Dass die Grenzschließungen auf deutscher Seite anfangs zu Verstimmungen bei den französischen Grenzgängern geführt hatten, wie Christophe Arend berichtete, gehört zur Wahrheit dazu. Man war, so erklärte es Andreas Jung, unvorbereitet und reagierte hastig auf die französischen Landeschließungen. Fazit: Diesseits und jenseits der Grenze fehlte die Abstimmung der Maßnahmen mit dem Partner. Beide zogen die Konsequenz, dass es zu einem solch unabgestimmten Verhalten nicht mehr kommen dürfe und forderten von ihren Regierungen in Berlin und Paris eine "gemeinsame Strategie" für eine grenzüberschreitende politische Antwort auf Krisen wie die Pandemie.
Die beiden Abgeordneten der Französischen Assenblée Nationale und des Deutschen Bundestages vermissten, dass die Betroffenen in der Grenzregion in die Entscheidungen nicht einbezogen wurden. Gesundheitspolitische Vorteile und gesellschaftliche wie wirtschaftliche Nachtdeile von Grenzschließungen hätten stärker gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Auswirkungen der Grenzschließungen auf die Menschen in der Region hätten stärker berücksichtigt werden müssen. Spätestens aber Anfang Juni hätten die Grenzschließungen vollständig aufgehoben und die umfassende Personenfreizügigkeit im Schengen-Raum wiederhergestellt werden müssen.
Jetzt aber gelte es, aus der Krise zu lernen. Die 100 Abgeordneten der deutsch-französischen Parlamentarierversammlung haben ihren Einfluss geltend gemacht und die Innenminister beider Länder, Seehofer und Castaner, zu ihrer Sitzung eingeladen, um ihnen das Versprechen abzuringen, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, sich wechselseitig besser abzustimmen und die Region stärker einzubeziehen. Zu engere Zusammenarbeit kommt nach Andreas Jung auch dadurch zum Ausdruck, dass die beiden Finanzminister, Olaf Scholz und Bruno Le Maire, die Einladung der deutsch-französischen Parlamentarierversammlung angenommen hätten, um den von den Staats- und Regierungschefs Macron und Merkel vorgeschlagenen Wiederaufbaufonds zu erläutern.
Auch die deutsch-französische Parlamentarierversammlung habe in der Krise bewiesen, dass sie mit ihren Interventionen rasch auf die Regierungen haben einwirken können. Die Pandemie-Krise jedenfalls habe den Dialog zwischen den Europa-Ministerien und den Parlamenten und das gegenseitige Vertrauen verstärkt. Arend und Jung zeigten sich aber auch aufgeschlossen für Anhörungen von Vertretern der Zivilgesellschaft durch die deutsch-französische Parlamentarierversammlung. Damit wollen man unterschiedlichen Anfechtungen der Demokratie - in Frankreich der Elitenkritik, in Deutschland den Verschwörungstheoretikern - entgegentreten.
Für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Andreas Jung, hat die Krise gezeigt, dass ein nationales Denken und Handeln wie im Fall des Lübecker Herstellers von Beatmungsgeräten zu einer Unterbrechung von Lieferketten führen und die negativen Auswirkungen sogar noch verstärke, da die Maschinen aus Deutschland ohne die französischen Zulieferer nicht hätten produziert werden können.
Arend und Jung nahmen diese Feststellung zum Anlass, den Vorschlag der beiden Parlamentspräsidenten, Wolfgang Schäuble und Richard Ferrand, zur Stärkung Europas durch die Beziehung beider Staaten, zu konkretisieren. Bereits im September legt der Ausschuss der deutsch-französischen Parlamentarierversammlung zur Künstlichen Intelligenz Schlussfolgerungen zu einer Technolgie vor, die über Europas Stellung in der Wirtschaft und im Bereich der zivilisatorischen Werte mitentscheide.