Günther H. Oettinger wurde am 15. Oktober 1953 in Stuttgart geboren. Er wuchs in Ditzingen im Landkreis Ludwigburg auf. Nach dem Abitur im Jahr 1972 studierte er Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft an der Universität Tübingen. 1978 legte er die erste, 1982 die zweite juristische Staatsprüfung ab. Als Jurist trat er in die Fußstapfen seines Vaters, dem Inhaber einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Ditzingen. Nach einer Tätigkeit als Assessor und der Zulassung zum Rechtsanwalt wurde er 1988 Geschäftsführer der Sozietät Oettinger & Partner. Den Beruf des Rechtsanwalts übte er bis 2005 neben seinen politischen Ämtern aus.
Im Alter von 21 Jahren trat er der CDU bei und engagierte sich zunächst in der Kommunalpolitik. 1977 gründete er in Ditzingen einen Ortsverband der Jungen Union und übernahm den Vorsitz der CDU Ditzingen. Im Stadtrat von Ditzingen vertrat er die CDU von 1980 bis 1994, seit 1982 als Fraktionsvorsitzender. Von 1983 bis 1989 stand er an der Spitze der Jungen Union in Baden-Württemberg.
Landtagsabgeordneter 1991-2005
1984 wurde Oettinger als Direktkandidat der CDU des Wahlkreises Vaihingen in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt. Nachdem im Januar 1991 das Amt des Fraktionsvorsitzenden durch die Wahl Erwin Teufels zum Ministerpräsidenten frei geworden war, rückte Oettinger an die Spitze der Landtagsfraktion. Erfolgreich koordinierte er über wechselnde Koalitionen hinweg von 1991 bis 2005 die Arbeit der CDU-Fraktion. Als Mehrheitsbeschaffer für die Politik Erwin Teufels erwarb er sich in dieser Zeit den Ruf eines „Pragmatikers der Macht“. Thematische Schwerpunkte seiner politischen Arbeit waren Wirtschaft und Finanzen, er erwarb sich in dieser Zeit den Ruf eines Ordoliberalen.
Bundespolitisch profilierte er sich seit 1999 als Vorsitzender des CDU-Bundesfachausschusses für Medienpolitik. Bei einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung im November 1999 plädierte er mit Blick auf die Ausbreitung der Neuen Medien für „weniger und liberalere Regelungen im Medienbereich“.
Schon länger wurde Oettinger in der Öffentlichkeit als „Kronprinz im Wartestand angesehen, im März 2004 machte er seine Ambitionen auf die Nachfolge Erwin Teufels als Ministerpräsident selbst publik. In der CDU Baden-Württembergs mehrten sich in dieser Zeit die Rufe nach einem Generationenwechsel an der Spitze von Partei und Landesregierung. Nachdem Teufel dann im Oktober 2004 seinen vorzeitigen Rücktritt im April 2005 ankündete, konnte sich Oettinger in einem Mitgliederentscheid des CDU-Landesverbands gegen seine Mitbewerberin, die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan, als Kandidat für die Nachfolge des Ministerpräsidenten durchsetzen. 60,6% der CDU-Mitglieder sprachen ihm ihr Vertrauen aus. Oettingers tiefe Verankerung in der Landespolitik gab den Ausschlag für diese Entscheidung. Auch galt er als Kandidat mit der größeren finanz- und wirtschaftspolitischen Kompetenz, ein wichtiges Argument im südwestdeutschen „Musterländle“.
Ministerpräsident von Baden-Württemberg 2005-2009
Bei seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Stuttgarter Landtag am 21. April 2005 erhielt Oettinger 76 von 126 Stimmen. Das waren zwei Stimmen mehr, als die Regierungsfraktion aus CDU und FDP Sitze hatte. Am 29. April 2005 wählten ihn die Delegierten des CDU-Landesparteitags auch zum neuen Vorsitzenden der CDU Baden-Württemberg.
In seiner Regierungserklärung am 27. April 2005 kündigte er an, die Themen Wirtschaft, Bildung und Familie in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen. Mit der Initiative „Kinderland Baden-Württemberg“ förderte die Regierung Oettinger in der Folge den Ausbau von Ganztagsschulen. Die im Februar 2006 neu berufene Sozialministerin Monika Stolz wurde zur ersten „Kinderbeauftragten“ des Landes ernannt, mit dem Ziel, den Interessen von Familien und Kindern in allen Politikfeldern Geltung zu verschaffen. Zwischen 2005 und 2010 konnte die CDU/FDP-Koalition die Zahl der Betreuungsplätze in Baden-Württemberg um das Dreifache steigern. In der Hochschulpolitik kam es zu einem Paradigmenwechsel: Am 22. November 2005 verabschiedete die Regierung Oettinger einen Gesetzentwurf zur Einführung von Studiengebühren ab dem Sommersemester 2007. Weil die Absolventen eines Studiums in der Regel später auch ein höheres Einkommen erzielten, sei dieser Eigenbeitrag der Studenten „gerecht und zumutbar“, so Oettinger.
