Grußwort
Oberbürgermeister Markus Lewe, Stadt Münster
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Diskussion und Reflexion über die Mobilitätswende auf kommunaler Ebene
Vom 7. bis 8. September 2023 fand in Münster der Kommunalkongress 2023 unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Markus Lewe statt. Die Veranstaltung konzentrierte sich auf die kommunalpolitischen Möglichkeiten und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Mobilitätswende. Hauptziel war es, zu erörtern, wie Bürgerinnen und Bürger in die Planung und Umsetzung nachhaltiger Mobilitätskonzepte einbezogen und wie Verfahren effizient gestaltet werden können.
Auszeichnung "Integrative Stadt 2023" für Münster
Mit einer kurzen Einführung durch Christoph Jansen, Leiter der KommunalAkademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, startete der erste Kongresstag. Anschließend beleuchtete Stadtbaurat der Stadt Münster Robin Denstorff anhand zahlreicher Beispiele aus der kommunalpolitischen Praxis der Stadt Münster die Bedeutung von Bürgerbeteiligung und Kommunikation in der Mobilitätspolitik. In Vertretung für Oberbürgermeister Markus Lewe nahm Stadtbaurat Denstorff den Preis „Integrative Stadt“ entgegen, den die KommunalAkademie jährlich im Rahmen des Kommunalkongresses verleiht. In seiner Gratulationsrede unterstrich Christian Schleicher, stellv. Leiter Politische Bildungsforen der Konrad-Adenauer-Stiftung, dass der Münsteraner Ansatz sich auch dadurch auszeichne, dass er Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer entwickelt und dabei auch auf Experimentierfreudigkeit und Beteiligung setzt.
Jugendbeteiligung ist Demokratieschule
Unter dem Motto „Jugend trifft Kommunalpolitik“ standen im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Erwartungen an und Erfahrungen mit Jugendbeteiligung in kommunalen Gremien auf der Agenda. Im Zentrum der Diskussion standen junge Perspektiven zur Mobilität der Zukunft, vorgestellt von Vertretern der Jugendräte der Städte Ratingen und Münster, Claus Köster und Lorenz Peuser. Sie diskutierten mit zwei erfahrenen Kommunalpolitikern in Person von Pia Riesterer, Stadträtin Staufen, stellv. CDU-Stadtverbandsvorsitzende, und Dominik Haferburg, Fraktionsvorsitzender, Gemeindevertretung der Gemeinde Lohfelden. Es stellte sich heraus, das die Möglichkeiten für politisches Engagements von Jugendlichen unterschiedlich ausgeprägt, aber immer vorhanden und gewünscht sind. Erfolgreiche Berücksichtigung von jugendlichen Anliegen setze natürlich ein entsprechendes Engagement junger Leute und die Offenheit der etablierten Kommunalpolitik voraus. Auch Unterstützungsstrukturen in den Stadtverwaltungen sind wichtige Erfolgsfaktoren.
Jens Spahn MdB: "Wir müssen miteinander lernen, zu debattieren und Kompromisse wertschätzen."
Das Gespräch mit Jens Spahn MdB über unterschiedliche Perspektiven auf Mobilität im urbanen und ländlichen Raum drehte sich neben konkreten Verkehrsprojekten der Region auch um die Frage, wie es gelingen kann, den Diskussionsraum für gesellschaftlichen Diskurs – gerade auch bei polarisierenden Themen – zu vergrößern, um eine Grundlage für mehrheitsfähige Lösung zu entwickeln – auf der kommunalen, wie auch auf der Bundesebene.
"Beteiligung ist Lebensschule" - Perspektivwechsel ist essentiell
Eine wichtige Rolle bei Beteiligungsverfahren spielen Agenturen, die solche Prozesse nicht selten im Auftrag von Stadtverwaltungen durchführen. Einen kompakten Überblick von Erfahrungen aus diesem Arbeitsbereich lieferte Thomas Hug, Co-Geschäftsleiter von Urbanista Schweiz. Seine teils zugespitzten Thesen lauteten z.B. „Beteiligung ist kein Wunschkonzert“, "Beteiligung ist gut, aber manchmal braucht es eine Entscheidung, um die Stimmung zu wechseln" oder "Manchmal erreicht man durch Beteiligung nicht die Betroffenen". Beteiligung dürfe nicht dazu führen, dass nur die lauten und argumentationsstarken Akteure zu Wort kämen, sondern müsse gut gestaltet werden. Wenn Beteiligung nicht repräsentativ gelinge, müsse das Format angepasst werden. Am besten gelinge Beteiligung durch Experimentieren. So verstanden sei Umsetzung auch Beteiligung. Der Beteiligungsexperte habe gute Erfahrungen damit gemacht, Verkehrsversuche zu wagen und dann vor Ort ins Gespräch zu kommen.
