Jugend und Ausbildung
Alfred Gomolka wurde am 21. Juli 1942 in Breslau geboren. Er kam aus einfachen Verhältnissen: Sein Vater arbeitete als Schneidergeselle. Seine Mutter stammte aus einer bäuerlichen Wirtschaft. Nach der Flucht in Folge des Zweiten Weltkrieges über Prag, Wien, Regensburg und Würzburg gelangte er mit seinen Eltern und seiner Schwester ins thüringische Eisenach. Dort absolvierte der gläubige Katholik 1960 das Abitur und studierte anschließend in Greifswald Germanistik und Geographie. 1964/65 unterrichtete er als Lehrer in Sollstedt.
Nach seiner Rückkehr an die Universität Greifswald und der Diplomprüfung im Fach Geographie 1965 arbeitete er als Assistent am Geographischen Institut der Universität. 1971 wurde er mit einer Untersuchung über „Küstenverhältnisse und Küstendynamik des Greifswalder Boddens“ promoviert. 1988 erfolgte die Habilitation (Promotion B). Gomolka wirkte nunmehr als Dozent für physische Geographie mit Schwerpunkten auf der Geomorphologie, der Geoökologie und der historischen Geographie. Als Nichtmitglied der SED blieb ihm jedoch eine ordentliche Professur versagt.
Politische Betätigung in der DDR
Bereits im Alter von 18 Jahren trat Gomolka der CDU in der DDR bei. Aus Protest gegen die Zustimmung seiner Partei zum Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in Prag 1968 verließ er die CDU wieder. 1971 kehrte er im Zuge der Entspannungspolitik in die CDU zurück. Damit verbunden war seine Hoffnung, „doch etwas von innen bewegen zu können“.
1971 wurde Gomolka Mitglied des Rates der Stadt Greifswald und übernahm dort von 1979 bis1984 hauptamtlich die Zuständigkeit für Wasserwirtschaft, Umwelt- und Wohnungsfragen. Dabei gelangen ihm kleinere politische Erfolge, so etwa der Neubau einer Abwasserleitung.
1984 wurde er Mitglied im Hauptvorstand der CDU und stellvertretender Abteilungsleiter für Kirchenfragen. Diese Position gab er jedoch nach drei Monaten wieder auf, da er erkennen musste, dass er die politische Richtung nicht wesentlich beeinflussen konnte. Um nicht als „christlicher Vorzeigeidiot“ der DDR-Machthaber zu enden, zog er sich unter Beibehaltung seines CDU-Parteibuches aus der Politik zurück und nahm 1985 seine Tätigkeit an der Universität Greifswald wieder auf.
Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern
Der politische Umbruch in der DDR 1989 führte Gomolka in die Politik zurück. So nahmen er und seine Familie an Demonstrationen der Bürgerbewegung teil. Auch in die erneuerte CDU unter ihrem Vorsitzenden Lothar de Maizière brachte er sich wieder aktiv ein. Am 10. Februar 1990 wurde er in Greifswald zum Kreisvorsitzenden gewählt. Bei den freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 zog er als CDU-Abgeordneter in das Parlament ein.
Die Wahl des „bedächtigen Pfeifenrauchers“ (Joachim Rogge, Stuttgarter Zeitung) zum Spitzenkandidaten der CDU bei der Wahl des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern am 14. Oktober 1990 erfolgte für die Öffentlichkeit und auch für ihn selbst überraschend. In einer parteiinternen Kampfabstimmung setzte sich Gomolka dabei gegen den späteren Landesinnenminister Georg Diederich durch. Favorit für die Kandidatur war eigentlich der Landesvorsitzende Günther Krause gewesen, der sich jedoch für eine Karriere in der Bundespolitik entschied. Bei der Landtagswahl erhielt die CDU 38,3 Prozent der Stimmen. Zusammen mit der FDP und einem fraktionslosen Überläufer aus den Reihen der Sozialdemokraten bildete Gomolka eine schwarz-gelbe Regierung, die im Landtag lediglich über eine knappe Mehrheit verfügte. Dennoch wurde er am 27. Oktober 1990 mit 36 gegen 29 Stimmen bei einer Enthaltung zum Ministerpräsidenten gewählt. Im Jahr darauf übernahm Gomolka als erster Regierungschef aus den neuen Bundesländern das Amt des Bundesratspräsidenten. Im Oktober erfolgte zudem seine Wahl zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDU.
