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Konrad-Adenauer-Stiftung

Country reports

Die Zerstörung der Demokratischen Partei?

by Johann C. Fuhrmann, Max Duckstein

Jüngste Parteispaltung wird zur Gefahr für den Staatspräsidenten

Seit Monaten ist die Demokratische Partei in zwei Lager gespalten. Ende März fanden zwei parallele Abstimmungen über den Vorsitz der größten mongolischen Oppositionspartei statt. Beide Lager reklamieren für sich, die gesamte Partei zu repräsentieren. Eine Überwindung der Spaltung unter den beiden neu gewählten Vorsitzenden scheint derzeit kaum realistisch. Die parteiinternen Streitigkeiten sind längst zu einer ernsthaften Gefahr für die Wiederwahl von Staatspräsident Battulga geworden. Seine erneute Nominierung durch die Demokratische Partei für die im Juni geplanten Präsidentschaftswahlen ist zurzeit völlig ungewiss.

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Vorgeschichte: Reformen unter neuer Führung

Seit die Demokratische Partei (DP) bei den Parlamentswahlen im Juni vergangenen Jahres eine herbe Niederlage erlitt, ist die Partei nicht zur Ruhe gekommen. Nachdem der damalige Vorsitzende S. Erdene sein Amt nach den verlorenen Wahlen satzungsgemäß niederlegte, schienen zunächst dem Staatspräsidenten Battulga nahestehende Politiker die Führung der Partei zu übernehmen. Unter dem kommissarischen Vorsitzenden T. Tuvaan und dem designierten Leiter des Parteisekretariats P. Nurzed gelang der Partei eine rasche Neuorganisation, die vor allem auf die damals bevorstehenden Regional- und Kommunalwahlen am 15. Oktober 2020 abzielte. Unter den demokratischen Spitzenpolitikern herrschte Konsens, keine weitere Unruhe in den zweiten landesweiten Wahlkampf innerhalb weniger Monate zu bringen. Als indirekter Wahlkämpfer für die DP reiste Staatspräsident Battulga unermüdlich durchs Land. Der Partei gelang es in der Folge, mehr als nur einen Achtungserfolg zu erringen: In neun der 21 Provinzen des Landes gewann die DP überraschend die Stimmenmehrheit und konnte die Landesregierungen stellen.

Als nächsten Schritt plante die neue Führung, die Parteisatzung grundlegend zu überarbeiten. Auf einem Parteitag sollte die neue Satzung angenommen und zugleich eine neue Parteiführung gewählt werden. Die Planungen für einen Parteitag wurden jedoch infolge eines erstmaligen lokalen Ausbruchs des COVID-19-Virus Mitte November 2020 gestoppt. Die regierende Mongolische Volkspartei (MVP) versuchte, die Ausbreitung des Virus durch einen harten, wochenlangen Lockdown zu bremsen. Da die alte Parteisatzung eigentlich unmittelbare interne Wahlen nach einem Rücktritt vorsieht, geriet die neue Führung um Tuvaan zunehmend unter Druck, ihre geplante Parteireform zu verabschieden. Am 7. Dezember rang man sich schließlich zu einer digitalen Verabschiedung der Reformen durch. Doch machte sich in Teilen der als zersplittert geltenden Partei umgehend öffentlich geäußerter Unmut breit. Zu sehr sei nun unter der neuen Satzung die formale Macht von der Basis in die Zentral-DP verschoben worden. Während der Parteivorsitzende zuvor von allen Mitgliedern gewählt worden war, sollten nun nur noch das zentrale Policy-Komitee der Partei und der Delegierten-Parteitag in einem komplizierten zweistufigen Verfahren über den Vorsitzenden und den Parteivorstand abstimmen.

 

Erdenes Rücktritt vom Rücktritt

Die größte Kritik entzündete sich jedoch an einer anderen Klausel: Laut neuer Satzung soll die Partei einen amtierenden Staatspräsidenten der DP nicht mehr durch eine interne Abstimmung für eine Wiederwahl nominieren müssen. Vielmehr sollte Battulga, der als Kandidat der DP 2017 durchaus überraschend das höchste Staatsamt erlangte, ohne eine parteiinterne Vorwahl erneut für die Partei ins Rennen geschickt werden. Brisant ist dies, da in der Mongolei ausschließlich die Parteien, die im Parlament vertreten sind, je einen Kandidaten für die Wahlen um das höchste Staatsamt nominieren können.

Als einzige Kraft, die der ehemaligen sozialistischen Staatspartei MVP Paroli bieten kann, gilt die Nominierung durch die DP als realistischste Chance auf Erfolg. Für die erklärten innerparteilichen Gegner des Staatspräsidenten, allen voran den ehemaligen Vorsitzenden Erdene, bot dieser Passus die Gelegenheit, eine „Präsidialisierung“ der DP zu beklagen. In den folgenden zwei Wochen sammelte er die Unzufriedenen in der Partei um sich und kündigte seinen Widerstand an. Trotz der Wahlniederlage verfügt der ehemalige Vorsitzende zweifellos noch immer über zahlreiche Unterstützer in der Partei. So gilt bis heute etwa der finanzstarke ehemalige Staatspräsident Ts. Elbegdorj als enger Verbündeter und Förderer Erdenes.

