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So sah sich der gerade erst neugewählte Ministerpräsident Plenković – ähnlich wie sein Vorgänger Orešković – schon nach wenigen Monaten im Amt einer ernsten Regierungskrise ausgesetzt, von der einige befürchteten, dass auch sie wieder zu vorzeitigen Neuwahlen in Kroatien hätte führen können. Diese sind vorerst abgewendet worden.
War der ersten Regierungskoalition aus HDZ und MOST nach den erfolgreichen Parlamentswahlen im November 2015 nur eine gedeihliche Zusammenarbeit bis Juni 2016 möglich, so scheiterte nun auch die Neuauflage dieser Koalition nach den vorgezogenen Neuwahlen im September 2016 bereits frühzeitig. Auslöser für den erneuten Koalitionsbruch war die Uneinigkeit über den geforderten Rückzug des mit Plagiatsvorwürfen konfrontierten Bildungsministers Barisic und den mit dem Agrokor Finanzskandal befassten Finanzminister Maric. So sah sich der gerade erst neugewählte Ministerpräsident Plenković – ähnlich wie sein Vorgänger Orešković – schon nach wenigen Monaten im Amt einer ernsten Regierungskrise ausgesetzt, von der einige befürchteten, dass auch sie wieder zu vorzeitigen Neuwahlen in Kroatien hätte führen können. Diese sind vorerst abgewendet worden.
Krisenstimmung seit Jahresbeginn
Schon im Februar dieses Jahres war über die damals von verschiedener oppositioneller Seite geforderte Ablösung des mit Plagiatsvorwürfen konfrontierten HDZ-Bildungsministers Baresic, der sich einige MOST-Vertreter anzuschließen drohten, zu einer neuerlichen Auseinandersetzung zwischen des beiden Koalitionspartnern HDZ und MOST gekommen. Schon damals soll es zu einem ersten Zusammentreffen des kroatischen Ministerpräsidenten Andrej Plenković mit der Ehrenvorsitzenden der damaligen Oppositionspartei, HNS, Vesna Pusić, gekommen sein. Dies gab erstmals Gerüchten Nahrung, dass die HDZ erwäge, im Falle eines möglichen Erfolgs des gegen „ihren“ Bildungsminister eingebrachten Misstrauensvotums, den Koalitionspartner MOST durch die links-liberale Oppositionspartei HNS zu ersetzen. Schließlich enthielten sich die MOST-Abgeordneten in der entscheidenden Parlamentsabstimmung ihrer Stimme und der drohende Koalitionsbruch konnte damals noch einmal abgewendet werden.
Doch schon wenige Monate später kam es im Vorfeld der Lokalwahlen – einem ersten Test der Popularität der Politik des neuen Ministerpräsidenten – zu einer neuerlich, ernsten Auseinandersetzung zwischen den beiden Koalitionspartnern. MOST hatte, vor dem Hintergrund einer inzwischen ausgebrochenen Insolvenzkrise des kroatischen Großkonzerns Agrokor, den zuvor lange bei diesem Konzern in leitender Stellung beschäftigten Finanzminister Maric zum Rücktritt aufgefordert und sich im Parlament einem Misstrauensantrag der Opposition angeschlossen.
Nachdem die HDZ-geführte Regierung an ihrem Finanzminister festgehalten und die entsprechende Abstimmung im Parlament (Misstrauensvotum) überraschend doch noch hatte für sich (Patt) entscheiden können, zog der MOST-Parteivorsitzende Petrov daraus die Konsequenzen und trat sowohl von seinem Amt als Parlamentspräsident als auch seine Parteikollegen aus der Regierungskoalition zurück.
Nachdem es dem kroatischen Ministerpräsidenten dann schließlich auch noch gelungen war, den bisherigen Generalsekretär seiner Partei, Gordan Jandroković zum Nachfolger im Amt des Parlamentspräsidenten wählen zu lassen, stellte sich ihm nur noch die Aufgabe, für die Bestätigung der neu zu ernennenden bzw. bestätigenden Nachfolger in den Ministerämtern eine neue parlamentarische Mehrheit zu organisieren. Der Ministerpräsident entschied dann, diese Ernennung auf die Zeit nach den Lokalwahlen zu verschieben, um ausreichend Zeit für die Suche nach einem neuen Koalitionspartner zu gewinnen und gleichzeitig den Wahlkampf bzw. die „lokalen“ Abstimmungen nicht mit dieser „nationalen“ Problematik zu belasten.
