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Am Wochenende könnte die PDP (People’s Democratic Party) die Antwort auf diese Frage gegeben haben. Zwar ist die stärkste Partei, die die derzeitige Regierung, den Präsidenten sowie zwanzig der 36 Gouverneure stellt, innerlich angespannt wie auch die anderen Parteien, aber sie ist jedenfalls eine der beiden Kräfte im Lande, die den nächsten Präsidenten stellen können.
Am Wochenende hat sie den Gouverneur des kleinen, friedlichen, islamischen und nördlichen Bundesstaates Katsina, den 53-jährigen Chemiker und früheren Lehrer an einem Polytechnikum Alhaji Umar Musa Yar’ Adua zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gewählt. Er war am Freitag als Konsenskandidat akzeptiert worden und ging dann erwartungsgemäß als Sieger aus den Vorwahlen von PDP hervor, zu denen es zunächst eine sehr große Zahl von Kandidaten gab. Die erste Runde der Kandidatenauswahl, die offizielle Registrierung als Bewerber, war mit einer Gebühr von circa 30.000,- US$ für das Registrierungsformular verbunden und engte den Kandidatenkreis zunächst auf dreißig ein.
Es schloss sich ein" Screening" genannter Selektionsprozess an, der die ungeeigneten Bewerber ausschalten sollte. Einige zogen es vor, sich diesem Prozess erst gar nicht zu unterziehen. Der wohl bekannteste von ihnen war Ibrahim Babangida, der ehemalige Militärherrscher, dessen Wiederkehr als demokratisch gewählter Präsident seine Gegner fürchteten, seine Anhänger herbeisehnten. Wie es heißt, soll ihn der gegenwärtige Präsident Obasanjo, der ihn nicht zum Nachfolger haben wollte, mit drei Alternativen konfrontiert haben: Er könne sich dem Screening unterziehen wie jeder andere auch, er könne auf die Kandidatur verzichten oder aber er könne sich eine andere Parteiplattform suchen, um seine Ambitionen weiter zu verfolgen. Babangida hatte verlangt, ohne Screening als Präsidentschaftskandidat zugelassen zu werden, und als ihm dies nicht gewährt wurde, auf eine Kandidatur für PDP verzichtet. Es scheint noch nicht ganz klar zu sein, ob Babangida endgültig aufgegeben hat, die Berichterstattung darüber widerspricht sich zurzeit.
Nach diesem Screening-Prozess waren noch 20 Kandidaten übrig geblieben, die am Samstag auf dem Eagle Square, dem Paradeplatz Abujas, zur Stichwahl antraten. Klarer Sieger wurde dann Umar Musa Yar’ Adua. Mit über dreitausend von fünftausend Stimmen schlug er seine am Ende nach weiteren Rückziehern noch verbliebenen elf Konkurrenten sehr klar. Eingeweihte hatten schon seit einiger Zeit angedeutet, der jüngere Bruder des verstorbenen Shehu Musa Yar’ Adua sei der Lieblingskandidat des gegenwärtigen Präsidenten. Shehu Musa Yar’ Adua war dessen Stellvertreter, als dieser in den siebziger Jahren Militärherrscher war. Auf den Plätzen zwei und drei folgten weit abgeschlagen Chief Rochas Okorocha (372 Stimmen) und der Generalleutnant Aliyu Gusau (271 Stimmen).
Yar’ Adua war in der Vergangenheit als Gouverneur nicht besonders auffällig. Auch vielen Nigerianern ist er weitgehend unbekannt. Er gilt als still und eher nicht brillant wie Kritiker meinen, die glauben, Obasanjo werde ihn aus dem Hintergrund kontrollieren. Seine Anhänger warnen jedoch davor, ihn zu unterschätzen. Er sei bescheiden und selbstlos, mutig und integer, ein systematischer, stetiger Arbeiter, der wisse was er wolle und es auch erreiche. Ob er aber die Präsidentschaft überhaupt gewollt hat, bleibt offen. Jedenfalls hat er sich anders als so viele nie öffentlich darum gedrängt, nominiert zu werden. Nach Platon ist dies ja eine Voraussetzung für einen guten Herrscher: Wer sich um ein Amt reißt, zeigt damit nur, dass er dessen Bürde unterschätzt und sich selbst überschätzt. In Platons Augen disqualifiziert ihn das. Aber das war wohl auch zu Platons Zeiten eher Theorie.