Am 25. Dezember 2020 gelang dem ehemaligen Parteivorsitzenden schließlich ein bis heute nicht vollends geklärter Coup: Er überzeugte die mongolische Registrationsbehörde, ihm einen Parteistempel für die DP auszustellen. In der Mongolei, in der Behörden- und Organisationsstempel für die Unterzeichnung offizieller Dokumente zwingend erforderlich sind, ist dies nicht nur ein symbolischer Akt. Tuvaan und Erdene behaupteten seither beide, der einzig rechtmäßige Vertreter der Partei zu sein. Auf der alten Parteizentrale, die nach dem Rücktritt Erdenes zunächst verlassen wurde, wehen nun wieder DP-Flaggen. Währenddessen bezogen Tuvaan und Nurzed nur wenige hundert Meter nördlich im Hochhaus des einflussreichen ehemaligen Ministers und Abgeordneten Lu. Bold mit ihrem Team und nicht weniger sichtbarer DP-Beflaggung Stellung.

 

Alles nur Theater?

Am 14. Januar kam es zum nächsten Paukenschlag von gänzlich anderer Seite. Das Oberste Gericht der Mongolei lehnte es ab, die im Dezember beschlossene Parteisatzung und den kommissarischen Vorsitz Tuvaans als rechtsgültig zu bestätigen. Das Gericht ließ verlauten, sich nicht in den Machtkampf zwischen den beiden Fraktionen einzumischen und deshalb keinerlei Bestätigungen der Rechtsgültigkeit ausstellen zu können. Genau diese Bestätigung wird aber juristisch für die Geltung der Änderungen benötigt. Derweil lehnte es das Gericht später ebenfalls ab, Erdene als rechtmäßigen DP-Vorsitzenden zu bestätigen.

Die Nichteinmischung des Gerichts erscheint einigen Beobachtern jedoch nur vorgeschoben. Sie vermuten andere Ursachen für die jüngsten Gerichtsentscheidungen. Zu sehr scheint die regierende MVP von der anhaltenden Spaltung der DP und den jüngsten Gerichtsbeschlüssen zu profitieren. Seit Monaten plant die mit einer Zweidrittelmehrheit regierende MVP bereits den Wahlkampf für das ihr noch verschlossene Präsidialamt. So trat Premierminister U. Khurelsukh am 21. Januar nach einem Skandal im Gesundheitswesen zurück. Noch am selben Tag vermuteten viele Beobachter eine machtpolitische Finte des beliebten Politikers, um sich rechtzeitig vor einer Eskalation der COVID-19-Pandemie im Land aus der politischen Verantwortung zu stehlen. Als einziger Politiker, der Battulga in Umfragen an Zustimmung übertrifft, gilt er vielen in der MVP als idealer Herausforderer. Allerdings stellt Battulga einen nicht zu unterschätzenden Kontrahenten dar: Trotz einiger Aufregung um eine von ihm betriebene Justizreform genießt er gerade auf dem Land weiterhin hohe Zustimmungswerte. So werden aus dem Lager des Präsidenten Vorwürfe laut, dass die MVP Erdene bei seinem Feldzug gegen den Staatspräsidenten insgeheim unterstütze. Zu verhindern, dass Battulga überhaupt erst von der eigenen Partei nominiert wird, sei das gemeinsame Ziel von Erdene und der MVP.

Zweifellos macht Erdene den Staatspräsidenten für seine Niederlage bei den Parlamentswahlen verantwortlich. Das Verhältnis der beiden Politiker war im Vorfeld der Parlamentswahlen stets von öffentlichen Auseinandersetzungen geprägt, die sicherlich beiden Kontrahenten und vor allem der Partei geschadet haben. Wahr ist auch, dass nach einem Abfall der Beliebtheitswerte Khurelsukhs die MVP zunehmend in Sorge gerät. Die zu emotionale Rücktrittsrede des Premierministers wurde von großen Teilen der Öffentlichkeit als vorab geplantes Theaterstück mit allzu großen Krokodilstränen wahrgenommen. Dies beschädigt Khurelsukhs selbstgeschaffenes Image eines Politikers auf den Spuren Vladimir Putins, der sich in der Vergangenheit gerne mit freiem Oberkörper beim Sport oder im geschickten Umgang mit Waffen medienwirksam in Szene gesetzt hat, um sich der Öffentlichkeit als „echter Mann und Macher“ zu präsentieren.

