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Die Krisen unserer Zeit meistern wir gemeinsam oder gar nicht

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Junge Menschen wachsen heute in einem nie da gewesenen Wohlstand auf. Zugleich erleben sie einen Dauerzustand nicht enden wollender Krisen: Corona, Krieg, Inflation. Sie werden darüber hinaus in einem Umfeld erwachsen, das mehr und mehr von Gegensätzen geprägt ist. Junge Menschen sind global vernetzt, und doch ist Einsamkeit bei Jugendlichen weit verbreitet. Sie kennen keine innereuropäischen Grenzen mehr. Das eröffnet neue Wege und Perspektiven. Und obwohl die jungen Generationen dadurch ein Höchstmaß an Möglichkeiten haben, empfinden sie ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis und eine sinkende Risikobereitschaft. Trotz wirtschaftlichen Wohlstands kann die Jugend kaum Vermögen aufbauen; insbesondere fehlen die Mittel, um ein Eigenheim zu erwerben. Wie beeinflusst dies junge Menschen? Und was kann die Politik tun, um ihnen gute Voraussetzungen zu bewahren, aber auch Stabilität zu geben? Was bedeutet heute Generationengerechtigkeit? Und wie lässt sie sich umsetzen?

 

Kompromiss als Kardinaltugend

Bereits der 1972 veröffentliche Bericht des Club of Rome über Die Grenzen des Wachstums hat sich mit dem Umgang mit den natürlichen Ressourcen beschäftigt. Dennoch gab es zu wenige praktische Schlussfolgerungen. Es ist daher grundsätzlich nachvollziehbar, dass diese Fragen viele junge Menschen weltweit bewegen und diese auch auf Lösungen drängen. Doch der Umgang miteinander wird rauer, nicht nur, weil Jugendliche andere Meinungen als ihre Elterngeneration haben und diese unterschiedlich vertreten. Das ist nichts Neues. Was sich verändert hat, ist der Ton im demokratischen Diskurs. Das hat viele Gründe. Auch hier spielen Extreme eine Rolle, es scheint nur noch Schwarz oder Weiß zu geben. Wer am lautesten schreit, wer am meisten zuspitzt und verkürzt, wird gehört. Besonders im politischen Bereich wird das Ringen um den bestmöglichen Kompromiss als Schwäche ausgelegt, sein Wert wird nicht mehr erkannt oder geschätzt.

Das hat Auswirkungen auf die politische Debattenkultur. Respektvolles Diskutieren und politisches Streiten sind wichtig für die Demokratie und in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft üblich. Beides ist für den besten möglichen Kompromiss unvermeidbar. Der jüngst verstorbene Wolfgang Schäuble bezeichnete den Kompromiss als Kardinaltugend der Demokratie. Doch wir scheinen die Kompromissfähigkeit mehr und mehr zu verlernen. Und diese Lücke füllt der Populismus, der zur Lösung der Probleme nicht beiträgt – ganz im Gegenteil. Wir müssen wieder mehr ins Gespräch kommen, zwischen den Generationen und über alle Bundesländer hinaus. Wir brauchen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das zeigt sich heute deutlicher als je zuvor – er wird jedoch nicht einfach vom Himmel fallen, wir müssen ihn auch wieder erlernen und einfordern. Auch deswegen ist ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr sinnvoller denn je.

Auch müssen wir die Familie als kleinste und zentralste Einheit unseres Gesellschaftsmodells stärken. Die dafür richtigen Voraussetzungen haben wir – der Wert von Familie hat nicht abgenommen, auch nicht bei jungen Menschen. Familien leisten Sorgearbeit für junge, alte und kranke Menschen. Acht von zehn Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Außerdem brennt vielen Eltern das Thema Kinderbetreuung auf den Nägeln. Wir als Junge Gruppe in der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wollen Familien verstärkt in der Sorgearbeit unterstützen. Eine weitere zentrale Säule der Generationen- und Ressourcengerechtigkeit ist der Aspekt des Hinterlassens – es geht darum, materielle und natürliche Ressourcen zwischen den Generationen gerecht zu verteilen. Dabei teilt sich die Erbschaft in das Vermögen und die Erblasten, wie zum Beispiel Schuldenberge, mit der künftige Generationen belastet werden. Es geht darum, so verantwortungsvoll zu leben, dass nachfolgende Generationen von diesen unzumutbaren Lasten verschont bleiben.