Suche nach neuen Koalitionspartnern
Dass diese Entwicklungen auch an seiner eigenen Partei nicht spurlos würden vorübergehen, zeigte sich schon bald darauf, als sich der HDZ-geführten Regierungskoalition bisher verbundene Parlamentsabgeordnete: Zlatko Hasanbegović und Željko Glasnović mit Blick auf die Lokalwahlen in der Hauptstadt Zagreb der mit der HDZ konkurrierenden und von Bruna Esih – der kroatischen Marine Le Pen – angeführten „unabhängigen“ Liste anschlossen und sich damit gegen den offiziellen HDZ-Kandidaten stellten. Nachdem der in konservativen (HDZ-) Kreisen höchst populäre ehemaliger Kulturminister Hasanbegović in einer langen Presseerklärung seine Entscheidung mit grundsätzlicher Kritik an der HDZ-Parteiführung begründet hatte, verkündete der HDZ-Parteivorsitzende Plenković umgehend den Parteiausschluss seines bisherigen Stellvertreters und sah sich von einer weiter schwindenden Parlamentsmehrheit bedroht.
Wahlerfolg der HDZ in den Lokalwahlen
Da klar war, dass der Regierungschef in den Lokalwahlen dringend einen Erfolg und damit eine Bestätigung seiner „neuen“ Politik benötigte, um seine Chancen auf eine neue parlamentarische Mehrheiten zu verbessern, war die Erleichterung groß, als der kroatische Wähler diesen gewünschten Vertrauensbeweis tatsächlich gewährte.
Die Lokalwahlen bestätigten die HDZ als stärkste politische Kraft. Sie zeigte sich ihren parteipolitischen Widersachern in Gestalt der Oppositionsparteien SDP, HNS und IDS sowie MOST deutlich überlegen. Sowohl auf regionaler Ebene als sogar in den Großstädten konnte die HDZ Zugewinne verzeichnen; MOST blieb dagegen hinter den Erwartungen zurück, was der HDZ den Rücken stärkte. Die Partei konnte zwölf von insgesamt 20 Gespanschaften für sich gewinnen und stellt in 62 von 127 Städten und in 204 von insgesamt 428 Gemeinden auch in Zukunft den Bürgermeister bzw. Landrat.
Der Wahlerfolg der HDZ und damit ihres Parteivorsitzenden Plenković stärkte seine Position nicht nur innerhalb seiner Partei, sondern auch seine Verhandlungsposition mit möglichen neuen Koalitionspartnern.
Die oppositionelle SDP erlitt dagegen eine herbe Wahlschlappe und verlor nicht nur die Kontrolle über fünf weitere kroatische Städte, sondern schaffte es in keine bedeutende Stichwahl um ein Bürgermeisteramt, was ihre Bedeutung als möglicher zukünftiger großer Regierungspartner für andere kleinere Parteien uninteressanter werden ließ. Der neue SDP-Parteivorsitzende Bernardic ging somit deutlich geschwächt aus diesen Wahlen hervor und es wird abgewartet werden müssen, ob der nur von einer relativen Mehrheit der Parteimitglieder gewählte Vorsitzende sich dauerhaft in seinem Amt wird halten können.
Auch MOST gelang es in den Lokalwahlen nicht, zu zeigen, dass man eine Regierung stürzen und trotzdem erfolgreich für „saubere Institutionen und ehrliche Politik“ eintreten kann. Die Partei konnte ihre wenigen exekutiven Ämter in ihren Hochburgen nicht verteidigen, sondern nur „in der Breite“ an Mandaten zulegen. Das gegenüber der „alten“ HDZ (unter Karamarko) für sich in Anspruch genommenen Alleinstellungsmerkmale einer modernen, konservativen Anti-Korruptionspartei, konnte MOST beim Wähler offenbar noch nicht fest „verankern“, wobei die Neuorientierung der Politik der HDZ durch Plenković dagegen den einen oder anderen (an MOST) „verlorenen“ Wähler wieder zurück zur HDZ geführt haben mag.