 

Vorstandswahlen zementieren Spaltung

Durch die beiden separaten Vorsitzendenwahlen am 28. März wurde die Spaltung der DP weiter zementiert. Zeitgleich hielten beide Lager Abstimmungen ab. Der alten Satzung folgend, wurden mehr als 200.000 Mitglieder zur Stimmabgabe aufgerufen. Im Lager des ehemaligen Vorsitzenden traten neben altbekannten Gefolgsleuten Erdenes auch die ehemalige Bildungs- und Kulturministerin Ts. Oyungerel an. Ihr wurden in den vergangenen Monaten wechselnd Ambitionen auf einen Abgeordnetensitz, das Bürgermeisteramt der Hauptstadt und sogar das Präsidialamt nachgesagt. Letztlich gewann die Wahl zum Spitzenamt der Partei jedoch der relativ unbekannte und erst 42-jährige M. Tulgat, der als Fraktionsvorsitzender der DP Mitglied im Senat der Hauptstadt ist. Seine Kandidatur überraschte viele Beobachter umso mehr, da er noch bei den Parlamentswahlen am 26. Juni als öffentlicher Kritiker Erdenes aufgetreten war.

Wenig unerwartet wählte die DP um Tuvaan den Abgeordneten Ts. Tsogtgerel aus dem entlegenen Uws-Aimag zum neuen Parteichef. Er hatte 2020 nach 30 Jahren erstmalig für die DP ein Mandat in der Provinz errungen. Er gilt als dem Präsidenten nahestehend und über den die DP chronisch plagenden Fraktionskämpfen stehend. Allerdings waren beide Abstimmungen von technischen Schwierigkeiten geplagt, da es der DP bis heute nicht gelungen ist, ein funktionierendes und akkurates Mitgliedsregister zu erstellen. Während die DP um Tuvaan die Mitglieder zum händischen Ausfüllen von Stimmzetteln in ihren Heimatprovinzen aufrief, versuchte sich Erdene an der Durchführung einer digitalen Mitgliederabstimmung. Angeblich stimmten so 30.000 Mitglieder digital ab, während in der analogen Abstimmung 70.000 ihren Stimmzettel ausfüllten. Dass sich noch am Wahlabend Berichte über Ungereimtheiten beider Abstimmungsverfahren häuften, wird der Legitimation keiner der Urnengänge zuträglich sein. Um nicht erneut einen juristischen Rückschlag zu erleiden, ließ die DP um Tuvaan am 3. April einen Präsenz-Parteitag durchführen: Im Osten Ulan Bators versammelten sich auf einem Parkplatz im Freien 1200 Delegierte, um die Wahl Tsogtgerels abermals zu bestätigen.

 

Ausblick: Ein Staatspräsident unter Druck

Unabhängig davon, dass noch keine Partei offiziell einen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen nominiert hat: Spätestens seit der Rücktrittsrede Khurelsukhs vom Amt des Premierministers im Januar 2021, in der er Battulga frontal angriff, gilt das Rennen zwischen beiden als eröffnet. Kurz nach dessen Rede erschien Battulga persönlich im Parlament und warf Khurelsukh Verantwortungslosigkeit in Krisenzeiten vor. Eine vom mächtigen MVP-Parlamentarier Su. Batbold orchestrierte Kampagne versuche seine Wiederwahl um jeden Preis zu verhindern, beklagte der Staatspräsident vor laufenden Kameras.

Durch den parteiinternen Machtkampf der DP hat sich für den Staatspräsidenten eine weitere Front eröffnet. Er kann sich nicht mehr sicher sein, von der eigenen Partei nominiert zu werden. Zusätzlich hierzu hat der einzige Abgeordnete der sozialdemokratischen HUN-Partei, T. Dorjkhand, eine gänzlich neue Möglichkeit ins Spiel gebracht: Battulga und allen ehemaligen Staatspräsidenten solle aufgrund einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2019 ein erneutes Antreten verwehrt bleiben. Die Verfassungsänderung sieht vor, dass der Staatspräsident sein Amt künftig nur noch für eine Amtszeit von sechs Jahren bekleiden kann. Diese Änderungen rückwirkend auf Battulga anzuwenden, erscheint seinen Gegnern als geschickter Schachzug, auch da die mongolischen Gerichte nicht als unabhängig gelten. Auch wenn die MVP zu dieser juristischen Trickserei noch nicht öffentlich Stellung bezogen hat, wirkt Battulga zunehmend wie ein von seinen zahlreichen politischen Gegnern Getriebener. Aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit der Judikative stellt sich umso mehr die Frage, ob es der Demokratie in der Mongolei langfristig zuträglich wäre, wenn die MVP, die im Parlament bereits über eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit verfügt, zusätzlich das höchste Staatsamt erringt. Um ein solches Szenario einer Machtfülle ohne namhafte Checks and Balances zu verhindern, müsste zunächst die DP zu neuer Einigkeit finden. Realistischer scheint jedoch, dass entweder ein Gerichtsurteil über die Legitimität der jeweiligen Lager entscheidet – oder sich erst nach den Präsidentschaftswahlen zeigt, ob die verlustreiche Partei erneut und notgedrungen ihre Kräfte bündelt.

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