch nicht der einzelne Mensch mit seinem individuellen Schicksal und seinen ganz individuellen Gründen für Flucht und Migration vergessen werden. Die Reaktionen der Teilnehmenden, die den Fluchtgeschichten mit großem Interesse und vielen Fragen begegneten, gaben dieser Einschätzung Recht.
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