Umar Musa Yar’ Adua hatte als einer der ganz wenigen Gouverneure seine finanzielle Situation freiwillig offenbart. Er ist ferner einer der wenigen Gouverneure, gegen die kein Ermittlungsverfahren läuft, und gilt als „sauber“. Dies ist angesichts der weit verbreiteten Korruption in Nigeria ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Außerdem hat er in vielen Augen den Vorteil, dass er als Zivilist nicht von der Vergangenheit Nigerias belastet ist, in der das Militär herrschte. Westliche Beobachter sehen in Yar’ Adua einen geeigneten Kandidaten und scheinen mit der Wahl recht zufrieden zu sein. Er hat bereits erklärt, die Wirtschaftsreformen Obasanjos und die Korruptionsbekämpfung weiterführen zu wollen. Dies ist zu begrüßen und verspricht Kontinuität und Stabilität.
Eine Überraschung gab es bei der Nominierung des „Running Mate“, des Kandidaten für den Vizepräsidenten. Hier war wohl zunächst der Gouverneur von Rivers State, Peter Odili, vorgesehen. Er war selbst einer der ernstzunehmenden Kandidaten für die Präsidentschaft. Er hatte wie auch andere Gouverneure – wie es heißt, unter Druck - seine Kandidatur am Freitag kurzfristig zurückgezogen. Nach Berichten war ihm zugesagt worden, als Vizepräsident nominiert zu werden. Der Präsident selbst soll seinen Namen handschriftlich in die Rede geschrieben haben, mit der Yar’ Adua seine Wahl annahm. Aber alles kam in der letzten Minute ganz anders, wie nicht selten in Nigeria. Die Anti-Korruptionsbehörde EFCC soll kurz vor der Bekanntgabe in Gestalt ihres Vorsitzenden Ribadu beim Präsidenten mit Belastungsmaterial gegen Odili vorgesprochen haben. Einige Gouverneure hätten den Präsidenten ebenfalls bedrängt, ihn nicht zu nominieren: Er sei eine zu starke Persönlichkeit, um sich mit der Rolle des zweiten Mannes abzufinden. Das Zerwürfnis des jetzigen Präsidenten mit seinem Vize solle als Warnung dienen, derartiges künftig zu vermeiden.
Für das Amt des Vizepräsidenten nominiert wurde schließlich Goodluck Jonathan, der damit einen weiteren vom Glück begünstigten Karriereschritt vollzieht. Erst im Frühjahr war er dem korrupten Gouverneur des Staates Bayelsa im Nigerdelta, Alamieyeseigha, nachgefolgt. Dadurch ist das „Ticket“ von PDP, die Kombination aus Kandidat für das Amt des Präsidenten und das des Vizepräsidenten, ausgewogen: Der Norden soll den Präsidenten, der Süden, und hier besonders das Krisengebiet Nigerdelta, den Vizepräsidenten stellen. Jonathan gehört zum Stamme der Ijaw, von denen viele der Gewalttaten im Delta verübt werden. Er hat ein Doktorat in Zoologie. Für viele Nigerianer wird dies eine akzeptable Lösung sein, wenn auch die Dachorganisation der Igbo (eine andere der großen Ethnien), Ohaneze Ndigbo, bereits Widerstand angekündigt hat, weil der Präsidentschaftskandidat nicht aus dem Süden oder Südosten komme.