 

Ernüchternde Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands

Das Ziel besteht aber nicht allein darin, Erblasten zu verhindern, sondern vielmehr darin, künftigen Generationen eine „Erbschaft“ zu hinterlassen, auf der sie aufbauen können und die die Grundlage für die Schaffung ihrer Zukunft bildet. Eine tragende Säule für diese Erbschaft ist Bildung, doch die letzten PISA-Ergebnisse sind erschütternd. Nicht das Herabsetzen von Standards und Leistung, von fachlicher Expertise und selbst von grundlegenden Fähigkeiten wie Rechnen, Schreiben und Lesen ist der richtige Ansatz. Gleiches gilt, wenn Werte wie Anstand und Respekt nicht mehr ausreichend vorgelebt werden. Wir müssen die politische Bereitschaft aufbringen und auch die öffentliche Diskussion aushalten, in diesen Bereichen wieder mehr einzufordern; nicht nur, weil der Einzelne davon profitiert, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes. Gleichzeitig werden wir den Diskurs aushalten müssen, was der Staat künftig noch leisten kann, und das bedeutet in der Konsequenz auch, bürokratische Anforderungen zu senken. Wir können die über Jahrzehnte aufgebauten überkomplexen und ausufernden Auflagen weder finanziell noch personell weiterhin aufrechterhalten. Meines Erachtens liegt darin kein Widerspruch, sondern es sind zwei Seiten einer Medaille einer Staats- und Gesellschaftsidee, die ohne Eigenverantwortung nicht funktionieren kann.

Schon die demografische Entwicklung wird uns zwingen, umzudenken. Dazu kommt das dicke Brett der Finanzierung des Sozialstaats. Im Jahr 2023 lag der Bundeszuschuss für die Rente bei 121 Milliarden Euro und damit bei 26 Prozent des Bundeshaushaltes – nur für den Zuschuss, der nicht durch die Umlage gedeckt ist. Umso mehr muss die Rente auch in Zukunft eine belastbare Zusage sein, die den Lebensstandard im Wesentlichen sichert. Um diese Zusage einhalten zu können, muss die Rentenaltersgrenze in dem Maße, wie sich die Lebenserwartung entwickelt, kontinuierlich angepasst werden. Auch muss das Erwerbspotenzial erhöht werden, und eine zusätzliche kapitalgedeckte Säule ist notwendig. Trotz vieler Versprechungen der FDP zum Generationenkapital ist auch in 2023 kein Geld in den Kapitalstock der Aktienrente geflossen – die Erweiterung der Rente durch eine kapitalgedeckte Säule scheint also keine Priorität der Bundesregierung zu sein. Das Ziel muss sein, alle drei Säulen der Rente – gesetzlich, betrieblich, privat – zu stärken.

Dafür ist es zentral, Voraussetzungen für langfristiges Planen zu gewährleisten. Wenn Investitionen der Wirtschaft fehlen, fehlen uns auch die Innovationen, die Grundlage sowohl für Wohlstand als auch für die Bewältigung des Klimawandels bilden. Der heutige Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist ernüchternd. Das Wachstum in Deutschland gehört zum letzten Drittel der Eurozone. Im November 2023 liegt die Arbeitslosenzahl um 172.000 höher als im November des vorherigen Jahres. Im Jahr 2022 ist aus Deutschland Kapital im Umfang von 125 Milliarden Euro abgeflossen, aber nur zehn Milliarden sind heimisch investiert worden – dieser Kapitalabfluss ist der höchste seit zwanzig Jahren. Zwischen unserem Anspruch und unserer eigenen Leistungsfähigkeit klafft eine Lücke. Unternehmer klagen täglich über den Fachkräftemangel. All das sind Faktoren, die bei weiterer Stagnation schleichend den Wohlstand schrumpfen lassen. Währenddessen diskutiert die junge Generation über eine Vier-Tage-Woche. Das kann nur zu Konflikten führen. Besonders im Hinblick auf den demografischen Wandel, der eigentlich fordert, dass wir mehr arbeiten.

 

Technologieoffenheit und stabile Finanzen

In diesem Kontext bedeutet Generationengerechtigkeit, dafür zu sorgen, dass junge Menschen auch in Zukunft die besten Chancen haben – finanziell und beruflich. Wenn wir weiter an der Spitze der Wohlstandspyramide leben wollen, dann muss Deutschland in der Wettbewerbsfähigkeit wieder führend werden. Dazu brauchen wir gesteuerte Migration in den Arbeitsmarkt (und nicht ungesteuerte und illegale Migration ohne Grenzen) und Technologieoffenheit. Wirkliche Erbschaften sind im Bereich der Technologieoffenheit beispielsweise die weitere Entwicklung und Anwendung von Technologien, die dabei helfen, CO2 abzuscheiden, zu speichern und als Rohstoff zu nutzen. So haben wir als Junge Gruppe im vergangenen Jahr mit LiveEO gesprochen. Dieses Start-up hat eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die Erdbeobachtung in neuer Präzision ermöglicht und sowohl im Umweltschutz, etwa durch das Beobachten von Aufforstungsprojekten, als auch in der Wirtschaft durch das Überwachen von kritischer Infrastruktur und Lieferketten zum Einsatz kommt. Technologieoffenheit gepaart mit Künstlicher Intelligenz hat eine Zukunftstechnologie mit enormen Einsparpotenzialen verwirklicht.

