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Country reports

Rechtsstaatliche und -politische Entwicklungen in Rumänien

Infolge der Massenproteste im November 2015 wurde in Rumänien die Ernennung einer Technokratenregierung unter dem ehemaligen EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş beschlossen. Nach einer halbjährigen Amtszeit setzt die Regierung nach wie vor auf die Bedeutung einer unabhängigen und leistungsfähigen Justiz und erfreut sich einer breiten Zustimmung seitens der rumänischen Bevölkerung.

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Aktueller Stand der Justizreform

Seit mehreren Jahren befindet sich das rumänische Justizsystem in einem kontinuierlichen Reformprozess. Der gesetzliche Rahmen für die Gewährleistung einer unabhängigen und transparenten Justizverwaltung, einer professionellen Richterschaft und Staatsanwaltschaft, usw. wurde weitgehend verabschiedet.

Auch das für die Korruptionsbekämpfung erforderliche institutionelle Gefüge ist nun weitgehend gefestigt und erfreut sich einer ständig wachsenden Leistungsfähigkeit. Es handelt sich dabei hauptsächlich um den Aufbau und die Funktionsweise der Nationalen Antikorruptionsbehörde (DNA), der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus (DIICOT) und der Nationalen Integritätsagentur (ANI).

Trotzdem werden im Parlament gelegentlich Gesetzesentwürfe eingereicht, welche z.T. die Änderung von Bestimmungen des Strafrechts oder der –prozessordnung im Sinne einer Erschwernis der Arbeit von Ermittlungsbehörden oder Gerichten im Strafverfahren vorsehen. Mehrere davon wurden nach massiver Kritik zurückgezogen, weitere wiederum abgelehnt, andere warten noch auf eine Bearbeitung im Parlament.

Schon mehrmals wurden seitens der Justiz und der Zivilgesellschaft eine höhere Rechtssicherheit und mehr Vorhersehbarkeit in der Gesetzgebung gefordert.

Bekämpfung der Korruption

Die Korruptionsbekämpfung in Rumänien bleibt weiterhin prioritär und verzeichnet langsame, aber sichtbare Fortschritte. Zu bemerken ist auch ein gewisser Mentalitätswandel in den Reihen der Bevölkerung. Zwar bezieht sich diese Änderung hauptsächlich auf sogenannte „white collar crimes“ – Korruption auf kleiner Ebene, z.B. im Gesundheits- oder Bildungswesen bleibt weiterhin systemisch – trotzdem gilt dies als positives Anzeichen.

DNA, DIICOT und ANI nehmen jährlich zunehmend Ermittlungen gegen mittel- und hochrangige Politiker, Beamte oder Geschäftsleute auf, welche ferner vor Gericht gebracht und nicht selten mit Freiheitsstrafen belegt werden. DIICOT soll künftig - wie auch DNA - über eine eigene Kriminalpolizei verfügen, was die doppelte Weisungsgebundenheit (zum einen gegenüber dem Innenministerium und zum anderen der Staatsanwaltschaft) beseitigen und mehr Unabhängigkeit verleihen soll. Die Professionalität der genannten Behörden hat maßgeblich zur Steigerung des Vertrauens in die rumänische Justiz beigetragen.

Funktionsfähig wird in diesem Jahr auch die neu aufgestellte „Nationale Agentur für die Verwaltung beschlagnahmter Güter“ (ANABI); in enger Zusammenarbeit mit der Staatlichen Agentur für Finanzverwaltung (ANAF) wird diese die Verwertung sichergestellter und beschlagnahmter Vermögenswerte aus Straftaten ermöglichen. Allein von der DNA wurden 2015 Vermögenswerte in Höhe von fast 500 Mio. Euro sichergestellt, davon muss der Staat noch etwa 200 Mio. Euro abschöpfen.

Um die bereits erreichten Fortschritte zu festigen und die Verinnerlichung von Integritätsauflagen unter Bediensteten der öffentlichen Verwaltung zu fördern, ist die Erarbeitung der neuen Antikorruptionsstrategie für den Zeitraum 2017-2020 unter der Federführung des Justizministeriums im Gange. Hierbei stehen die Präventionsmaßnahmen und der strukturelle Aufbau einer internen Kontrolle im Vordergrund, welche zugleich eine neue Mentalität gegenüber der Korruption fördern sollen. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung bleibt die ausreichende Zuwendung von finanziellen Mitteln.

Entscheidung des Verfassungsgerichts beeinflusst negativ die Korruptionsbekämpfung

Die Rolle des rumänischen Verfassungsgerichts ist in den letzten Jahren zunehmend konsolidiert worden. Das Gericht wird immer häufiger zur Beilegung von Verfassungskonflikten zwischen staatlichen Behörden herangezogen und beeinflusst dadurch maßgeblich die politischen und staatsorganisationsrechtlichen Beziehungen zwischen den Institutionen. Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts genießen grundsätzlich eine breite Anerkennung, lösen aber sachliche und öfters auch persönliche Angriffe in den Medien aus.

