Country reports
Dabei spielte die sehr positive öffentliche Meinung über die neue Wirtschaftspolitik, die „Abenomics“ genannt wird, eine entscheidende Rolle, aber auch eine weitgehende Unterstützung der Bevölkerung für das selbstbewusste und klare Auftreten des Ministerpräsidenten in der Außenpolitik, vor allem gegenüber China. Entgegen der kritischen Einschätzung vieler Beobachter dürften jedoch auch die seit Regierungsantritt andiskutierten Pläne zur Revision der pazifistischen Verfassung zu dem sehr guten Wahlergebnis beigetragen haben.
Insoweit konnte Ministerpräsident und Parteivorsitzender Abe seine Popularität in Stimmen umsetzen und schließt mit diesem Ergebnis an die besten Wahlergebnisse der LDP an. Die Oberhauswahlen dürften die seit 2007 im politisch-parlamentarischen Japan herrschende politische Instabilität, welche zu jährlichen Wechseln von Ministerpräsidenten und Regierungen führte, für die nächsten Jahre beendet haben.
Insgesamt kann das Wahlergebnis als eine Stärkung der konservativen Kräfte Japans bewertet werden. Die Wahl war gleichermaßen ein eindeutiges Votum für eine aktive Wachstumspolitik, für die Durchführung von Strukturreformen sowie gegen eine Energiewende, sondern für die Aufrechterhaltung der Atomkraft.
Die Sitzverteilung im Oberhaus
Das Oberhaus umfasst 242 Sitze, von denen auf der Grundlage des japanischen Wahlsystems am Sonntag die Hälfte, also 121 Sitze neu gewählt wurden. Die Regierungskoalition aus LDP und New Komeito Party erhielt ein Mehrheitsmandat:
Von allen Parteien verzeichnete die LDP den höchsten Zuwachs an 31 Sitzen. Die nationalistische Nippon Ishin legte um 6 Sitze zu, die Japan Communist Party und die rechtskonservative Your Party um jeweils fünf, während der buddhistisch-religiös orientierte Koalitionspartner New Komeito sich um lediglich einen Sitz verbessern konnte. Die Democratic Party of Japan (DPJ) büsste dagegen 27 Sitze ein, während die Anti-Atomkraft-Partei Midori alle vier Sitze verlor.
Die Wahlbeteiligung verringerte sich gegenüber der letzten Oberhauswahl um knapp 6% und lag bei etwas mehr als 51%.
Die politische Agenda
Nach den Oberhauswahlen stehen entscheidende politische Weichenstellungen an, von denen die wichtigsten wie folgt beschrieben werden:
Dies betrifft zunächst die „Abenomics“, welche bislang eine neue Zuversicht in der japanischen Gesellschaft erzeugt und die Hoffnung auf ein Ende der verkrusteten Strukturen im Lande erweckt hat. Wachstum wie Exporte steigen, die Börse boomt, der Wert des Yen fällt, die Kreditvergaben der Banken nehmen zu, wie auch Investitionen und Konsum. Die bisherige expansive Fiskal- und Geldpolitik hat dafür die Grundlagen gelegt. Diese Entwicklung gilt es zu konsolidieren und sie kann nur nachhaltig sein - darüber sind sich alle Ökonomen in Japan einig - wenn sie nunmehr zügig von weitreichenden Strukturreformen begleitet wird. Auch Ministerpräsident Abe hat darauf im Wahlkampf immer wieder hingewiesen. Die anstehende Durchführung von tiefgreifenden Strukturreformen dürfte über Erfolg und Misserfolg der „Abenomics“ und damit über die wirtschaftliche Zukunft Japans entscheiden.
Die zweite wichtige Reformmaßnahme ist ein rascher Abschluss der Verhandlungen über die Aufnahme Japans in die Trans-Pacific Partnership (TPP) sowie der Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union. Beiden kommt in der Strukturreformpolitik eine wichtige Bedeutung zu und von ihnen wird eine unterstützende Wirkung für ihre Durchführung erwartet. Beide Abkommen, insbesondere die TPP, weisen zudem ein geopolitisches Element auf. Sie bedürfen in Japan jedoch eines nicht zu unterschätzenden Durchsetzungsvermögens, da beide unmittelbar die wirtschaftlichen und materiellen Interessen von politischen Klientelgruppen der LDP, insbesondere im Agrar- und Gesundheitsbereich, berühren. Beide Abkommen sind deshalb in der LDP nicht unumstritten.
Ob die vor dem Wahlkampf diskutierten Möglichkeiten einer Revision der Verfassung nunmehr in das Regierungsprogramm aufgenommen werden, mag bezweifelt werden. Hier geht es primär um eine Änderung von Artikel 9. Er besagt, dass „das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten verzichtet". Ministerpräsident Abe hat sich im Wahlkampf zu diesem Thema sehr zurückhaltend geäußert und sagte in seinen ersten Statements am Wahlabend, dass dieses Thema für ihn und die Regierung nur einen sehr langfristigen Charakter habe.
Im Hinblick auf die Beschneidung der Staatsverschuldung ist es dringend notwendig, die noch von der Regierung Noda (DPJ) beschlossene Erhöhung der Umsatzsteuer um 3% auf 8% ab 2014 und um weitere 2% ab 2015 auch durchzuführen. Diese Entscheidung, mit Stimmen der LDP, war im steuerverwöhnten Japan ein wesentlicher Grund, warum die DPJ die Wahl zum Unterhaus im Dezember 2012 verlor. Ministerpräsident Abe sagte bereits vor dem Wahlkampf, dass die Regierung im Oktober dieses Jahres anhand der aktuellen ökonomischen Indikatoren eine endgültige Entscheidung über eine Erhöhung treffen werde.