Die Oppositionsparteien ANPP (All Nigeria Peoples Party) und AC (Action Congress) haben sich inzwischen zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen und stehen nun vor der Frage, welche Kandidaten sie den Kandidaten von PDP entgegensetzen sollen. Dies ist nicht nur eine Frage nach geeigneten Persönlichkeiten sondern vor allem auch die strategische Frage, wer in welchem Teil Nigerias akzeptabel ist. Durch ihre Entscheidung hat die PDP der Forderung des Nordens Rechnung getragen, der nächste Präsidentschaftskandidat müsse aus dem Norden kommen. Dies war eine lange diskutierte Frage. Natürlich sollte in einer Demokratie die Qualität des Kandidaten den Ausschlag geben (Meritokratie), und nicht seine regionale Herkunft. Auf der anderen Seite muss man in einem ethnisch und religiös so heterogenen Land wie Nigeria auch einen Präsidenten nominieren, der für alle Nigerianer akzeptabel ist und nicht unter dem Verdacht steht, einseitig das Geschäft einer der Regionen oder Religionen zu betreiben. Dies schreibt übrigens auch die Verfassung mit ihren relativ strengen Regeln vor.
Die Opposition muss nun also einen Präsidentschaftskandidaten finden, der auch aus dem Norden kommt und im Süden mindestens so akzeptabel ist wie der PDP-Kandidat. Einer der beiden Bündnispartner, ANPP, hat seinen Kandidaten gestern nominiert. Die Entscheidung schien zunächst auf eine Kampfabstimmung zwischen dem ehemaligen Militärherrscher General Muhammadu Buchari, dem Gouverneur von Zamfara, Sani Ahmed Yerima, und dem Gouverneur von Yobe, Bukka Abba-Ibrahim, hinauszulaufen. Nach einigen Rangeleien einigte man sich schließlich doch auf einen Konsensuskandidaten: Buchari. Er kommt wie Yar’ Adua aus Katsina und gilt im Norden als sehr akzeptabel. Er kandidierte bereits 2003 gegen Obasanjo. Buchari gilt als militärisch diszipliniert. Als Militärherrscher zeichnete er sich durch sachliche Strenge aus, zeigte aber nach Auffassung vieler wenig politisches Gespür. Yerima war einer der Protagonisten der Einführung des islamischen Shariah-Rechtes in den nördlichen Bundesstaaten. Dies hat ihm im islamischen Norden mehr Sympathien eingetragen als im christlichen Süden, wo befürchtet wird, dieses Recht solle auf ganz Nigeria ausgeweitet werden.
Nun bleibt noch die Entscheidung des zweiten Bündnispartners, AC, abzuwarten. Der gegenwärtige Vizepräsident Atiku Abubakar gilt als aussichtsreicher Kandidat, scheint aber in einer strategischen Klemme zu stecken: Er wurde als Kandidat der PDP in sein jetziges Amt gewählt. Verlässt er die Partei, um für eine andere Partei zu kandidieren, muss er sein Amt aufgeben. Dadurch verlöre er seine Immunität und es ist zu erwarten, dass die Antikorruptionsbehörden sofort Untersuchungen gegen ihn einleiten würden und ihn damit als Kandidaten zumindest beschädigen wenn nicht gar zerstören würden. Atiku streitet auch noch um seine Mitgliedschaftsrechte in der PDP, die er maßgeblich mit aufgebaut hat.
Außerdem bleibt offen, für welches Kandidatenteam sich das Bündnis ANPP/AC entscheiden wird. Sie haben vereinbart, keine Kandidaten gegen einander aufzustellen. Es ist reine Spekulation, aber angesichts der schwierigen Lage des Vizepräsidenten wäre der Berichterstatter nicht überrascht, wenn Buchari gemeinsamer Kandidat für das Amt des Präsidenten würde und AC den Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten stellte.
Vieles spricht dafür, dass das Team Yar’ Adua / Jonathan die Wahlen gewinnen wird, nicht zuletzt hat PDP die stärkste Organisationsstruktur im Lande. Nigeria ist aber immer für eine Überraschung gut. Bis zur Wahl am 21. April darf man daher gespannt bleiben.
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