Mit Daten, Analysen und Technologien im direkten Wählerkontakt
Beim Haustürwahlkampf werden Kandidaten oder (un)bezahlte Wahlkampfhelfer an die Haustüren von Wählern geschickt, um diese in Gesprächen zur Wahlteilnahme zu motivieren. Die Haustürbesuche werden im digitalen Zeitalter jedoch nicht dem Zufall überlassen, sondern mithilfe von Daten, Datenanalysen und Technologien organisiert. Ausgangspunkt für diesen sogenannten datengestützten Haustürwahlkampf sind Wähler- und Wahldaten, wie beispielsweise Alter, Beruf, Wahlbeteiligung oder Parteiwahl in bestimmten Regionen oder Wahlkreisen. Die Daten werden mit statistischen Analyseverfahren ausgewertet, um Wahlkreise oder Straßenzüge zu identifizieren, in denen beispielsweise parteiaffine, aber „wahlmüde“ Anhänger oder unentschlossene Wähler wohnen. Technologische Wahlkampftools wie Apps, Datenmanagementsysteme oder Kampagnenplattformen helfen die Wähler- oder Wahldaten zu verwalten und die Haustürbesuche zu organisieren.
Doch warum das alles, wenn es vielfältige Möglichkeiten zur Wähleransprache über Social Media oder andere Massenmedien gibt? In Zeiten von geringer Wahlbeteiligung, rückläufigen Stammwählern und ausdifferenzierter Mediennutzung fällt es zunehmend schwer, Aufmerksamkeit für Botschaften zu erhalten oder potenzielle Wähler zu erreichen - geschweige denn sie von Inhalten zu überzeugen. Datengestützter Haustürwahlkampf ermöglicht eine individuelle Ansprache mit geringen Streuverlusten (d.h. es werden nur wenige Personen erreicht, die nicht zur Zielgruppe gehören) und ohne journalistischen Filter in Stimmbezirken, in denen insbesondere mobilisierbare Wähler wohnen. Diese Auswahl hilft erfolglose Kontaktversuche zu verringern und dadurch die im Wahlkampf knappen Ressourcen von Geld, Zeit und Personal effektiv auf erfolgsversprechende Wähler zu konzentrieren. Und die Forschung zeigt: Das funktioniert unter bestimmten Bedingungen ausgesprochen gut!
Was macht einen erfolgreichen Haustürwahlkampf aus?
Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass viele der von Kandidaten und Wahlkampfhelfern besuchten Menschen an der Wahl teilnehmen – im Gegensatz zu den oftmals uneindeutigen Befunden zur Wirkung von Wahlwerbung auf Social Media oder anderen Medienkanälen. Aber was sind die wichtigsten Faktoren für den Erfolg eines Haustürwahlkampfs?
Erfolgsfaktor 1: Persönlichen Gespräche als Türöffner
Zunächst genießen die persönlichen Gespräche sozial- und individualpsychologische Vorteile: Sie erscheinen den Wählern weniger zweckorientiert, die Gesprächspartner können wechselseitig aufeinander reagieren und es kann unterschwellig Druck ausgeübt oder ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Die Auswahl der Kandidaten oder Wahlkampfhelfer und ihr Auftreten ist dabei wichtig. So sind die persönliche Bekanntheit, Glaubwürdigkeit und physische Attraktivität wesentliche Faktoren für erfolgreiche Haustürgespräche. Aber auch die Dauer und Inhalte der Gespräche sind entscheidend und sollten in praktischen Schulungen einstudiert werden: Maximal 5 Minuten sollten sie dauern und auf den anstehenden Wahltermin hinweisen. Die Wirksamkeit wird jedoch je nach Gesprächssituation verstärkt bzw. abgeschwächt. So ist ein erfolgreicher Haustürbesuch insbesondere dann zu erwarten, wenn Einstellungen, Interessen oder Meinungen der Gesprächspartner und -inhalte im Einklang stehen. Vor allem die Parteizugehörigkeit nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Der Grund dafür ist, dass Menschen eine begrenzte Kapazität zur Verarbeitung von Informationen besitzen und eher ins Weltbild passende Botschaften auswählen oder erinnern. Infolgedessen haben diese Informationen auch größere Chancen Einstellungen und/oder Verhaltensweisen der Empfänger zu beeinflussen. Und genau hier kommen Daten, Analysen und Technologien ins Spiel, die für die bestmögliche Ausgangsbasis sorgen sollen.
