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„Bis zur letzten Präsidentschaftswahl in den USA hat sich niemand für das Thema Digitale Desinformation interessiert“, so lautet die Einschätzung von Alina Polyakova, seit diesem Jahr David M. Rubenstein Fellow bei der renommierten Brookings Institution und Co-Autorin der Publikation „The Kremlin’s Trojan Horses 2.0“. Heute sei das Thema Desinformation – oftmals synonym zum wesentlich populäreren Begriff fake news verwendet – ein wichtiger Punkt auf der Themenagenda aller wichtigen Think Tank von Washington D.C. bis Berlin. Um ein gänzlich neues Phänomen handele es sich jedoch nicht, so Polyakova. Das Streuen falscher Informationen ist neben dem Leaken geheimer Informationen und gezielten Cyberattacken auf politische Institutionen oder Personen nur eines von vielen Instrumenten, die genutzt werden, um die politische Meinungsbildung, die heute immer häufiger im Netz stattfindet, gezielt zu beeinflussen. Auch Geisha Gonzales vom Dinu Patriciu Eurasia Center des American Council teilt die Einschätzung von Polyakova: „Das Thema Desinformation ist kein neues Thema in der Politik“. Der Atlantic Council beschäftigt sich bereits seit 2015 der mit diesem Thema und hat sich dabei zum Ziel gesetzt, das Bewusstsein für das Thema zu erhöhen, Politiker und Meinungsbildner für das Thema sensibilisieren und Expertennetzwerke aufbauen. Sie merkt weiterhin an, dass es nicht um ein statisches Phänomen handele. „Digitale Desinformation ist intelligent“, so Gonzales. Digitale Desinformation sei in der Lage, sich zu verändern und immer neue Werkzeuge zu entwickeln.
150 Millionen Amerikaner sahen russische Inhalte
Wie groß ist der Einfluss von gezielten Falschmeldungen auf die politische Meinungsbildung wirklich? Im Oktober 2017 wurden Vertreter von Facebook, Google und Twitter vor den Kongress in Washington geladen. Bei der Anhörung schätzten Vertreter von Facebook, dass allein über das weltweit größte soziale Netzwerk und die Foto-Plattform Instagram rund 150 Millionen US-Amerikaner im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen Posts, Bilder und Werbeanzeigen mit Inhalten, die nachweislich von russischen fake accounts stammen, gesehen haben. Die Brookings-Publikation „The Kremlin’s Trojan Horses“ untersuchte in zwei Ausgaben den Einfluss russischer Propaganda auf europäische Länder wie z.B. Deutschland, Frankreich und Italien. Deutschland stehe noch immer im Fokus, auch wenn die im Vorfeld der Bundestagswahl im September befürchteten Cyberattacken ausgeblieben sind, so Autorin Alina Polyakova: „Deutschland ist noch immer angreifbar.“ Durch die enge Verbindung des deutschen Energiesektors mit russischen Konzernen müsse auch in Zukunft mit einer direkten oder indirekten Einflussnahme des Kremls gerechnet werden. Auch die neue Funktion von Ex-Kanzler Gerhard Schröder im Aufsichtsrat des russischen Konzerns Rosneft sieht Polyakova als „zutiefst beunruhigend“. In Europa sieht Polyakova weiterhin Italien als „ein potenzielles Problem“. Durch den Erfolg der rechten Liga-Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung wächst hier die Möglichkeit der Einflussnahme durch den Kreml.
„Es geht hier nicht um Zensur“
Die Gefahr der Digitalen Desinformation liegt vor allem darin begründet, dass sie nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist. Gezielte Falschinformation lebt von der massenhaften Verbreitung von Posts durch das Liken und Teilen, oftmals auch von realen Personen aus unserem (virtuellen) Freundeskreis. Was können wir tun, damit wir in Zukunft besser gegen Desinformations-Kampagnen besser gewappnet sind? „Es geht hier nicht um Zensur“, stellt Geisha Gonzales fest. Nicht das Löschen von Inhalten müsse im Vordergrund stehen, sondern das Sicherstellen von „echten“ Informationen. Alina Polyakova beklagt indes eine Entwicklung im Bereich der Online-Regulierung, die nur äußerst langsam voranschreitet. Es gäbe zwar zahlreiche Handlungsempfehlungen, doch richtig bewegen würde sich bis heute nichts. Internetkonzerne seien weit weniger reguliert als z.B. Presse oder Rundfunk, was auch am Selbstverständnis der großen Internetkonzerne liegt. „Die Internetkonzerne weigern sich noch immer, sich Unternehmen zu nennen“, so Polyakova. Vielmehr sähen sich Facebook und Co. noch immer als neutrale Plattformen an, die lediglich Inhalte ihrer Nutzer teilen. Die Politik allein kann im Moment nur wenig ausrichten. „Die Unternehmen müssen sich endlich bewegen“, fordert Alina Polyakova.
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