Doch auch die bis dahin noch von links-liberalen Kräften dominierte, oppositionelle kroatische Volkspartei HNS hat in den Lokalwahlen Federn lassen müssen. Die im Januar geführten Sondierungsgespräche mit der HDZ über eine mögliche Regierungsbeteiligung der HNS auf nationaler Ebene mögen zur Verunsicherung und Wahlenthaltung besonders einiger linker HNS-Stammwähler beigetragen haben; gleichzeitig hatte der HNS Parteivorsitzende öffentlich Sympathien für einen Positionswechsel in Richtung HDZ geäußert, was vor allem seiner Partei (-kandidatin) in der Stichwahl in Zagreb geschadet bzw. womöglich den Sieg gegen den Amtsinhaber Bandić gekostet haben könnte. Die Partei schien nach diesen Wahlen über ihre zukünftige Rolle verständlicherweise noch weniger einig als zuvor.
Eine neue Mehrheit mit der HNS?
Schon bald nach Veröffentlichung der für die HDZ guten Wahlergebnisse zeigte sich der HDZ-Vorsitzende Andrej Plenković entsprechend optimistisch, was die Beschaffung einer neuen parlamentarischen Mehrheit anging.
Die aus den letzten Parlamentswahlen mit neun Mandaten hervorgegangene links-liberale HNS, deren Abgeordnete viel eher zum politischen Establishment des Landes gezählt werden können als etwa die MOST- Vertreter, galt vielen als natürlicherer Koalitionspartner für die HDZ als es MOST je hatte sein können. Das Streben nach politischem Einfluss in Verbindung mit der schwierigen innerparteiliche Situation der Sozialdemokraten nach dem Rückzug ihres langjährigen Vorsitzenden Milanović, schien auch manchen in der HNS zu der Überzeugung kommen lassen, dass eine Regierungsbeteiligung auf absehbare Zeit allein über eine Koalition mit der HDZ zu erreichen sei.
Da die Partei immer schon in besonderem Maße einzelnen, unternehmerischen Interessen verpflichtet schien, musste eine Beteiligung am Regierungshandeln vielen in der Partei wichtiger erscheinen, als ideologische Klarheit zw. Verlässlichkeit. Entsprechend widersetzte sich der breiter zusammengesetzte Parteirat dem klaren Votum des Parteipräsidiums der HNS unter Führung der Ehrenvorsitzenden und ehemaligen kroatischen Außenministerin Vesna Pusić gegen eine Regierungsbeteiligung und votierte in der alles entscheidenden Abstimmung als höchstes Entscheidungsorgan der Partei, mit einer überraschend deutlichen Mehrheit von 107 zu 20 Stimmen, für eine Regierungsbeteiligung.
Daraufhin verweigerten die unterlegenen vier Präsidiumsmitglieder der Partei die Gefolgschaft und wurden statutengemäß aus der Partei ausgeschlossen, als sie in der darauf folgenden, entscheidenden Parlamentssitzung den vom HDZ Ministerpräsidenten vorgeschlagenen neuen HNS-Kabinettsmit-gliedern ihre Unterstützung versagten.
Im Ergebnis stimmten vier der noch verbliebenen insgesamt neun HNS Abgeordneten für das neue Regierungsbündnis und verschafften dem neuen Regierungsbündnis damit die notwendige knappe parlamentarische Mehrheit von 78 (der insgesamt 151) Stimmen; während die anderen sechs HNS Parlamentarier ihre Unterstützung verweigerten, dagegen stimmten und fortan eine eigene „unabhängige“ Fraktion bilden.
