Country reports
Am 17.03.2014 fanden in Serbien Wahlen statt, aus denen die „Fortschrittspartei“ von Aleksandar Vucic mit einer absoluten Mehrheit hervorging. Die Parteienlandschaft in Serbien wurde zwar auf den Kopf gestellt, aber vom neuen starken Mann Vucic und seiner Partei wird erwartet, dass er den eingeschlagenen neuen proeuropäischen Kurs Serbiens, fortführen wird, der dem Land den Kandidatenstatus beschert hat. Im Kosovo bereitet man sich ebenfalls auf vorgezogene Parlamentswahlen vor. Obwohl u.a. die Wahlrechtsreform noch nicht abgeschlossen ist und die Frage der Plätze für Minderheiten im Parlament nicht geklärt ist, haben sich die großen Parteien des Landes auf Parlamentswahlen Mitte Juni geeinigt.
Vor dem Hintergrund dieser Abmachung bereitet sich Kosovo nun auf Parlamentswahlen vor. Der Ausgang der Wahlen in Serbien ebenso wie auch die Diskussion um die Einrichtung eines internationalen Tribunals zur Untersuchung von mutmaßlichen Kriegsverbrechen, die durch Angehörige der KLA (Kosovoarische Befreiungsarmee) begangen wurden, spielt dabei auch für die politische Szene im Kosovo eine Rolle. Die Gründung eines solchen Tribunals wird zurzeit von der Mehrheit der Parlamentarier mit der Begründung abgelehnt, dass die KLA aus Sicht Kosovos eine Befreiungsarmee und keine terroristische Gruppe war. Die meisten Abgeordneten bewerteten es als „unfair“, dass ehemalige KLA Soldaten ausserhalb des Kosovo angeklagt werden und fürchten, dass dem Land dadurch ein Imageschaden zugefügt werde.
Interne Faktoren, die zur Durchführung von Wahlen Mitte Juni beigetragen haben, sind ferner die aktuelle fragile Situation der von der PDK geführten Regierung, die bei Abstimmungen stets um ihre Stimmenmehrheit im Parlament bangen muss, da sie durch Abspaltung und interne Streitigkeiten mit prominenten Parteimitgliedern wie dem Parlamentspräsidenten Jakup Krasniqi und dem ehemaligen Verkehrsminister, Fatmir Limaj, extrem geschwächt ist.
Darüber hinaus geht man im Kosovo davon aus, dass es nach den – trotz einiger Probleme im Norden des Landes – gut gelaufenen Kommunalwahlen 2013 einen positiven Effekt für Parlamentsneuwahlen gibt, die nach diesen lokalen Wahlen besser laufen werden als die Parlamentswahlen im Dezember 2010, die nach internationaler Einschätzung von Betrug und Manipulation überschattet waren.
Der Kosovo hat allerdings seine Hausaufgaben, die der EU-Fortschrittsbericht 2013 für Parlamentswahlen angemahnt hat, nicht erfüllt, denn die geforderte Wahlrechtsreform, die eine Durchführung von Wahlen nach internationalen Standards garantieren sollte, wurde nicht auf den Weg gebracht. Für einen erneuten Reformvorstoß ist die Zeit bis zu den nächsten Wahlen nun zu knapp, aber dies ist ein Punkt, der nach den Wahlen oberste Priorität haben muss. Umso wichtiger ist es, dass die internationale Gemeinschaft, wie auch bei den Kommunalwahlen, wieder eine starke Monitoringpräsenz zeigt, damit Manipulationen kein Raum gelassen wird.
Ein weiteres Problem, das noch nicht gelöst wurde, ist die Frage der Sitze für Minderheiten im Parlament. Im Parlament des Kosovo sind von den 120 Sitzen 20 Plätze für Minderheiten reserviert (zehn für Serben und zehn für andere Minderheiten). Darüber hinaus können die Minderheiten natürlich auch Mandate direkt gewinnen. Es gibt nun eine Debatte darüber, dass diese „reservierten“ in „garantierte“ Plätze für die Minderheiten umgewandelt werden. Das würde bedeuten, wenn bei den nächsten Wahlen die Serben keine zehn Plätze durch Wahlen erreichen, hätten sie immer noch durch diese Regelung zehn Mandate im Parlament sicher. Oder natürlich auch zusätzliche, die sie direkt erringen. Über diese Regelung gibt es Streit, denn die Minderheiten beharren auf dem Recht, diese Plätze im Parlament zu erhalten und sagen, dass die Beibehaltung der Regelung ein Zeichen sei, dass sie in den kosovarischen Institutionen erwünscht seien. Dagegen macht sich Widerstand breit, weil die kosovarische Seite argumentiert, dass die Minderheiten weniger als zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, ihnen aber siebzehn Prozent der Parlamentssitze durch die Verfassung garantiert sind. Es besteht auf kosovarischer Seite die Befürchtung, dass die Serben bei Beibehaltung dieser Regelung durch massive Mobilisierung und Einflussnahme noch mehr Gewicht bekommen könnten, wenn die „reservierten“ Plätze in Anspruch genommen und Direktmandate erzielt werden und auf diese Weise die fragile kosovarische Demokratie womöglich gefährden. Die Minderheitenvertreter im kosovarischen Parlament haben, um Druck auszuüben, nun die Entscheidung über die Umwandlung der Kosovo Security Forces in Kosovo Armed Forces, also in eine kosovarische Armee, an die Beibehaltung dieser Parlamentsitzeregelung geknüpft.
Darüber hinaus wird sich bei den Parlamentswahlen auch zeigen, wie die Einbindung des Nordens gelingt und ob in Zukunft der Abbau der Parallellstrukturen und eine stärke Einbindung in das kosovarische Staatsgefüge wirklich sichtbar werden.
Die Parteienlandschaft vor der Wahl
- PDK (Demokratische Partei des Kosovo)
- LDK (Demokratische Liga Kosovo)
- AAK (Allianz für die Zukunft des Kosovo)
- VV (Vetventdosje – Selbstbestimmung)
- AKR (Allianz neues Kosovo)
Alle Parteien sind schon jetzt in eine Art Wahlkampfmodus eingetreten und die Rhetorik wird schärfer. Wer mit wem koalieren wird, ist völlig offen. Es bleibt zu hoffen, dass im neuen Parlament und in der zukünftigen Regierung Vertreter sitzen werden, die den Kurs des Kosovo sowohl im Dialogoprozess mit Serbien und mit der EU, u. a. durch die begonnenen Verhandlungen zum Stablitäts- und Assoziierungsabkommen sowie zur Visaliberalisierung konstruktiv fortsetzen und die Probleme des Landes ernsthaft in Angriff nehmen werden.