Bei der Landtagswahl im März 2006 erhielt die CDU 44,2% der Wählerstimmen, eine klare Bestätigung für die Politik Oettingers, der die Koalition mit der FDP fortsetzte. Klare Priorität räumte er nun dem Ziel der Haushaltskonsolidierung ein. 2008 konnte die Landesregierung ihre Ankündigung wahrmachen, erstmals seit 38 Jahren einen Haushalt ohne neue Kreditaufnahme vorzulegen. Eine weitere zentrale landespolitische Weichenstellung erfolgte durch die Zusage des Ministerpräsidenten, dass sich das Land Baden-Württemberg an den Kosten für das umstrittene Bauprojekt „Stuttgart 21“ beteiligen werde. Die Finanzierungsvereinbarung für das Infrastrukturprojekt zwischen Land, Bund und Bahn AG wurde am 2. April 2009 von Oettinger mit unterzeichnet.
Am Zustandekommen der Förderalismusreform II, die am 1. August 2009 in Kraft trat, war Oettinger entscheidend beteiligt. Zusammen mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Peter Struck, stand er seit März 2007 an der Spitze der von Bundestag und Bundesrat berufenen Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die mit der Ausarbeitung der Reform beauftragt war. Mit der Föderalismusreform einigten sich Bund und Länder auf die Verankerung einer Schuldenbremse im Grundgesetz. Ab 2020 dürfen die Länder grundsätzlich keine neuen Schulden mehr machen, der Bund wird ab 2016 seine Nettokreditaufnahme auf 0,35% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts beschränken.
EU-Kommissar für Energiepolitik seit 2010
Oettingers Nominierung als EU-Kommissar durch die Bundesregierung im Herbst 2009 erfolgte für die Öffentlichkeit überraschend. Am 9. Februar 2010 trat er vom Amt des Ministerpräsidenten zurück, den Vorsitz der CDU Baden-Württembergs hatte er bereits im November 2009 an seinen Nachfolger Stefan Mappus abgetreten. In Brüssel übernahm er im Februar 2010 das EU-Kommissariat für Energie. Für die Ausarbeitung der EU-Energiestrategie 2020, die die EU-Kommission im November 2010 verabschiedete, war er politisch verantwortlich. Ziele der Strategie sind Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und die Durchsetzung eines EU-Energiebinnenmarktes bis 2015. Besondere Bedeutung erlangte Oettingers Ressort im März 2011 nach dem Reaktorunglück in Fukushima. Bis dahin zählte Oettinger zu den Befürwortern der Kernenergie. Fukushima sei für ihn „eine Zäsur“: „Wenn die Japaner diese Technologie nicht beherrschen, dann birgt die Kernkraft Risiken, die ich zuvor nicht gesehen habe.“ Nach dem Unglück veranlasste Oettinger einen „Stresstest“ zur Prüfung von Störfallrisiken bei allen europäischen Atomkraftwerken. Die Durchführung der Tests erfolgte aus Rechtsgründen allerdings auf freiwilliger Basis. Im Juni 2013 stellte er einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, Kernkraftwerke in Zukunft mindestens alle sechs Jahre einer Prüfung zu unterziehen.
Mit Blick auf die deutsche „Energiewende“ warnt Oettinger regelmäßig vor „deutschen Alleingängen“ und spricht sich für eine stärkere Europäisierung des Strommarktes und eine Harmonisierung bei den nationalen Fördersystemen für Erneuerbare Energien aus. „Dieser Binnenmarkt für Strom und Gas wird die Qualität des Angebots stabil halten. Oder sogar steigern. Die Versorgungssicherheit erhöhen. Und den Druck auf die Preisentwicklung verstärken.“
Seit 2014
Im Zuge der Neukonstitution der Europäischen Kommission nominierte ihn der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im September 2014 als EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Nach seinem Amtsantritt am 1. November 2014 setzte sich Oettinger für den Ausbau eines "Digitalen Binnenmarktes" der EU ein: "Wir brauen einen Markt, eine Regulierung und eine gemeinsame Strategie" (FAZ.net vom 9. Juni 2015).
Nach zwei Jahren in diesem Amt übernimmt er im Januar 2017 den Posten des EU-Kommissars für Haushalt und Wirtschaft.
Im Dezember 2017 kündigte Oettinger an, dass er nach dem Ablauf seines Mandats Mitte 2019 in die Privatwirtschaft wechseln möchte.
Curriculum vitae
- 1972 Abitur
- 1972–1978 Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Tübingen
- 1974 Eintritt in die CDU
- 1977–1985 Vorsitzender der CDU Ditzingen
- 1978 1. juristisches Staatsexamen
- 1979–1983 Mitglied des Kreistags Ludwigsburg
- 1980–1994 Mitglied des Gemeinderats der Stadt Ditzingen, dort ab 1982 Fraktionsvorsitzender
- 1982 2. juristisches Staatsexamen
- 1982–1984 Tätigkeit in einer Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzlei
- 1983–1989 Vorsitzender der JU Baden-Württemberg
- seit 1984 Rechtsanwalt
- 1984–2010 Mitglied des Landtags Baden-Württemberg
- 1988–2005 Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfer- und Anwaltskanzlei
- 1991–2005 Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg
- 1999–2006 Vorsitzender des Bundesfachausschusses für Medienpolitik der CDU
- 2001–2005 Bezirksvorsitzender der CDU Nordwürttemberg
- 2005–2009 Vorsitzender der CDU Baden-Württemberg
- 2005–2010 Ministerpräsident von Baden–Württemberg
- 2010-2014 EU-Kommissar für Energie
- 11/2014-1/2017 EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft
- 2017-2019 EU-Kommissar für Haushalt und Personal