Asset Publisher

Ein Überblick über deutsche und europarechtliche Regelungen von Rüstungsgeschäften

Asset Publisher

Fälschlicherweise wird Rüstungsexport bisweilen mit „Waffenhandel“ verwechselt, was aber in die falsche Richtung führt. Der Begriff „Waffenhandel“ ist in unserem Sprachgebrauch überwiegend negativ konnotiert. Falls dieser Begriff auch nach der Zeitenwende vom 24. Februar 2022 von manchen Menschen noch mit der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie assoziiert wird, soll hier ein Beitrag zur Versachlichung geleistet werden, beginnend mit einer Begriffsklärung. Was versteht man unter Waffenhandel, und welche Regelungen legt der Gesetzgeber diesem auf? Nach einer allgemeinen Definition bezeichnet der Waffenhandel alle Vorgänge im Zusammenhang mit der Übereignung einer Waffe. Beim Thema „Waffenhandel“ wird auch die Assoziation mit Rüstungsexporten und illegalem Drogen- und Menschenhandel thematisiert. Der Waffenhandel von deutschem Boden aus unterliegt daher seit Langem einer strengen Kontrolle und Reglementierung. Auf der Homepage des Bundesinnenministeriums ist zu lesen:

„Das Waffengesetz (WaffG) dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Es regelt unter anderem alle Fragen des Umgangs mit Waffen oder Munition, wie zum Beispiel den Erwerb und Besitz, das Führen und Schießen, die Aufbewahrung sowie die Herstellung und den Handel. Zudem regelt es, unter welchen Voraussetzungen jemand eine Waffe besitzen darf. Darüber hinaus reglementiert es die Erlaubnisse und Ausnahmen für bestimmte Fälle und Personengruppen wie Jäger und Sportschützen, aber auch die Verbote bestimmter Waffen oder Munition. Die Vorschriften des WaffG werden zudem durch eine Rechtsverordnung (Allgemeine Waffengesetz-Verordnung – AWaff V) spezifiziert und ergänzt.“

Eine davon nochmals zu unterscheidende Sonderkategorie bildet der Umgang mit Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, also Rüstungsgütern, die keine Kriegswaffenqualität besitzen und oftmals beispielsweise dem Selbstschutz der sie nutzenden Soldatinnen und Soldaten bei der Erfüllung ihres Auftrags dienen. Der Grundgedanke der geltenden Reglementierung steht hierzu im Grundgesetz (GG). In Artikel 26 GG heißt es: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Dieses Bundesgesetz ist das Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG), dessen Annex auch die als Kriegswaffen definierten Rüstungsgüter auflistet. Durch das Kriegswaffenkontrollgesetz wird das Herstellen, Erwerben, Überlassen und Befördern sowie Ein- und Ausführen von Kriegswaffen unter den Vorbehalt jeweils einzuholender Genehmigungen gestellt. Einer solchen Genehmigung bedarf im Übrigen auch derjenige, der mit Kriegswaffen handelt, die sich gar nicht auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland befinden. Die angesprochene Genehmigung ist laut Paragraf 6 Kriegswaffenkontrollgesetz zu versagen, sofern

erstens die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden,
zweitens Grund zu der Annahme besteht, dass die Erteilung der Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde und
drittens Grund zu der Annahme besteht, dass eine der in Paragraf 6 Absatz 2 Nr. 2 genannten Personen die für die beabsichtigte Handlung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.


