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Genutzte und versäumte Chancen der Außenpolitik nach 1989

Anmerkungen von Horst Teltschik beim Deutschland-Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau am 19. Oktober 2009

Bericht von der Diskussion zwischen Horst Teltschik und Janusz Reiter auf dem KAS Deutschland-Forum in Warschau am 19. Oktober 2009.

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Erfolgreich seien die Möglichkeiten nach der friedlichen Revolution von 1989 vor allem durch die Erweiterung der NATO und der EU genutzt worden. Dies hob der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl, Prof. Horst Teltschik, beim dritten Deutschland-Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung hervor, dass gestern im alten Palast des Polnischen Primas mit gut 120 Teilnehmern stattfand. Teltschik diskutierte dort mit Janusz Reiter, dem früheren Botschafter Polens in Deutschland und den USA und Präses des Zentrums für Internationale Beziehungen in Warschau.

Der Verbleib Deutschlands in der NATO gegen manche Sirenerufe nicht zuletzt aus Russland, die eine Neutralität nahe legten, und die Erweiterung der NATO und EU nach Osten gegen manche Bedenken und Widerstände seien die grundlegenden und richtigen Entscheidungen gewesen nach 1989. Diese Entscheidungen hätten auch im zentralen Interesse der deutschen Staatsräson gestanden. Dabei habe immer wieder der Tatbestand eine Rolle gespielt, dass das wiedervereinigte Deutschland nur als Mitglied der NATO und EU für seine Nachbarn akzeptabel gewesen sei. Insofern hätte gerade die NATO nach dem Ende des Kalten Krieges eine wichtige integrierende Rolle gespielt.

Für das historisch vielfältig belastete und oftmals schwierige Verhältnis zwischen Deutschland und Polen bezeichnete Teltschik die deutsch-französische Partnerschaft als Vorbild. Beides könne in der konkreten Arbeit im Rahmen des Weimarer Dreiecks weiter ausgebaut und mit Leben gefüllt werden. Wie früher gegenüber Frankreich, so sei auch gegenüber Polen weiter besondere Rücksicht auf die Befindlichkeiten gegenüber Deutschland zu nehmen. In der Außenpolitik sei man stets gut beraten, wenn man die Erfahrung beherzige, dass die Wahrnehmung und Bewertung der Realitäten oft entscheidender sei, als die Sachverhalte selbst.

Konkret empfahl Teltschik Deutschland und Polen an einer gemeinsamen Strategie in Bezug auf den neuen Partnerschaftsvertrag mit Russland zu arbeiten und die Federführung in der Ostpolitik der EU zu übernehmen. Zudem hätten beide Staaten ein Interesse am weiteren Ausbau der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

Versäumt habe man nach 1989, so Teltschik, die Abrüstung voranzutreiben und das Ziel eines gemeinsamen Hauses Europa unter Einschluss Russlands zu verwirklichen.

Fünf aktuelle Herausforderungen benannte Horst Teltschik in seinem Vortrag:

  1. müsse die NATO-Strategie den veränderten Bedingungen angepasst werden.
  2. gehe es um die weitere Entwicklung der EU, wobei die Fragen bezüglich dem Ziel und der Größe der Union beantwortet werden sollten. Diesbezüglich erinnerte Teltschik an das Ziel der „Vereinten Nationen von Europa“, das lange Zeit im Programm der CDU enthalten gewesen sei und für ihn auch heute noch als Vorgabe Gültigkeit besitze.
  3. sei verstärkt an einer Friedens- und Sicherheitsordnung unter Einschluss Russlands zu arbeiten. Die OSZE, die sich vor allem mit Wahlbeobachtung und Menschenrechten beschäftigte, erfülle diese Aufgabe nicht ausreichend.
  4. gelte es angesichts der fortschreitenden Globalisierung ein verstärktes Bewusstsein dafür zu bilden, dass nationale Lösungen für die großen Entwicklungsfragen nicht ausreichten.
  5. müsse über eine neue Weltordnung nachgedacht werden, die nach dem Ende der bipolaren Ordnung (USA – Sowjetunion) und den Schwierigkeiten der durch die USA dominierten unipolaren Ordnung entstehen könne. Dabei sei eine Multipolarität, die im 20. Jahrhundert zu zwei Weltkriegen geführt habe, nicht per se die bessere Lösung.

Botschafter Janusz Reiter verwies in seinem Kommentar ebenfalls auf den großen Erfolg, den die außenpolitischen Weichenstellungen nach 1989 gehabt hätten. Dies werde einem schlagartig bewusst, wenn man sich demgegenüber die Entwicklung auf dem Balkan in Europa vor Augen halte. Heute habe man es aber mit einem in vielfältiger Hinsicht neuen Szenario in der Welt zu tun. Für die EU stelle sich die fundamentale Frage, welche Position sie in der Welt einnehmen werde, welchen Einfluss sie ausüben könne und welche Grenzen sie für sich definiere.

Bezüglich der Mitgliedschaft in der EU wie auch der Zusammenarbeit mit Russland plädierte Reiter für ein pragmatisches Vorgehen, das sich an konkreten Bedingungen orientiere. Auch wenn Polen und Deutschland natürlicherweise nicht immer die gleichen Interessen verfolgten, seien die beiden Länder durch ihre Lage und die politischen Gegebenheiten in besonderer Weise aufeinander verwiesen.

Die anschließende Diskussion vertiefte vor allem die Fragen der Ostpolitik mit Blick auf Russland, die Ukraine und Belarus, aber auch Fragen der Sicherheitspolitik wie etwa die Raketenabwehr in Europa.

Auch die Außenpolitik der neuen Regierungskoalition in Berlin war ein Thema. Diese Frage wird in Polen derzeit häufiger gestellt, da der als Außenminister gehandelte FDP-Chef Guido Westerwelle außenpolitisch und in Bezug auf Polen als unbeschriebenes Blatt gilt.

Durch die anschließenden Interviews von Horst Teltschik für das öffentliche Fernsehen TVP und die Tageszeitungen „Dziennik-Gazeta Prawna“ und „Polska –The Times“ wurden Referent und Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Prof. Horst Teltschik, geb. 1940 im Sudentenland, von 1972-1990 Mitarbeiter Helmut Kohls, danach u.a. Vorstandsmitglied der BMW AG und Präsident von Boing Deutschland, 1999-2008 Leiter der Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik.

Janusz Reiter, geb. 1952 in Kościerzyna (Berent in Kaschubien), Mitarbeiter von Tadeusz Mazowiecki, polnischer Botschafter in Deutschland 1990-95, in den USA 2005-2007 und Beauftragter der Regierung für Klimapolitik, Präses des Zentrums für Internationale Beziehungen Warschau, eines Partners der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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