Erfolgsfaktor 2: Mit Daten den Weg ebnen
Beim Einsatz von Daten gilt der Leitsatz „garbage in, garbage out“. Anstatt also eine große Menge an Daten zu sammeln, hat die zielgerichtete Auswahl und Qualität höchste Priorität. Dabei sollten verlässliche Wahl- und Wählerinformationen eingesetzt werden, die Rückschlüsse auf (politische) Einstellungen und Wahlverhalten in geografischen Regionen zulassen. Wahlstatistiken können Wahltrends und -muster identifizieren. Demografische oder soziokulturelle Daten ermöglichen Auskünfte zur Zusammensetzung der Wählerschaft. Die Daten sollten von etablierten Meinungsforschungsinstituten, Einwohnermeldeämtern oder statistischen Ämtern stammen, bei denen die Datenerhebung transparent, nachvollziehbar und datenschutzkonform ist. Ergänzend können eigene Datenerhebungen während der Haustürbesuche oder über Social Media erfolgen. Letztlich sollten alle gesammelten Daten auf ihre Aktualität, Konsistenz und Genauigkeit überprüft werden, um die Zuverlässigkeit der darauf basierenden Strategieentscheidungen sicherzustellen.
Erfolgsfaktor 3: Mit Datenanalysen ans Ziel gelangen
Die statistischen Verfahren zur Datenanalyse bestimmen über die Effizienz des Haustürwahlkampfs, indem sie Regionen ausmachen, in denen Haustürbesuche mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen. Gemeinsam mit Datenexperten sollten gründliche Überlegungen über passende Wähler- und Wahlmodelle angestellt werden, die Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit der Wahlbeteiligung oder Wahl von Parteien in bestimmten Gebieten geben. Hier bietet es sich an, das Mobilisierungspotenzial für eine möglichst kleine Anzahl von Haushalten zu berechnen, in denen viele Parteisympathisanten wohnen, aber die Wahlbeteiligung bei vergangenen Wahlen gering war. Oftmals reichen dafür einfache Regressionsmodelle aus, die bei Bedarf skaliert oder aktualisiert werden. Denn wichtig ist vor allem, dass die Modelle robust sind und während des Wahlkampfs ihre Aussagekraft behalten.
Erfolgsfaktor 4: Technologien als Wegbegleiter
Wahlkampftechnologien sorgen für eine möglichst reibungslose Organisation und Ausführung der Haustürbesuche durch die Kandidaten und Wahlkampfhelfer vor Ort. Einerseits sind Datenbanksysteme wichtig, um Wahl- und Wählerdaten im Einklang mit dem geltenden Datenschutz während der Kampagne zu verwalten, auszuwerten und zu aktualisieren. Diese Systeme sollten vorwiegend in der Hand von Experten liegen und geografische Analysen von Wählerpotenzialen sowie wichtiger Erfolgskennzahlen wie den geöffneten Türen oder positiven Gesprächen ermöglichen. Andererseits sind Apps bedeutsam, die es den Kandidaten oder Wahlkampfhelfern ermöglichen, die Datenanalysen einzusehen, Marschrouten interaktiv auf einer Karte zu planen, Leitfäden für Haustürgespräche über verschiedene Themen abzurufen und Informationen über die Gesprächspartner nach geltendem Datenschutz zu sammeln. Dafür sollte die App einfach zu bedienen sein, spielerische Elemente zur Motivation beinhalten, in die Kampagneninfrastruktur eingebunden sein und hohe Sicherheitsstandards garantieren.
Fazit
In einer Zeit, in der Menschen zunehmend schwer zu erreichen sind, stellt der datengestützte Haustürwahlkampf ein effektives Mittel dar, um ausgewählte Wähler an ihren Haustüren zu mobilisieren. Der strategische Einsatz von Daten, Analysen und Technologien ermöglicht es, erfolglose Kontaktversuche zu verringern und damit die knappen Kampagnenressourcen zu sparen.
Über den Autor
Dr. Simon Kruschinski ist Kommunikationswissenschaftler und Postdoktorand am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit 2015 forscht und lehrt er zum Einsatz und zur Wirkung von strategischer Kommunikation in politischen Kampagnen. In Publikationen, Vorträgen und Medienbeiträgen gibt er Einblicke, wie Kampagnen mit Medien, Technologien und Daten arbeiten, um Menschen zu beeinflussen. Er bietet Workshops, Analysen und Beratungen an, um strategische Kommunikation im digitalen Zeitalter zu verstehen und gewinnbringend einzusetzen.
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Rund um die Themen Kommunikation, Kampagnenmanagement und Digitale Strategie gibt der Blog Einblicke in aktuelle Trends der Politischen Kommunikation. Kommunikationsexpertinnen und -experten geben innovative, praktische Tipps für die politische Kampagne und für die Umsetzung.