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Heute schon „gepromptet“? Selbst die als Innovationsmuffel gescholtenen Deutschen haben sich schnell mit Künstlicher Intelligenz (KI) „angefreundet“. Seit im November 2022 ein KI-Chatbot erstmals frei verfügbar ist, lässt man es sich gern gefallen, dass er lästige Verrichtungen wie schulische Hausarbeiten, Übersetzungen oder Recherche übernimmt. Der Popularität hat es kaum Abbruch getan, dass er die Aufgaben gelegentlich fehlerhaft und mit wenig inspirierenden Ergebnissen erledigt. Trotz fortwährendem  Erstaunen über die Möglichkeiten der neuen Technologie bleibt vorerst auch die Erfahrung: Die „lernende Maschine“ hat noch viel zu lernen.
Niemandem haben unter dem Eindruck des Neuen die Nerven versagt, wie es bei anderen technischen Premieren – etwa den ersten Eisen bahnfahrten – geschehen sein soll. Den Part der Empörten haben die Entwickler und Anbieter digitaler Dienstleistungen paradoxerweise selbst übernommen. Von „tiefgreifenden Risiken für die Gesellschaft und die Menschheit“ ist die Rede. Man könnte nachträglich zu Tode erschrecken, müsste man ihnen nicht eigennützige Motive und Geltungsbedürfnis unterstellen.
Während die KI-Revolution derzeit friedlich Einzug in unseren Alltag hält, schwankt die Debatte weiter zwischen Weltbeglückung und Weltuntergang. Dabei geht es – jenseits von Euphorie und Panik mache – längst um ebenso technologieoffene wie kritische Ansätze für den positiven Gebrauch dieser fraglos disruptiv wirkenden Innovation.
Die wachstumsschwache deutsche Wirtschaft verlangt verzweifelt nach neuen Impulsen und sieht das größte Risiko von KI darin, dass deren Chancen wegreglementiert werden. Noch schlimmer wäre es, die Fortschritte im Gesundheitsbereich nicht wahrzunehmen. Politisch-kommunikativ wird die Verbindung von Künstlicher Intelligenz und sozialen Medien enorm wirksam sein. Trügt der Eindruck, dass populistische und extremistische Bestrebungen das neue Werkzeug gänzlich ungeniert nutzen und ihre Gegner eher hilflos darauf  reagieren?
Politik als Simulant: Der reale Max Weber (1864–1920) hat einst die Frage aufgeworfen, welche Qualitäten einen Politiker auszeichnen sollten: sachliche Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, distanziertes Augenmaß… Dass die künstlich erstellten Profile unter dem Namen „Maximilian Weber“ auf den berühmten Soziologen anspielen, ist vermutlich Teil beabsichtigter Desorientierung. Mit großem Aufwand wird auf Social-Media-Kanälen ein Politikerleben nachgestellt. Statt „Politik als Beruf“ bei Max Weber heißt es „Politik als Simulant“ bei „Maximilian Weber“. Von sachlicher Leidenschaft ist wenig zu spüren, Verantwortung kann die Kunstfigur nicht übernehmen. | Quelle Foto: www.instagram.com/maximilian.weber.official

„Maximilian Weber“ (Bild oben) ist ein KI-generierter Influen-cer, dessen Social-Media-Kanäle nicht sonderlich erfolgreich sind und denen – angesichts polemischer Botschaften – auch nicht zu wünschen ist, dass sie es werden. Plastisch führen sie aber vor Augen, wie täuschend echt sich Politiker und Politik mittels KI simulieren und damit manipu-lieren lassen. Das Bild der Wirklichkeit droht zu verschwimmen.
Es ist zukunftsweisend, dass die Deutschen dem ersten KI-Chatbot freundlich begegnet sind. Umso mehr muss nun auch die Er-kenntnis wachsen: Nicht jeder Bot ist dein Freund!

 

Bernd Löhmann, Chefredakteur

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