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Mehr Sicherheit aus kommunaler Perspektive

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Die „Innere Sicherheit“ gehörte zu den zentralen Themen des Bundestagswahlkampfes im Jahr 2017. Das Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ist aufgrund der erhöhten Terrorgefahr, von Anschlägen, Gewalttaten sowie der steigenden Alltags und Hasskriminalität deutlich gestiegen. Zugleich steigt die Erwartungshaltung gegenüber dem Staat, ausreichend Schutz und Sicherheit zu gewährleisten.

Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass für die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern je 7.500 zusätzliche Stellen geschaffen werden sollen, zudem 2.000 neue Stellen bei der Justiz. Das ist ein wichtiges und richtiges Signal. Die Polizeipräsenz in Bund und Ländern muss weiter erhöht werden. Folgt man den Schätzungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sind allerdings bis 2021 insgesamt 20.000 Polizisten zusätzlich erforderlich. Dementsprechend muss weiter nachgebessert und es müssen ambitioniertere Ziele formuliert werden.

Allein die Stellen zu schaffen, wird nicht ausreichen. Sie müssen auch adäquat besetzt werden, was aufgrund eines steigenden Fachkräftemangels in nahezu allen Bereichen nicht einfach sein wird. Bei der Gewinnung von Nachwuchskräften steht der öffentliche Dienst in Konkurrenz mit der Wirtschaft. Es ist unumgänglich, nicht nur über mehr Stellen nachzudenken, sondern auch über Entlastungsmöglichkeiten bei dem bereits vorhandenen Personal, damit die Polizei sich stärker auf die Kernaufgaben der Strafverfolgung und Straftatenverhinderung konzentrieren kann. Zuvorderst ist eine mögliche Entlastung der Polizei bei bürokratischen Aufgaben zu nennen, etwa der Begleitung von Schwertransporten, der Aufnahme von Verkehrsunfällen oder der Geschwindigkeitsmessungen. Eine Übertragung bürokratischer Aufgaben von der Polizei auf Kooperationspartner ist möglich und aufgrund der aktuellen Überlastung der Polizei auch angebracht.

Eine weitere Möglichkeit zur Entlastung ist im Ausbau der Videoüberwachung sowie der Einbindung Künstlicher Intelligenz zu sehen. Die sich bietenden Chancen der Digitalisierung in diesem Bereich zu nutzen, bedeutet nicht nur geringeren Arbeitsaufwand, sondern vor allem die Optimierung von Strafverfolgung und der Verhinderung von Straftaten. Der Koalitionsvertrag nimmt die Forderung des Deutschen Städte und Gemeindebundes (DStGB) auf, die Videoüberwachung an Brennpunkten verhältnismäßig und mit Augenmaß effektiv auszubauen und dabei auch technisch weiterzuentwickeln.

Prävention gegen Anschläge, Schutz vor Straftaten

Die Videoüberwachung in Innenstädten, im öffentlichen Nahverkehr und an zentralen Orten der Städte und Gemeinden, wie Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, ist ein richtiges Instrument, um das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen. Kameras können allein aufgrund ihrer Präsenz eine abschreckende Wirkung erzeugen. Ebenfalls ausschlaggebend für die Aufklärung von Straftaten sind die Aufzeichnungen der Kameras, um Täter zu ermitteln und ihre Straftaten verfolgen zu können. Immer wieder können Straftäter aufgrund von Videoaufzeichnungen ermittelt und überführt wer den. Im Gegenzug gibt es zahlreiche Fälle, bei denen aufgrund des Mangels an Videomaterial oder aufgrund frühzeitiger Löschpflichten vorhandener Aufzeichnungen kein Täter ermittelt werden konnte.