Durchgehende Kontrolle von Kriegswaffenexporten

Schließlich regelt Paragraf 12 Kriegswaffenkontrollgesetz umfassende Sorgfaltspflichten, um zu verhindern, dass Kriegswaffen abhandenkommen oder unbefugt verwendet werden, und um zu gewährleisten, dass die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Anordnungen zum Schutze von geheimhaltungsbedürftigen Gegenständen, Tatsachen, Erkenntnissen oder Mitteilungen beachtet werden. Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz werden von einem geheim tagenden Kabinettsausschuss der sicherheitsrelevanten Ressorts der Bundesregierung beraten und erteilt. Eine Genehmigung für den Export von Kriegswaffen kann jederzeit widerrufen werden. Die Bundesregierung gewährleistet so die durchgehende Kontrolle von Kriegswaffenexporten auch angesichts sich verändernder Umstände. Das Kriegswaffenkontrollgesetz schreibt den Exporteuren von Kriegswaffen ferner vor, dass diese ein sogenanntes Kriegswaffenbuch führen müssen, „um den Verbleib der Kriegswaffen nachzuweisen“. Zusätzlich wird eine Erklärung über den Endverbleib gefordert.


Rechtlicher Umgang mit Dual-Use-Gütern

Für sonstige Rüstungsgüter sehen das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung strenge Regeln für die Genehmigung von Ausfuhren in andere Länder vor. Die Außenwirtschaftsverordnung enthält eine Ausfuhrliste, in der alle Rüstungsgüter aufgeführt sind, für die eine Genehmigung erforderlich ist. Genehmigungsbehörde hierfür ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Grundsätzlich gilt nach Paragraf 1 Außenwirtschaftsgesetz, dass der Außenwirtschaftsverkehr frei ist. Allerdings kann der Export beschränkt werden, insbesondere dann, wenn es sich um „Waffen, Munition und sonstige Rüstungsgüter“ handelt (Paragraf 5). Nach Paragraf 4 darf der Rüstungsexport aus folgenden Gründen eingeschränkt werden: um „die wesentlichen Sicherheitsinteressen“ Deutschlands zu gewährleisten, um „eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten“, um eine „erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen“ zu vermeiden und um Sanktionen der Europäischen Union (EU) oder der Vereinten Nationen, zum Beispiel Embargos, umzusetzen. Darüber hinaus beziehen die staatlichen Stellen bei der Genehmigungsentscheidung weitere Punkte ein, insbesondere die Beachtung der Menschenrechte durch den Empfängerstaat. Grundsätzlich müssen Genehmigungen erteilt werden, wenn der Export der Rüstungsgüter die genannten Kriterien „nicht oder nur unwesentlich gefährdet“ (Paragraf 8).

Zudem werden auch sogenannte Dual-Use-Güter exportkontrollrechtlich behandelt. Grundlage hierfür ist die Verordnung über eine Regelung für die Europäische Union für die Kontrolle der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Unterstützung der Durchfuhr und der Verbringung betreffend Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Verordnung EU 2021/821 des Europäischen Parlaments und des Rates, 20. Mai 2021). Damit besteht eine unionseinheitliche Regelung, die sicherstellt, dass Güter mit doppeltem Verwendungszweck bei einer Ausfuhr aus der Europäischen Union wirksam und effektiv kontrolliert werden können.

Einen besonderen Stellenwert besitzen auf der nationalen Ebene die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“. Sie enthalten begleitend zu den gesetzlichen Regelungen nochmals deutlich konkretere und restriktivere Ausführungsregelungen zum Export von Kriegswaffen, Rüstungs- und Dual-Use-Gütern. Obwohl die Politischen Grundsätze keine Gesetze sind, gelten sie verbindlich für alle staatlichen Stellen, die über Rüstungsexportgenehmigungen entscheiden. Als Rahmen legen die Politischen Grundsätze fest, dass Deutschland seine Rüstungsexportpolitik restriktiv gestalten, den Export am außenpolitischen Interesse Deutschlands orientieren und durch die Kontrolle der Exporte einen Beitrag zur Sicherung des Friedens leisten will.

 

Menschenrechtslage im Empfängerland

Dabei gilt für alle Rüstungsexporte, dass „der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungsland […] besonderes Gewicht beigemessen“ wird und eine Exportgenehmigung „grundsätzlich nicht erteilt [wird], wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression […] oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden“ (Absatz I [2] und [3]).