Aufenthaltsqualität steigern, indem Abstellflächen für Autos aus dem Zentrum nach außen verlagert werden
Mit der Frage: „Attraktive Innenstadt – Wunsch oder Wirklichkeit?“ befassten sich mit einem Kurzinput und anschließender Diskussion Dr. Andreas K. Bittner, ADFC-NRW-Landesvorstand und Julian Sievers, Geschäftsführer der Sitronic Sievers GmbH & Co.KG, stellv. Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses der Stadt Münster. Ziel dieses Formates war es, die (vermeintlich) unterschiedlichen Perspektiven zweier Interessenverbände zu dem oft heiß diskutierten Thema „Attraktive Innenstadt“ gegenüberzustellen. Der Austausch verdeutlichte, dass man sich im Zielbild einer attraktiven Innenstadt schnell einig war, während IHK und ADFC auf dem Weg dorthin teilweise unterschiedliche Ansätze in der Verkehrspolitik propagieren. So wies Sievers beispielsweise darauf hin, dass eine Reduzierung von Parkmöglichkeiten im Straßenraum eine sinnvolle Maßnahme sein kann, sofern bei der Planung frühzeitig Gewerbetreibende mit einbezogen werden. Bittner betonte, dass bei Vorhandensein einer guten Fahrradinfrastruktur ein großer Teil der nötigen Wege innerhalb der Stadt mit dem Fahrrad zu erledigen sind.
Seoul setzt konsequent auf digital vernetzte Verkehrssteuerung
Unter dem Slogan „Virtueller Blick über den Tellerrand“ wurde auch die internationale Perspektive miteinbezogen: Thomas
Yoshimura, Leiter des KAS-Büros Korea, und Dr. Nino Galetti, Leiter des KAS-Büros Italien und ehemaliger Leiter des KAS-Büros Frankreich, gaben Einblicke in die Verkehrspolitik der Metropolen Seoul und Paris. Der Bericht aus Seoul beeindruckte vor allem mit dem systematischen Einsatz von Technologie zur Steuerung und Überwachung des Verkehrs und warf bei den Kongressteilnehmern Fragen mit Blick auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte auf. Der Blick nach Paris illustrierte die rasante Geschwindigkeit und Konsequenz, mit der in Paris Fahrradinfrastruktur ausgebaut und der Autoverkehr reduziert wurde. Allerdings profitieren von dieser Wende vor allem die Bewohner des direkten Pariser Stadtkerns, während die Politik von Bewohnern der Außenbezirke kritisch gesehen wird.
Verkehrswende mit Mut zur Transformation gestalten
Der „Adenauer Pitch“ bot die Chance, den Kongressteilnehmer im kurzweiligen, kompakten Format drei unterschiedliche Verkehrsprojekte näher zu bringen und zur Diskussion anzuregen. So erläuterte Danny Freymark, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, stellv. Fraktionsvorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, den Berliner Verkehrsversuch Friedrichstraße, der eines der wahlentscheidenden Themen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus und des Regierenden Bürgermeisters 2023 gewesen war. Er betonte, dass Verkehrsversuche immer durchdacht und in ein Gesamtkonzept eingebettet sein müssen, was im vorgestellten Fall nicht zutreffe.
Eine andere Ebene nahm Katja Treichel-Grass, Leitung Bürgerdeliberation Kopernikus-Projekt Ariadne, in ihrer Vorstellung von Kernbotschaften zur Verkehrswende in den Blick: Wie können bundesweite Beteiligungsverfahren erfolgreich gestaltet werden und welche Herausforderungen bergen sie? Ihr Fazit u.a.: Beteiligung muss immer auf Augenhöhe stattfinden und darf nicht nur „Add-on“ sein.