Gerade im Bereich der kameragestützten Überwachung des öffentlichen Raums bieten die technologischen Innovationen neue Chancen. Mittels intelligenter Systeme ist es zielgenau möglich, Verdächtige zu identifizieren sowie Straftaten zu verhindern und zu ahnden, ohne dass Komplettaufzeichnungen notwendig wären. Intelligente Videobeobachtung bedeutet vor allem Prävention gegen Anschläge und besseren Schutz vor Straftaten. Notwendig ist eine zielgenauere Videoüberwachung in den Innenstädten, an besonderen Kriminalitätsschwerpunkten, an Bahnhöfen und im öffentlichen Nahverkehr. Die Mehrheit der Bürger wünscht sich eine Ausweitung an zentralen Plätzen. Gerade wurden in Berlin mehr als 20.000 Unterschriften für eine Erweiterung der Videoüberwachung in der Stadt gesammelt und damit die Voraussetzungen für die Einleitung eines Volksbegehrens geschaffen. Eine Umfrage der landeseigenen Verkehrsbetriebe in Niedersachsen hat gezeigt, dass sich mehr als neunzig Prozent der Fahrgäste für eine Videoüberwachung auch im öffentlichen Nahverkehr aussprechen.

Die gesetzlichen Regelungen des Bundes und der Länder lassen eine Ausweitung der Videoüberwachung jedoch nur sehr eingeschränkt zu. Durch eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes sind mit Blick auf private Betreiber von öffentlich zugänglichen Anlagen wie Sportplätzen und Einkaufszentren sowie in Einrichtungen und Fahrzeugen des öffentlichen Nahverkehrs mittlerweile mehr Möglichkeiten der Videoüberwachung geschaffen worden. Soweit es jedoch um die Videoüberwachung kommunaler Plätze, Straßen und Innenstädte geht, gelten weiterhin die gesetzlichen Beschränkungen. Derzeit wird in Deutschland vieles, was möglich wäre, mit Hinweis auf den Datenschutz verhindert. Die strengen Datenschutzregelungen müssen dringend den neuen Sicherheitsanforderungen angepasst werden. Dem Schutz der Allgemeinheit ist Vorrang vor dem Schutz der informationellen Selbstbestimmungsfreiheit einzuräumen. Man muss aufpassen, dass aus berechtigtem Datenschutz kein unbeabsichtigter Täterschutz wird.

Angemessene Löschfristen

Zugleich müssen die Speicherfristen für Videoaufzeichnungen ausgeweitet und vereinheitlicht werden, um belastbares Material zur Verfolgung der Täter besitzen und verwerten zu können. Eine 24-Stunden- oder 48-Stunden-Frist, nach der die mit der Videoüberwachung aufgezeichneten Bilder wieder gelöscht werden müssen, reicht nicht aus, um angemessen reagieren zu können. Die Löschfristen sollten mindestens zwei Monate betragen. Dies ist bislang nur in Sachsen möglich. Die Aufbewahrungsfristen in anderen Ländern fallen sehr unterschiedlich aus: So betragen sie in Rheinland-Pfalz 48 Stunden, in Bayern drei Wochen und in Sachsen-Anhalt wiederum einen Monat.

Videoüberwachung gehört bereits in vielen Sicherheitskonzepten von Kommunen zum Standard. An welchen Orten die Videoüberwachung eingeführt wird, sollte zwischen Kommune und Polizei abgestimmt und durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Die Videoüberwachung muss für jedermann erkennbar sein. Bereits das Wissen um ihr Vorhandensein kann insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr, aber auch in öffentlichen Einrichtungen vorbeugend wirken. Dort fühlen sich die Betroffenen nach vielen Gewaltvorfällen durch die Videoüberwachung sicherer. Durch den Videotechnikausbau im Bahnbereich kann mit zusätzlichem Einsatz von Bundespolizisten und Fahndern in Zivil insbesondere Trick und Taschendiebstählen stärker entgegengetreten werden. Hierbei sollten sich die Bundespolizei und die Deutsche Bahn AG eng mit den Kommunen abstimmen.

Algorithmus erkennt Straßenkriminalität

Eine Videoüberwachung kann aber nur dann objektiv mehr Sicherheit herstellen, wenn die videoüberwachten Brennpunkte permanent beobachtet, die Bilder ausgewertet werden und dort polizeiliche Kräfte rasch eingreifen können. Dafür ist auch eine adäquate finanzielle Ausstattung erforderlich. Wenn ein Bedarf – wie etwa in Köln – an Panoramakameras festgestellt wird, müssen Mittel und Wege der Finanzierung gefunden sowie geeignete Schulungsmöglichkeiten für die damit agierenden Polizisten bereitgestellt werden.

