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Welche Perspektiven haben die nordafrikanischen Länder der Maghreb-Region?

by Dr. Silke Bremer
Große Herausforderungen enstehen durch die politischen Umbrüche.

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Die aktuelle Situation der Maghreb-Region stand im Mittelpunkt einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung M-V, die am 29.7.2014 in Rostock stattfand. Nach einem einführenden Vortrag von Dr. Sigrid Faath kam es zwischen Peter Stein MdB, Dr. Abdallah Nassour, Dr. Helmut Reifeld und Dr. Faath zu einem Streitgespräch. Auffällig war, dass Status Quo und Perspektiven äußerst unterschiedlich eingeschätzt wurde.

Dr. Reifeld wies auf eine außerordentlich erfolgreiche Verfassungsreform in Marokko hin. Kurze Zeit nach dem Beginn des sog. 'Arabischen Frühlings' sei diese vom König initiiert und unter Beteiligung von verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte (was ein echtes gesellschaftliches Novum darstellte) erarbeitet bzw. per Referendum in Kraft gesetzt worden. Kein anderes arabisches Land habe eine neue Verfassung in einem derartigen Tempo auf den Weg gebracht. Die Verfassung diene der Stabilität des Landes ganz enorm. Das Verhältnis zwischen Krone und Parlament sei neu definiert worden. Erstmalig in der marokkanischen Geschichte werde die Regierung nicht mehr vom König sondern vom Leiter der stärksten politischen Kraft gebildet. Der König verzichte außerdem darauf, die Minister zu benennen. Die Opposition habe einen anerkannten Status erhalten. Mehr als alle anderen arabischen Länder sei Marokko auf dem Weg zu europäischen rechtsstaatlichen Standards. Das große Interesse Marokkos an Europa spiegele sich vor allem in diesem Bemühen um Rechtsangleichung. Zwar gebe es auch nicht zu übersehende Schwächen, unter dem Strich aber sei die Entwicklung positiv. In wirtschaftlicher Hinsicht böten die erneuerbaren Energien hervorragende Perspektiven. Dies betreffe nicht nur die Solarenergie, sondern auch die Windenergie.

Der in Syrien geborene Dr. Nassour, der bereits seit vielen Jahren in Rostock lebt, sieht für sich als zentrale Aufgabe, Brücken zwischen den Kontinenten zu bauen. Nassour betonte, dass bei seinen internationalen Projekten jeweils viel Wert auf eine Investition in die Entscheidungsträger gelegt werde. Die Weiterentwicklung einer Region könne nur unter Einbeziehung der politischen und wirtschaftlichen Führungskräfte gelingen. Im Bereich der Abfallwirtschaft gebe es exzellente länderübergreifende Kooperationsmöglichkeiten. Wichtig sei es, länderspezifische Lösungen zu erarbeiten. Systeme, die in Deutschland funktionieren, funktionierten nicht automatisch auch in anderen Ländern. Die beste Sprache, die Deutschland mit dem Maghreb sprechen könne, sei die der Wirtschaft.

Der Bundestagsabgeordnete Stein bewertete den Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik weg vom reinen Hilfe-Ansatz hin zu einer nachhaltigen gemeinsamen Entwicklungszusammenarbeit als sehr positiv. Es sei kontraproduktiv, wenn wir unsere Vorstellungen von Demokratie und Gesellschaft jeweils eins-zu-eins auf die Länder übertragen wollten. Unterschiede müssten akzeptiert werden. Allerdings gebe es eine ‚rote Linie‘, die nicht überschritten werden dürfe: die Menschenrechte.

Die Bundesregierung habe in ihrer aktuellen Entwicklungspolitik dem Kontinent Afrika eine sehr hohe Priorität zugewiesen. In der konkreten Umsetzung müsse mehr Wert auf dezentrale / kommunale Kooperationsprojekte gelegt werden, denn erst diese ermöglichten eine Zusammenarbeit mit den ‚Praktikern’ vor Ort. Äußerst wichtig für die weitere Entwicklung der Maghreb-Region sei es, Tunesien politisch, wirtschaftlich, sozial stabil zu bekommen.

Dr. Faath gab zu Bedenken, dass die Lage vor allem deswegen extrem schwierig sei, weil nicht klar sei, mit wem sich nachhaltige Politik umsetzen lässt. Es dürfe nicht unterschätzt werden, dass viele Politiker und Gruppierungen unterwegs seien, die die islamische Religion zu einem dominanten Referenzpunkt machen wollten, bei dem Pluralität und umfassende Freiheiten nicht vorgesehen sind. Diese Gruppierungen versuchten weniger mit Waffengewalt an die Macht zu gelangen, als vielmehr durch eine sehr geschickte Kommunikation und über Wahlen. Die Zivilgesellschaften seien in allen nordafrikanischen Staaten polarisiert und gespalten. Wenn es in der Entwicklungsarbeit um die Förderung von Zivilgesellschaften gehe, die sich durch friedlichen Umgang miteinander, langfristige Stabilität und eine Akzeptanz von Diversität auszeichneten, sei genau zu prüfen, wofür die Partner stehen und was sie repräsentieren. Gleichwohl dürfe der Kontakt nicht abbrechen. Libyen müsse unbedingt stabilisiert werden. Wenn dies nicht gelinge, werde es auch in Tunesien schwierig. Marokko sei relativ erfolgreich, da der König die mehrheitlich königstreue Bevölkerung vereine, der Weg in die Moderne nicht versperrt werde und eine moderate Islaminterpretation z. B. mit einer gewissen Offenheit gegenüber anderen Religionen vertreten werde.

Einig waren sich die Referenten in der Notwendigkeit, die Länder einzeln zu betrachten, da Unterschiede existieren. Dr. Faath betonte abschließend, dass es wichtig sei, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Sinn für das Gemeinwohl zu stärken bzw. wieder herzustellen. Momentan herrsche eher ein Geist ‚jeder gegen jeden‘. Entwicklungsprojekte könnten nur auf dem Boden einer gesunden Gemeinwohlorientierung funktionieren.

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