Ein aktuelles Beispiel hierzu ist die am 14. März 2016 veröffentlichte Entscheidung, in der Art. 142 Abs. 1 der Strafprozessordnung für verfassungswidrig erklärt wurde. Dieser besagt: „Der Staatsanwalt führt die Telekommunikationsüberwachung durch oder ordnet deren Durchführung von der Strafermittlungsbehörde, von spezialisierten Polizeibeamten oder von anderen spezialisierten staatlichen Behörden an“. Der Text betrifft faktisch die vom Inlandsnachrichtendienst (SRI) im Auftrag der Staatsanwaltschaften durchgeführten Telekommunikationsüberwachungen.

Laut Verfassungsgericht verstoße die Bestimmung gegen das Rechtsstaatsprinzip insofern als die Einschränkung von Grundrechten wie das Recht auf Schutz der Intimsphäre, des Familien- und Privatlebens und das Recht auf Briefgeheimnis unter Beachtung des Art. 1, Abs. 5 der Verfassung erfolgen müsse (Achtung der Verfassung, ihrer Vorrangigkeit und der Gesetze). Zudem sei aus dem Gesetzestext nicht eindeutig ersichtlich, wer die spezialisierten Behörden seien, die die Telekommunikationsüberwachung durchführen. Die rechtliche Lage der in laufenden Strafsachen bereits durch Abhörung erhobenen Beweise (mithilfe von SRI) ist unklar: Ihr Aufrechterhalten wird nun im Einzelfall von den Richtern beschlossen. Nun ist es möglich, die durch Abhörung gewonnenen Beweise nach ihrer Prüfung in der Entscheidungsfindung rechtmäßig zu verwerten. Des Weiteren besteht die Möglichkeit der Annullierung dieser Beweise vor Gericht. Dies würde nicht automatisch „ein Ende der Korruptionsbekämpfung“ bedeuten, sondern lediglich die Verlängerung der Prozessdauer oder die Notwendigkeit einer erweiterten Beweisaufnahme.

Unabhängigkeit der Justiz

Die rumänische Verfassung sieht nicht nur die Unparteilichkeit der Gerichte, sondern auch die Unabhängigkeit der Richter vor. Faktisch aber werden Richter, welche in Fällen von großem öffentlichem Interesse entscheiden, oftmals durch die Medien von Politikern unter Druck gesetzt. Zwar ist die Reaktionsfähigkeit des Obersten Rates der Magistratur (CSM) in den letzten Jahren wesentlich gestiegen, jedoch wird ein effektiver Schutz des beruflichen Ansehens von Richtern nicht hinreichend gewährleistet.

Problematisch bleibt ferner die Abstimmung im Parlament über DNA-Anträge auf Festnahme/ Untersuchungshaft für Abgeordnete und Senatoren, bzw. für die Aufnahme von Strafermittlungen gegen Minister oder Ex-Minister. Allein 2015 wurden insgesamt 23 Anträge gestellt, wobei sieben aus nicht klar einsehbaren Gründen zurückgewiesen wurden, unter anderem auch der DNA-Antrag auf die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen den damaligen sozialdemokratischen Premierminister Victor Ponta. Das Parlament wurde hierfür von der Zivilgesellschaft und westlichen Botschaften kritisiert. Erforderlich seien, laut dem letzten Bericht der EU-Kommission im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens, objektive Kriterien für die Aufhebung von Immunität, um eine willkürliche Anwendbarkeit strafrechtlicher Bestimmungen für Parlamentarier auszuschließen.

Der Eurobarometer vom Februar 2016 zeigt, dass die wahrgenommene Unabhängigkeit des rumänischen Justizwesens fast den EU-Durchschnitt erreicht hat: 52% der Befragten schätzten diese als „sehr gut“ bzw. „gut“ ein. Des Weiteren behaupten 74% der Befragten, dass die Unabhängigkeit der Richter durch ihren Status und Position hinreichend gewährleistet ist. Die politische Einflussnahme bleibt weiterhin der Hauptgrund für die negative Wahrnehmung der Unabhängigkeit des Justizwesens.

Herausforderungen für das rumänische Justizsystem

Zu den künftigen Herausforderungen zählt die Aufstellung eines transparenten und leistungsorientierten Auswahlverfahrens, insbesondere mit Blick auf die anstehende Besetzung von Führungspositionen in der Justiz. Für die Ämter des leitenden Staatsanwaltes der DNA und des Generalstaatsanwaltes stehen die Personen bereits fest – Laura Codruța Kövesi und Augustin Lazăr. Anfang des Jahres wurde Mircea Aron zum Präsidenten des CSM gewählt.

Neu ernannt oder gewählt werden müssen außerdem der Präsident des Obersten Gerichts- und Kassationshofs, die Mitglieder des CSM und der Präsident und drei Mitglieder des Verfassungsgerichts.

Darüber hinaus bleiben der Vollzug gerichtlicher Entscheidungen, einschließlich bezüglich der Vermögensausschöpfung, und die stärkere Förderung einer Präventionskultur ausschlaggebend.

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