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Zwei Jahre nach dem Arabischen Frühling: Wohin steuert Ägypten?

Eine Bilanz des Wiesbadener Tischgesprächs 22. April 2013

"Ägypten hat einen schweren Sommer vor sich. Wenn im Juli während des Ramadan Lebensmittel fehlen, kann es zu weiteren Massenprotesten kommen." Dr. Andreas Jacobs, bis Mai letzten Jahres als Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo, überraschte manchen der 50 Teilnehmer des Wiesbadener Tischgespräches mit sehr nüchternen Analysen und eindeutigen Schlußfolgerungen: "Für die Wirtschaft sieht es nicht gut aus. Obwohl Äpypten dringend frisches Geld braucht, liegt der Tourismus brach, und ausländische Investitionen kamen zum Stillstand. Da bleibt nur noch der Suez-Kanal."

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Dr. Andreas Jacobs (Foto: Christine Leuchtenmüller)

Zwei Jahre nach dem von westlichen Medien als Aufbruch zur Demokratie gefeierten "Arabischen Frühling" stellte der 1969 in Kleve geborene Islamwissenschaftler klar: "Es gibt heute keine funktionierende Opposition. Säkularismus gilt als Schimpfwort." Der ohnehin nur in der Oberschicht wirksame liberal-säkulare Block sei in zwei Dutzend kleine Parteien zerfallen. Jacobs, der bereits als Student in Kairo gelebt hatte, zeigte keine Scheu, von geringer Kenntnis der Region geprägte Klischees über das Ringen um die Macht in dem bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt zu korrigieren. Obwohl während der Proteste auf dem Tahrir-Platz Journalisten in alle Welt vor allem über die nach Freiheit strebende ägyptische Jugend berichtet hätten, sei auch der der Einfluß antiliberaler und antidemokratischer Kräfte unübersehbar gewesen.

Verblüffung rief Jacobs mit seiner These hervor, in Ägypten habe sich gar keine Revolution ereignet: "Es ging um Systemerhalt. Es mußte sich etwas ändern, damit sich nichts ändert." Da vor einigen Jahren Mubaraks Sohn Gamal die Privilegien des Militärs als stärkstem wirtschaftlichem und politischem Akteur des Landes habe beschneiden wollen, hätten sich die Befehlshaber der Streikräfte entschlossen, den Präsidenten fallen zu lassen und die Muslimbrüderschaft, die mit den Spitzenmilitärs eine informelle Vereinbarung getroffen habe und letztlich den zuvor der Bevölkerung weitgehend unbekannten Mohammed Mursi zum Präsidenten wählen ließ, gewähren zu lassen.

Befragt nach dem Einfluß der Weltmacht USA auf die politischen Akteure im Staat am Nil, antwortete Jacobs, dass viele Beobachter aus seiner Sicht die Relevanz der US-Militärhife in Höhe von jährlich etwa 1,3 Milliarden Dollar überschätzten. Während er "keinen Ägypter getroffen hat, der einen Konflikt mit Israel will" und sich das Militär nach "schlechten Erfahrungen" Zurückhaltung auferlegt habe, wies Jacobs darauf hin, dass die Muslimbruderschaft, deren "Ableger Hamas" im Gazastreifen herrscht, aus ihrer Feindschaft zu Israel beträchtliche Glaubwürdigkeit beziehe, aus seiner Sicht allerdings eine Konfrontation mit Israel "nur als letzte Legitimationsressource" einsetzen werde.

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Dr. Thomas Ehlen

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