Verschiebungen im Parteienspektrum
Nachdem also die bisherige Strategie der HDZ im Sinne einer „Duldung von MOST unter Inkaufnahme von Konflikten“ noch vor den Lokalwahlen von der HDZ-Parteiführung aufgegeben wurde, wird sich die HDZ jetzt darum bemühen müssen, ihren christ-demokratischen Alleinvertretungsanspruch, mit dem aktiven Bestreben zu verbinden, die politische „Alternative“ MOST an den Rand bzw. dauerhaft beiseite zu drängen. Gleichzeitig hat das erfolgreiche Koalitionsangebot eine weitere bedeutende bisherige Oppositionspartei in Gestalt der HNS in die Spaltung geführt, was zur Stabilisierung der Regierungsmehrheit beigetragen hat. Da auch die andere, wichtige kroatische Oppositionspartei: SDP aus den Lokalwahlen geschwächt hervorgegangen ist, scheint die kroatische Opposition deutlich an Kraft eingebüßt zu haben und stellt vorläufig, trotz der nur knappen Regierungsmehrheit im Parlament, keine wirkliche politische Alternative und deshalb auch keine ernsthafte Bedrohung für die HDZ-geführte Regierung mehr dar. Der zersplitterten HNS droht jetzt sogar das gleiche Schicksal, wie vor Jahren der ebenfalls einmal größten anderen liberalen (Oppositions-) Partei: HSLS, die in einer Regierungskoalition mit der HDZ zuerst an Glaubwürdigkeit und schließlich auch an politischer Bedeutung verloren hatte und heute nicht mehr im Parlament vertreten ist. Allerdings bleiben diese Entwicklungen auch für die Regierungsparteien mit Risiken verbunden.
Wie etwa der „fliegende Wechsel“ der HDZ – weg von MOST und hin zur HNS – bei der Mehrheit der HDZ-Anhänger angekommen ist, muss mangels entsprechender Mitgliederumfragen erst noch abgewartet werden.
Zwar sahen vielen HDZ-Vertreter in MOST oftmals eher politische „Dilettanten“, die mit ihren vermeintlich „naiven“ politischen Vorstellungen und Zielsetzungen den Erfolg der Regierungskoalition verhindert hätten; einigen behagt die neue Regierungskoalition mit der bisher eher als links-liberalen geltenden HNS jedoch ebenso wenig, sah man in dieser Partei doch bis vor kurzem noch den ideologischen Hauptgegner, der mit seinen „ultra-liberalen“ gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen vielen, vor allen Dingen konservativen HDZ Mitgliedern vollkommen inakzeptabel schien.
Das sich nun der „wirtschaftsliberale“ Flügel der HNS mit der „liberal-konservativen“ Mehrheit der HDZ verbündet hat, führte jedoch nicht nur zur Abspaltung des links-liberalen Flügels der HNS in eine neue Fraktion und bald wohl auch in eine neue liberale Partei sondern eben auch zur Abspaltung eines „national-konservativen“ Flügels der HDZ, um die bei den Lokalwahlen sehr erfolgreiche und von der HDZ inzwischen „unabhängige“, konservative Abgeordnete Bruna Esih und ihre neuen Fraktionskollegen, und ehemalige HDZ-Abgeordnete: Zlatko Hasanbegović und Željko Glasnović.
Die sich also bereits in den Lokalwahlen als neue politische Gruppierung zusammengefundene Gruppe ehemaliger populärer HDZ Vertreter könnte auch im kroatischen Parlament eine neue, eigene Fraktion rechts von der aktuellen HDZ bilden und in zukünftigen Wahlen als neue konservative Parteiformation den Wählerstamm der HDZ zu spalten bzw. eine Menge Wählerstimmen abspenstig zu machen versuchen. Fürs erste hat sich der kroatische Ministerpräsident und HDZ-Parteivorsitzende jedoch mit seinem Vorhaben, eine neue Regierungsmehrheit zustande zu bringen, durchgesetzt und kann auch auf die weitere Unterstützung der Staatspräsidentin bauen. Allerdings musste er mit dem überraschenden Rücktritt seines Außenministers Davor Ivo Stier dann noch eine weitere Komplikation in Kauf nehmen. Dieser hatte seinen Amtsverzicht damit begründet, er wolle sich in seiner Partei wieder stärker der Durchsetzung christlich-demokratischer Werte kümmern und sie dabei weiter demokratisieren helfen. Viele sahen darin eher eine verklausulierte Kritik am jüngsten Vorgehen des Parteichefs, der die Aufkündigung der im Wesentlichen von Davor Stier in seiner Funktion als „Politischer Sekretär“ der HDZ herbeigeführte Koalition mit MOST ohne die Stier notwendig erscheinende Abstimmung mit den verschiedenen Parteigremien vorgenommen hatte. Auch gilt Stier seit seiner jüngsten Sachbuchveröffentlichung als Protagonist eines „Paradigmenwechsels“ in der kroatischen Parteien- und Gesellschaftspolitik hin zu mehr partei-interner Demokratie und mehr Verantwortung der Abgeordneten gegenüber ihren Wählern. Unterstützt wurde Stiers Betonung der christlich-demokratischen Programmatik der HDZ schon wenige Tage später, als der konserva tive Katholische Bischof, Vlado Košić, in den Medien vehement gegen eine Koalition der HDZ mit der liberalen HNS polemisierte und der aktuellen HDZ-Politik sogar den christ-demokratischen Charakter absprach.