Die verschiedenen Kriterien der Politischen Grundsätze führen zu einer Abwägung der Menschenrechtslage im Empfängerland und finden so Eingang in jedes Exportgenehmigungsverfahren. Dabei legen die Politischen Grundsätze unterschiedliche Exportregeln fest, je nachdem, um welches Empfängerland es konkret geht: Zum einen gilt für NATO-Länder, Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die mit der NATO als gleichgestellt geltenden Länder (Australien, Neuseeland, Japan und die Schweiz), dass der Rüstungsexport „grundsätzlich nicht zu beschränken [ist], es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist“ (Absatz II [1]).

Im Gegensatz dazu gilt für alle anderen Staaten („Drittländer“), dass Rüstungsexporte in diese Länder restriktiv gehandhabt werden. Dies bedeutet konkret, dass der Export von Kriegswaffen grundsätzlich nicht genehmigt wird, „es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen [Deutschlands] […] ausnahmsweise [für die] Genehmigung sprechen“ (Absatz III [3]). Es müssen also aus Sicht der Bundesregierung besondere Gründe vorliegen, die den Export von Kriegswaffen rechtfertigen. Industriepolitische Motive spielen hierbei erklärtermaßen keine Rolle.

Immer wieder wird in der politischen Debatte, insbesondere bei uns in Deutschland, gefordert, die Genehmigung von Rüstungsexporten müsse auf die europäische Ebene gehoben werden. Als maßgebliche, zwischen den EU-Mitgliedsländern abgestimmte Übereinkunft gilt dort der Gemeinsame Standpunkt des Rates der Europäischen Union (zuletzt überarbeitet im Jahr 2019). Der Gemeinsame Standpunkt (Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP) soll einen gemeinsamen Mindeststandard aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union beim Rüstungsexport gewährleisten. Zu diesem Zweck schreibt er acht Kriterien vor, anhand derer über die Genehmigung von Rüstungsexporten in Drittstaaten entschieden werden soll. Die Anwendung der Regeln des Gemeinsamen Standpunkts wird in Deutschland bereits durch die Politischen Grundsätze garantiert, im Fall strengerer Regeln haben diese jeweils Vorrang (Absatz I [1]). Die Entscheidung über einzelne Exportvorhaben wird jedoch weiterhin den nationalen Ebenen vorbehalten bleiben. Es kann dennoch nicht darüber hinweggesehen werden, dass Rüstungsexporte in der Europäischen Union in praxi ganz unterschiedlich gehandhabt werden und dies zu massiven Verzerrungseffekten im Wettbewerb der nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrien führen kann. Auch sind die massiven Unterschiede zwischen einer aktuell sehr restriktiven Handhabung insbesondere von Drittlandexporten bei und in Deutschland und vergleichsweise lockeren Handhabungen in Frankreich, Spanien, Italien sowie – außerhalb der Europäischen Union – in Großbritannien der Grund dafür, dass andere europäische Länder Rüstungskooperationen mit deutscher Beteiligung eher scheuen. Dies muss jeder Bundesregierung bewusst sein, wenn sie aus guten Gründen zu mehr gemeinsamer Rüstung in Europa aufruft.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Unternehmen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in erster Linie die Bereitstellung notwendiger Verteidigungsgüter und Dienstleistungen zur Aufrechterhaltung unserer nationalen Sicherheit gewährleisten. In Sachen Rüstungsexport agieren sie aus eigener Überzeugung in Übereinstimmung mit allen gesetzlichen Vorschriften und Exportkontrollen, um den Missbrauch ihrer Produkte zu verhindern. Rüstungsunternehmen sind darauf angewiesen, langfristige Stabilität und Sicherheit aufrechtzuerhalten, um ihre Geschäfte erfolgreich zu betreiben. Im Übrigen bemühen sie sich seit Langem um die Einhaltung ethischer Standards (Stichwort: Compliance) und neuerdings auch um eine besonders konsequente Umsetzung der ESG-Standards (Environmental, Social and Corporate Governance), wie sie durch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorgegeben sind.

 

Hans Christoph Atzpodien, gboren 1955 in Düren, promovierter Rechtswissenschaftler, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.