Den dritten Pitch bestritt Thomas Eltner, Stadt- und Regionalplaner der Technischen Universität Dortmund, mit einer Vorstellung des Projekts „Das Pendellabor - Mobilitätsexperimente, Planspiele und integrierte Ansätze“. An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und kommunalpolitischer Umsetzung führt das Pendellabor Verkehrsexperimente und leistet damit einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Fahrradmobilität.
Zweiter Kongresstag: Auf dem Rad durch Münster
Der zweite Kongresstag war praxisorientiert gestaltet und bot den Teilnehmern die Möglichkeit, am Vortag diskutierte Beispiele nun in der Praxis zu erleben: Nach einem Auftaktimpuls durch Michael Milde, Abteilungsleiter Mobilitätsplanung, Amt für Mobilität und Tiefbau der Stadt Münster und Katharina Thomalla vom Fahrradbüro der Stadt Münster, in dem der konzeptionelle Ansatz der Fahrradpolitik der Stadt Münster vorgestellt und einzelne Praxisbeispiele diskutiert wurden, wurden die Teilnehmer selbst zu Fahrradfahrern. Eine moderierte Fahrradtour durch Münster, die Michael Milde und Katharina Thomalla begleiteten zeigte konkrete Beispiele für verkehrspolitische Entscheidungen und deren Auswirkungen.
Einige Stationen der Radtour waren:
- Projekt „Fahrradstraßen 2.0" und die Beteiligungsverfahren, die dazu führten.
- Das bürgerorientierte Dialogverfahren zur Umgestaltung der "Wolbecker Straße".
- Die „Kanalpromenade" als attraktive Rad- und Fußverbindung.
- Das Konzept des „Fairen Parkens" in Stadtgebieten mit hohem Parkdruck.
Zentrale Erkenntnisse
- Eine erfolgreiche Mobilitätswende auf kommunaler Ebene setzt voraus, dass im Laufe des Prozesses und mit Blick auf die Ziele unterschiedliche Mobilitätserwartungen koordiniert werden.
- Informations-, Diskussions- und Beteiligungsprozesse sind ein essentieller Bestandteil erfolgreicher Planungs- und Umsetzungsverfahren im Rahmen kommunaler Mobilitätsprojekte.
- Entscheidend bei Beteiligungsverfahren sind oft der richtige Zeitpunkt und ein realistisches Erwartungsmanagement. Ziel muss es dabei immer sein, im Verfahren verschiedene Interessen zu berücksichtigen, die Planung zu verbessern und gleichzeitig keine erheblichen zeitlichen Verzögerungen der Planung auszulösen.
- Wie und in welchem Umfang eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger durchgeführt wird, hängt von der Art des Projekts und seine Auswirkung auf Verkehrsteilnehmer, Anwohner und andere Betroffene ab. Beteiligung soll immer eine Wechselwirkung mit dem Gesamtprozess entfalten und einen Beitrag zur Akzeptanz der Veränderungen leisten.
- Manche Änderungen der Mobilitätsinfrastruktur in Städten gewinnt erst nach einiger Zeit des praktischen Erprobens Akzeptanz. Ein Beispiel hierfür sind neue, komplett rot eingefärbte Fahrradstraßen in Münster, die zunächst öffentlich mit großer Skepsis diskutiert wurden, inzwischen aber positiv gesehen werden.
- Auf große Zustimmung traf der Apell, mobilitätspolitische Entscheidungen - wenn möglich - überparteilich zu diskutieren, zu entwickeln und zu beschließen.
- Beteiligungsverfahren und deren Ergebnisse haben häufig keinen repräsentativen Charakter.
- Die Diskussionsbeiträge unterstrichen die Bedeutung der Bürgerbeteiligung und der effizienten Gestaltung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Sie verdeutlichten auch, dass die Mobilitätswende nicht nur eine technische Herausforderung ist, sondern auch eine soziale, die eine breite Beteiligung und Zusammenarbeit erfordert. Dabei wurden nicht nur technische und infrastrukturelle Voraussetzungen diskutiert, sondern auch die Frage, wie wir als Gemeinschaft diese Veränderungen gestalten und leben könne. Das Ziel ist eine nachhaltige, zukunftsfähige Mobilität, die für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich und praktikabel ist. Das Zielbild sind dabei Städte und Gemeinden, in denen sich jeder sicher und frei bewegen kann, in denen Nachhaltigkeit und Lebensqualität Hand in Hand gehen.
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