Er bezeichnete es als „politische Prostitution“, wenn man dem Bestreben zur kurzfristigen Verlängerung der Amtszeit einer Regierung seine Grundüberzeugungen opfere und damit langfristig an Glaubwürdigkeit beim Wähler verliere. Diese für einen Bischof auch in Kroatien sicherlich ungewöhnliche öffentliche Einlassung zeigt, dass der HDZ nahestehende konservativ-klerikale Kreise mit der Entscheidung des Ministerpräsidenten und HDZ Vorsitzenden durchaus größere Probleme haben (könnten). Alles was in Kroatien als eine Distanzierung von den Auffassungen der katholischen Kirchenvertreter interpretiert werden könnte, müsste von der HDZ ernst genommen werden. Mit der unmittelbar danach erfolgten Ernennung der bisherigen Staatssekretärin beim Außenminister, Marija Pejčinović Burić, zur neuen kroatischen Außenministerin wurde dieser Amtswechsel zwar schnell vollzogen, es bleibt jedoch die Frage, inwieweit der Rücktritt eines langjährigen Weggefährten des Ministerpräsidenten – beide dienten jahrelang gemeinsam als kroatische Europaabgeordnete nahezu identischen politischen Zielsetzungen – als ein weiteres Indiz für die Vorbehalte gewertet werden kann, die innerhalb bestimmter Kreise innerhalb der Partei gegenüber der Politik bzw. der Entscheidungen des Parteiführers existieren.
Wie lange die Geschlossenheit der Partei bzw. der Parlamentsfraktion unter solchen Umständen noch gewährleistet werden kann, muss deshalb abgewartet werden, verfügt die neue Regierungskoalition im kroatischen Parlament momentan doch nur über eine Mehrheit von zwei Stimmen und ist deshalb für den Fall stark gefährdet, dass sich weitere HDZ Abgeordnete von der eingeschlagenen Politik enttäuscht zeigen und der Regierung ihre Unterstützung entziehen. Gleichzeitig bleibt richtig, dass auch die letzten Abstimmungen wieder gezeigt haben, dass die gerade erst neu ins Parlament gewählten Abgeordneten neuerliche, vorgezogene Neuwahlen und damit des Risiko einer Nichtnominierung scheuen und durchaus bereit sind, die eine oder andere Kröte zu schlucken. Das verleiht auch einer knappen Mehrheit Dauerhaftigkeit und Stabilität. Ein kroatischer Politikexperte fühlte sich jüngst aufgerufen, in diesem Zusammenhang an den – zumindest für ihn – „vergleichbaren“ Koalitionswechsel im Jahr 1982 in Deutschland zu erinnern, als eine liberale Partei (FDP=HNS) sich aus ihrer Koalition mit Sozialdemokraten löste, um mit einer christdemokratischen Partei (CDU=HDZ) eine neue Regierungskoalition zu bilden, die dann immerhin 16 Jahre Bestand hatte.
Ausblick
In dem Maße, in dem das Land durch die erfolgreiche Regierungsumbildung an politischer Stabilität gewonnen haben mag, hat sich doch auch ein weiteres Mal gezeigt, wie fragil auch weiterhin Koalitionen bzw. parlamentarische Mehrheiten in Kroatien sind. Dies sind keine guten Erfahrungen für ein Land, das sich im Zusammenhang mit der Überwindung der Finanzkrise des Großkonzerns Agrokor aktuell großen wirtschaftlichen Problemen gegenübersieht. Die Bemühungen um eine Verhinderung des Zusammenbruchs dieses für Kroatien so wichtigen Unternehmens hat inzwischen schon die Entscheidung zur Schließung von mindestens 100 Konzum-Filialen geführt, was sicherlich mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten verbunden sein wird. Alles spricht deshalb dafür, dass Kroatien in eine neue Phase wachsender wirtschaftlicher Instabilität eintritt und diese sich durchaus gefährdend auf die innenpolitische Stabilität auswirken könnte.