Eine Säule für Wettbewerbsfähigkeit sind solide Finanzen. Dabei geht es um das Geld, das wir heute über jahrzehntelang laufende Staatsanleihen aufnehmen und das die jüngeren Generationen morgen zurückzahlen müssen. Das betrifft auch die Schuldenbremse, die wesentliche Voraussetzung für finanzielle Nachhaltigkeit ist. Die Kernbotschaft der „Schwarzen Null“ lautet: Der Staat gibt in normalen Zeiten nicht mehr aus, als er einnimmt. Deswegen ist es kein Regelbruch, dass man in einer Sondersituation wie einer Pandemie oder eines russischen Angriffskriegs Ausgaben tätigt, die man nicht aus dem laufenden Haushalt finanzieren kann. Die Aufnahme von Krediten zur Konjunkturstimulierung in Krisenzeiten ist richtig, solange die Rückzahlung nicht aus dem Blick gerät. Die Notwendigkeit der Tilgung wird jedoch oft übersehen.

Die Folge sind kontinuierlich anwachsende Schulden sowie mittel- und langfristig Inflation. Stabile Finanzen und Wirtschaft sind nicht nur die Basis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die beste Prävention sozial ungerechter Politik, sondern ihre Wahrung ist ein wesentlicher Bestandteil generationengerechter Politik.

 

Zu hohe Anspruchshaltung

Die Vermutung und das sich vor allem bei den jungen Generationen ausbreitende Gefühl, es gebe keine Grenzen und der Staat als Allheilmittel könne mit genug Geld alle Probleme lösen, sind falsch. Die Anspruchshaltung ist stark gewachsen, insbesondere die grundlegende Erwartungshaltung gegenüber dem Staat. Doch die Ressourcen erweisen sich mit wachsender Brisanz wieder als knapp und begrenzt. Nur durch ihre Knappheit gewinnen sie an Wert – dieses einfache ökonomische Prinzip scheint in vielen jungen Köpfen an Bedeutung zu verlieren. Wir müssen also hinterfragen, welche Werte auch die Politik an die jungen Generationen vermittelt hat. Das Handeln der Politik muss wieder verdeutlichen: Jeder ist für sich selbst verantwortlich, der Staat bildet lediglich den subsidiären Rahmen für ein eigenverantwortliches Zusammenleben.

Mein Eindruck ist, dass die junge Generation nach dem Sinn von Leistung fragt – zu Recht: Ist es überhaupt noch realisierbar, in eine Großstadt zu ziehen? Warum sich anstrengen, wenn es sowieso nicht möglich ist, Eigentum zu bilden? Will ich ohne diese Perspektive so viel arbeiten wie meine Eltern? Und sie hat die Möglichkeit, diese Frage anders zu beantworten als ihre Eltern – mit Folgen für die Gesellschaft.

Was ist heute eine aussichtsreiche Perspektive? Es gilt, eine Gratwanderung zu meistern: Die Politik muss die Zukunft künftiger Generationen mitdenken und die Basis ihrer Zukunftsgestaltung schaffen, ohne für sich in Anspruch zu nehmen, sie wüsste, wie der Alltag und die Herausforderungen in zwanzig Jahren im Detail aussehen werden. Anhand des heutigen Wissens können wir Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, sich selbst zu entfalten und eigenverantwortlich zu handeln. Wir können heute nicht auf alle künftigen Fragen die einzig richtige Antwort geben. Wir sind aber verantwortlich dafür, denjenigen, die das können müssen – den künftigen Generationen –, langfristig die richtigen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Das gelingt nur, wenn wir an die Eigenverantwortung appellieren – an die aller Menschen. Die vermeintlich bequeme Vorstellung, dass der Staat alle Probleme lösen kann, wird fatale Folgen haben und muss scheitern. Wir müssen eine bessere Balance zwischen Fördern und Fordern finden. Um ein selbstbestimmtes Leben zu führen und seine Lebenschancen ergreifen zu können, braucht es diese Balance. Meine Überzeugung ist, dass Politik jüngeren Menschen ihre Zukunftschancen verweigert, wenn sie sie nicht auch fordert. Generationengerechtigkeit wird oftmals als etwas betrachtet, das erst in Zukunft eintreten kann. Das ist das große Missverständnis. Denn Generationengerechtigkeit betrifft nicht nur das, was die einen den anderen hinterlassen, sondern beschreibt auch eine fortwährende Solidarität zwischen den Generationen. Corona hat gezeigt, wie verletzlich die globale Gesellschaft und wie groß die Abhängigkeiten voneinander sind – auch und vor allem zwischenmenschlich. Viele junge Menschen spüren heute zum ersten Mal eine echte Bedrohung durch Krieg und können die Ängste, die viele Ältere durch ihr ganzes Leben tragen, auf einmal besser verstehen. In diesen Punkten sind wir bereits zusammengerückt, ohne es zu merken. Aber wir brauchen mehr Zusammenarbeit zwischen den Generationen. Die Krisen unserer Zeit meistern wir gemeinsam oder gar nicht.

 

Ronja Kemmer, geboren 1989 in Esslingen am Neckar, Vorsitzende der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie Präsidiumsmitglied der CDU Deutschlands.

Dies ist der erste Teil einer Reihe von Beiträgen von Mitgliedern der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.