Schwerpunkte seiner Amtszeit als Regierungschef waren die Ausarbeitung und Verabschiedung einer Landesverfassung, der Aufbau einer funktionierenden Landesverwaltung und die Transformation der Wirtschaft. Besondere Probleme erwuchsen der neuen Regierung aus dem Zusammenbruch der Werftindustrie und der mit großen Schwierigkeiten verbundenen Umstrukturierung der Landwirtschaft. Beides führte zu massiven Arbeitsplatzverlusten. Im Februar 1991 wurde in Mecklenburg-Vorpommern die höchste Arbeitslosenquote aller Bundesländer festgestellt.
Die Arbeit mit und innerhalb der CDU-Landtagsfraktion verlief nicht konfliktfrei. Die Fraktion galt als gespalten in eine kleine Gruppe von Abgeordneten, die sich als Erneuerer verstanden und auf deren Seite auch Gomolka agierte, sowie deren Kritiker. Eine Diskussion um Kontakte zur Staatssicherheit beeinträchtigte ebenfalls die Arbeit. So galten sieben der 30 CDU-Abgeordneten als belastet. Vier von ihnen mussten ihr Mandat niederlegen.
Auch bundespolitisch meldete sich der in der Presse als „kleiner Kohl von Schwerin“ gelobte Gomolka zu Wort und sprach sich im September 1991 für Angela Merkel als stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Nachfolgerin von Lothar de Maizière aus.
Der Sturz
Die Debatte um die Privatisierung der Werften in Mecklenburg-Vorpommern und den dadurch befürchteten Verlust von Arbeitsplätzen führte zu massiven Auseinandersetzungen sowohl innerhalb der Landesregierung als auch innerhalb der CDU. Konkret ging es darum, ob die Werften im Verbund oder einzeln verkauft werden sollten. Gomolka stand in diesem Konflikt im Gegensatz zum starken Mann der Landespartei, Bundesverkehrsminister Günther Krause, der sich gegen eine Zerstückelung der Werftindustrie aussprach und in Gomolkas Abwesenheit einen entsprechenden Beschluss der CDU-Landtagsfraktion herbeiführte. Damit standen Krause und die Landtagsfraktion auch im Gegensatz zu den Vorstellungen der FDP und der Treuhandanstalt, die einen Einzelverkauf befürworteten. Anfang März 1992 einigte sich die Landesregierung unter Führung Gomolkas mit der Treuhandanstalt auf eine Teilverbundlösung. Danach sollte das Diesel-Motorenwerk Rostock und die MTW-Werft in Wismar an den Bremer Vulkan sowie die Neptun-Warnow-Werft in Rostock bzw. Warnemünde an den norwegischen Kvaerner-Konzern verkauft werden. Die CDU-Fraktion folgte widerstrebend ihrem Regierungschef und votierte damit gegen ihren ursprünglichen Beschluss.
Gomolka ging aus dem Streit geschwächt hervor, da sich in den eigenen Reihen Unmut über seinen Regierungsstil angesammelt hatte. Von Seiten seiner innerparteilichen Gegner wurden ihm Führungsschwäche, mangelnde Zielstrebigkeit sowie eine Vorliebe für einsame Entscheidungen vorgeworfen. Auch missfiel manchen Parteifreunden seine Kompromissbereitschaft gegenüber dem Koalitionspartner FDP. Das galt auch für sein Verhalten in der Rundfunkfrage. So favorisierte er zunächst die Gründung einer Nordostdeutschen Rundfunkanstalt. Später trug er den Vorschlag der FDP mit, eine Kooperation mit dem NDR anzustreben.