Ministerpräsident Shinzo Abe
Shinzo Abe entstammt einer alten Politikerfamilie. Dies trägt wesentlich zu seiner Popularität und das in ihn gesetzte Vertrauen bei. Im Gegensatz zur westlichen Welt werden in Japan politische Erfahrungen, die sich über mehrere Generationen in einer Familie gebildet haben, durchaus positiv bewertet. Sein Großvater Nobusuke Kishi war Minister während des 2. Weltkriegs und diente dem Land Ende der fünfziger Jahre als Ministerpräsident. Auch sein Onkel, Sato Eisaku, war von 1964 bis 1972 Ministerpräsident.
Kenner des politischen Systems führen aus, dass Abe’s Motivation und sein politisches Grundverständnis von der Konzeption der sog. „selbstbewussten“ nationalen Interessen Japans geprägt ist, das in der Meiji Restauration entstand und aus dem das Bestreben erwuchs, sich selbst zu schützen, zu modernisieren und international eine führende Rolle in technologischer und organisatorischer Hinsicht einzunehmen. Ihm wird aber auch ein politischer Realismus zugesprochen, der ihn politische Handlungsspielräume erkennen lasse und dazu beitragen dürfte, jene pragmatische und mutig-kühne Linie weiterzuführen, die seine ersten knapp acht Regierungsmonate auszeichneten.
Die Opposition
Der Verlierer der Oberhauswahlen ist die Democratic Party of Japan (DPJ). Das Ergebnis hat die Partei, die im Oberhaus schmerzende 26 Sitze verlor, weiter geschwächt. Sie erzielte das schlechteste Ergebnis seit ihrem Bestehen 1998. Eine kurzfristige Konsolidierung dürfte für die DPJ schwierig werden. Auf sie kommt jedoch eine große Verantwortung als wichtigster Oppositionspartei zu. Innerhalb des Parteienspektrums haben sich mehrere kleinere Parteien konsolidiert bzw. sind neu entstanden, die jedoch überwiegend rechts von der Mitte angesiedelt sind. Einige gelten jedoch eher als extreme ideologische Anhängsel der LDP, als eine ernstzunehmende Opposition. Eine mit deutscher Hilfe gegründete Grüne Partei blieb bedeutungslos, während die Kommunistische Partei Japans fünf Sitze zulegen konnte.
Die 1996 mit einer Änderung des Wahlrechts verbundene Absicht, durch die Einführung eines Ein-Sitz-Wahlkreises in Japan ein funktionsfähiges und klares Zwei-Parteien-System zu schaffen, ist damit bis auf weiteres nicht geglückt.
Durch das Ergebnis der Oberhauswahlen ist die LDP wieder zur stärksten politischen Kraft Japans geworden - eine Stellung, die sie von 1946 bis 2009 innehatte.
Ausblick
Die Koalitionsregierung hat eine komfortable Mehrheit erhalten und die LDP kann den nächsten Oberhaus- und Unterhauswahlen selbstbewusst entgegensehen, die beide 2016 anstehen. Mit der Mehrheit beider Häuser kann sie bequem und ohne ernstliche Opposition regieren und Gesetzesvorlagen ungehindert durch beide Häuser bringen. Darüber hinaus dürfte die LDP nunmehr in beiden Häusern in allen Ausschüssen die Mehrheit stellen.
Jedoch stehen jetzt nach der Wahl unpopuläre Entscheidungen an. Für ihre Durchführung sind gerade in Japan parteipolitische Geschlossenheit und ein hoher Grad an Disziplin der Abgeordneten notwendig. Dies könnte dann für eine Regierung unangenehm werden, wenn parteiinterne Interessensgruppen sich gegen weitreichende Reformen und strukturelle Anpassungsmaßnahmen sperren. Die LDP ist von unterschiedlichen Interessensgruppen geprägt, die zum Teil in erheblichem Gegensatz zur Reformpolitik stehen. Dennoch dürfte die Autorität des Ministerpräsidenten zumindest für eine gewisse Zeit groß genug sein, mögliche innerparteiliche Widerstände zu überwinden.
Dennoch: Die Regierung Abe hat eine überzeugende Mehrheit von den Wählern für die Durchführung von umfassenden Reformen erhalten und damit ein klares Mandat für eine Erneuerung Japans. Dies ist in demokratisch verfassten Staaten eine historische Chance. Die ersten Äußerungen des Ministerpräsidenten noch in der Wahlnacht und am heutigen Vormittag scheinen darauf hinzudeuten, dass die Reformen zügig weitergeführt und vorangetrieben werden. Shinzo Abe scheint sich seiner Verantwortung bewusst zu sein. Es ist Japan zu wünschen, dass die nunmehr eindeutige Regierungsmehrheit es schafft, trotz aller bestehenden Probleme das erwünschte und erwartete Ziel einer neuen und sich selbst verstärkenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik auch zu erreichen. Damit kann das Land wieder zu einem aktiven, führenden und einflussreichen Mitglied von Gewicht der Weltgemeinschaft werden, das mit seinen westlich geprägten und eher konservativen Werten verstärkt die globale Diskussion beeinflussen wird.