Pilotprojekte mit Künstlicher Intelligenz, wie sie aktuell etwa in Mannheim geplant werden, sind mit Nachdruck zu unterstützen und zu fördern. Die Stadt wird demnächst ein Computerprogramm nutzen, das die Bilderströme von 71 Kameras an 28 Standorten auswertet und mithilfe eines Algorithmus eigenständig Straßenkriminalität erkennt. Stellt das Programm untypische Bewegungen fest, die auf „Schlagen, Rennen oder Stürzen“ hin deuten, erfolgt eine Meldung an das Lagezentrum der Polizei. Hier kommt nun wieder der Mensch zum Einsatz, analysiert den Vorfall, und im Ernstfall ist innerhalb von zwei Minuten eine Polizeistreife am Einsatzort. Die Polizei macht sich die Künstliche Intelligenz zunutze; die Sichtung des gesamten Bildmaterials der 71 Kameras durch Polizisten entfällt. Dadurch wird Zeit gespart, die für andere Aufgaben dringend gebraucht wird.

Akzeptanz in der Bevölkerung

Die Rufe nach einer Ausweitung der Videoüberwachung werden immer lauter. Im Hinblick auf die Schaffung von Akzeptanz in der Bevölkerung besteht dennoch Nachbesserungsbedarf. Auch wenn ein Großteil der Bevölkerung sich für mehr Überwachung ausspricht, so bemühen dennoch viele hartnäckige Gegner den Datenschutz und zeichnen Negativszenarien einer komplett überwachten Bevölkerung nach George-Orwell-Manier. Ihr Vorwurf lautet, dass auch alle im Sinne des Strafrechts „unschuldigen“ Bürgerinnen und Bürger erfasst werden. Die automatisierte Gesichtserkennung, wie sie zurzeit am Bahnhof Südkreuz in Berlin pilotiert wird, stößt bei zahlreichen Datenschützern und Anwälten auf Kritik: Ein massenhaftes Scannen von Gesichtern unbescholtener Bürger sei ein schwerwiegender Eingriff des Staates in die Grundrechte der Bürger. Diese Bedenken dürfen nicht ignoriert werden.

Die Videoüberwachung hat diesbezüglich bisweilen ein Kommunikationsproblem. Wichtig ist, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen und transparent über die Verfahren aufzuklären. Ein gesellschaftlicher Konsens muss hergestellt werden. So muss etwa klar sein, dass die Daten der genannten „unbescholtenen Bürger“ nicht gespeichert oder in personalisierten Bewegungsmustern erfasst werden.

Präventive Wirkung des Systems

Zugleich muss sichergestellt werden, dass Künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz nicht vollständig ersetzen wird, sondern Entlastung und Hilfestellung für eine bessere Polizeiarbeit ist. Dass Kameras auf besondere Situationen reagieren, etwa wenn „Schlagen, Rennen oder Stürzen“ im Bild wahrgenommen werden, ist gut und richtig, wenn es sich um einen Überfall handelt. Ein ärztlicher Notfall zum Beispiel ist davon eben nur durch ein menschliches Auge abzugrenzen.

Wer für die Videoüberwachung eintritt und für eine breite Akzeptanz sorgen will, muss auch die Möglichkeiten und die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten transparent darlegen. Dazu gehört es auch, darzulegen, dass der Einsatz von Videoüberwachung sogar geeignet ist, die Privatsphäre des Einzelnen besser zu schützen und kriminelles oder gefährliches Verhalten schneller festzustellen. Gerade weil intelligente Analysesysteme nur Auffälligkeiten ins Visier nehmen, ist die Mehrheit der Betroffenen in ihrem Alltag weniger erfasst und zugleich – aufgrund der präventiven Wirkung des Systems – deutlich sicherer.

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Gerd Landsberg, seit 1996 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Zuvor war er unter anderem als Richter am Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf tätig.

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