In der zweiten Märzwoche 1992 versuchte Gomolka sich gegen den ausdrücklichen Rat von Bundeskanzler Helmut Kohl mit der Entlassung von Justizminister Ulrich Born eines seiner schärfsten Kritiker zu entledigen. Born warf er Illoyalität vor und verdächtigte ihn, aktiv an seiner Ablösung gearbeitet zu haben. Die CDU-Fraktion stellte sich jedoch unter ihrem Vorsitzenden Eckhard Rehberg auf die Seite von Born und entzog ihrem Ministerpräsidenten mit 22 zu 6 Stimmen das Vertrauen. Daraufhin trat Gomolka am 16. März 1992 als Ministerpräsident zurück, blieb jedoch weiterhin Landtagsabgeordneter. Zu seinem Nachfolger wurde am 19. März 1992 der Generalsekretär der Landes-CDU, Berndt Seite, gewählt.
Übernahme von Verantwortung für Europa
Noch im Jahr seines Rücktritts erhielt Gomolka einen Ruf als Professor für Raumordnung und Landeskunde an der Universität Greifswald. 1993 beklagte Gomolka die „maroden Zustände“ in der Landespartei und erklärte seine Bereitschaft, wieder als Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern zu kandidieren. Aufgrund mangelnder Unterstützung verzichtete er dann aber auf seine Bewerbung. Ende 1993 wurde er auf einem Landesparteitag unter der neuen Vorsitzenden Angela Merkel in seiner Funktion als stellvertretender Landesvorsitzender bestätigt. Er bewarb sich außerdem mit Erfolg um die Spitzenkandidatur der CDU in Mecklenburg-Vorpommern für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Am 12. Juni 1994 wurde er ins Europaparlament gewählt. 1999 und 2004 wurde er erneut gewählt. Als Mitglied im Auswärtigen Ausschuss engagierte sich Gomolka für die Osterweiterung der Europäischen Union. Die siebenjährige Leitung einer Delegation für Kontakte zum lettischen Parlament brachte ihm nicht nur den lettischen „Drei-Sterne-Orden“, sondern auch den Spitznamen „Mister Lettland“ ein.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Europäischen Parlament 2009 engagierte sich Gomolka in der Seniorenpolitik und führte bis 2015 den mecklenburgisch-vorpommerschen Landesverband der Senioren Union. Zudem amtiert er seit 1992 als stellvertretender Vorsitzender der Paneuropa-Union Deutschlands.
Alfred Gomolka verstarb am 5. März 2020 im Alter von 77 Jahren.
Curriculum vitae
- geb. am 21. Juli 1942 in Breslau
- 1960 Abitur in Eisenach
- 1960–1964 Lehramtsstudium in Greifswald
- 1960 Beitritt zur CDU in der DDR
- 1964–65 Tätigkeit als Lehrer in Sollstedt
- 1965 Diplom
- 1967–1979 Assistent am Geographischen Institut der Universität Greifswald
- 1968 Austritt aus der CDU
- 1971 Wiedereintritt in die CDU
- 1971 Promotion
- 1971–1984 Mitglied des Rates der Stadt Greifswald
- 1979–1984 hauptamtliches Ratsmitglied der Stadt Greifwald
- 1974–1984 Mitglied im Kreisvorstand der CDU Greifswald
- 1984 Mitglied im Hauptvorstand der CDU und stellvertretender Abteilungsleiter
- 1985–1989 Assistent/Oberassistent an der Universität Greifwald
- 1988 Habilitation (Promotion B)
- 1989 Dozent für physische Geographie an der Universität Greifwald
- 1990 und 1992–2001 Kreisvorsitzender der CDU in Greifswald
- 1990 Mitglied der Volkskammer
- 1990–1994 Mitglied des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern
- 1990–1992 Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern
- 1991–1997 Stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Mecklenburg-Vorpommern
- 1992–2007 Professor für Raumordnung und Landeskunde an der Universität Greifswald
- 1994–2009 Mitglied des Europäischen Parlaments
- 2009–2015 Landesvorsitzender der Senioren Union Mecklenburg-Vorpommern
Literatur
- 20 Jahre CDU-Landtagsfraktion Mecklenburg Vorpommern: Aufbruch in die Demokratie/Textband, hrsg. von der CDU-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Neubrandenburg 2010.
- Werz, Nikolaus/Hennecke, Hans Jörg (Hrsg.): Parteien und Politik in Mecklenburg-Vorpommern, München 2000.