Angesichts der kürzlich erfolgten Verkündung des Schiedsgerichtsurteils über den Grenzverlauf zwischen Kroatien und Slowenien und der (angekündigten und begründeten) Weigerung Kroatiens, sich diesem Schiedsspruch zu unterwerfen, schwindet auch die politische Unterstützung für Kroatien in wichtigen EU-Organen, von denen zu hoffen bleibt, dass sie die zweifellos anstehenden Auseinandersetzungen zwischen den beiden EU-Mitgliedsländern nicht noch weiter komplizieren.
Im vierten Jahr seiner Mitgliedschaft in der EU sucht das Land aber weiterhin nach seiner eigenen Rolle in der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas. Der Wiedergewinnung wirtschaftlichen Wachstums seit 2015 stehen Unklarheiten über die wirtschaftliche Zukunft des kroatischen Energieunternehmens INA sowie des kroatischen Nahrungsmittelkonzerns Agrokor gegenüber, welche manche an einer durchgreifende bzw. dauerhafte wirtschaftliche Erholung des Landes zweifeln lassen, zumal sich die Abwanderung junger, ausgebildeter Bürger zuletzt eher weiter verstärkt hat und die langfristigen demographischen Entwicklungen noch weniger Hoffnung geben. Daran können auch die optimistischen Voraussagen über eine wiederum Rekordverdächtige Tourismussaison und die (kurzfristig) wiedergewonnene politische Stabilität nicht hinwegtäuschen.
Wenn man bedenkt, dass die erwerbsfähige Bevölkerung in Kroatien ca. 3,5 Mio. Personen zwischen 15 und 65 Jahren ausmacht und davon 1,75 Mio. als „inaktiv“ und nur 1,78 als „erwerbstätig“ klassifiziert sind, dann kann man ermessen, dass mit einer Erwerbsquote von 50,6% auf Dauer die daraus resultierende Belastung der Sozialsysteme das Land vor große Probleme stellen wird.
Auf der anderen Seite erscheint das kroatische Parteienspektrum fragiler als je zuvor und der Drang in die angeblich allein mehrheitsfähige „politische Mitte“ eröffnet an den Rändern des politischen Spektrums neue Räume für radikalere ideologische als „populistisch“ begriffene, politische Strömungen. Diese haben in den Lokalwahlen (noch) nicht unter Beweis stellen können, dass sie eine Gefahr für die etablierten kroatischen Parteien darstellen, denn ihr Selbstverständnis als Anti-Establishment Partei und ihre populistische Rhetorik hat beim noch nicht hinreichend unzufriedenen Wähler diesmal nicht verfangen. Was aber sein wird, wenn die wirtschaftliche Stabilität verloren zu gehen droht, weitere Arbeitsplätze wegen der Agrokor-Krise in ohnehin zurückbleibenden ländlichen Regionen verloren gehen und eine mögliche Korrektur der EZB-Politik des „billigen Geldes“ über eine „Zinswende“ zu erheblichen Belastungen des kroatischen Staatshaushaltes (Schuldendienst) führt, kann niemand mit Gewissheit vorhersehen. Noch hilft die gute Konjunktur in großen Nachbarstaaten auch Kroatien wirtschaftlich Boden gut zu machen, doch internationale politische Verwerfungen können diesen Zustand (Status Quo) jederzeit verändern.
Klar ist jedoch bereit heute, dass angesichts der weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft in Kroatien in Zukunft zur erfolgreichen Regierungsbildung Mehrparteienkoalitionen unvermeidbar sein werden und damit eine noch größere Bereitschaft zum politischen Kompromiss erforderlich wird. Die Erfahrungen der letzten Monate dämpfen den Optimismus, dass sich das Land bzw. seine Parteien solchen Herausforderungen gewachsen zeigen werden.