Die Lateinamerika-Politik der Biden/Harris-Administration
Joe Biden, der bereits als Vizepräsident unter Barack Obama durch seine zahlreichen Besuche in Lateinamerika gleichsam wie ein Sonderbeauftragter für die Beziehungen mit der Region agierte, bemüht sich seit seinem Amtsantritt um eine Normalisierung des unter Präsident Trump vernachlässigten Verhältnisses zu den lateinamerikanischen Ländern. Der nun in Los Angeles anstehende Gipfel stellt für die Vereinigen Staaten eine weitere Gelegenheit dar, die eigene Präsenz in der Region zu stärken und eine Allianz zur gemeinsamen Bekämpfung der irregulären Migration zu schmieden. Vizepräsidentin Kamala Harris wurde diesbezüglich beauftragt, sich in Lateinamerika vornehmlich der Ursachenbekämpfung der ungeregelten Migration als Hauptthema der US-Politik zu widmen.
Schon Trumps Regierung fokussierte in ihrer „America First“-Politik in Lateinamerika auf das Zurückdrängen von irregulären Migrantenströmen aus Mexiko und Zentralamerika sowie das Eindämmen der Drogeneinfuhr. Als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele wurde den Ländern meist mit wirtschaftlich spürbaren Konsequenzen gedroht, sollten sie nicht im Sinne der harten amerikanischen Linie kooperieren. Finanzielle Unterstützung für die Länder wurde massiv zurückgefahren und Drittstaatenabkommen und damit verbundene Überführungen von Migranten aus den USA in ihre Herkunftsländer erzwungen. Man zielte durch eine maximale Sanktionspolitik auf Regimewechsel in Venezuela, Cuba und Nicaragua ab und nutzte eine an die Umstände angepasste Anwendung der Monroe-Doktrin als Grundlage für eine unmissverständliche Politik gegenüber dem neuen Rivalen China. Diese sollte sich auch auf die lateinamerikanischen Staaten in ihrem Verhältnis zum Reich der Mitte auswirken.
Neben diesen strategischen und interessengeleiteten Momenten politischer Einflussnahme kümmerten Trump die Belange Lateinamerikas herzlich wenig. Die US-Lateinamerikapolitik folgte dem Prinzip der wohlwollenden Vernachlässigung (benign neglect), was Trumps lateinamerikanischen Amtskollegen beispielsweise durch sein Fernbleiben beim letzten Amerika-Gipfel verdeutlicht wurde. Eine Strategie, die ganz Lateinamerika umfassen würde, war nicht erkennbar, es herrschte vielmehr ein sporadisches Eingreifen in Länder und Regionen vor, die vor allem im Hinblick auf die innenpolitischen Belange der USA von Bedeutung sind.
US-Präsident Joe Biden ist hingegen bestrebt, die gleichbleibenden Herausforderungen für die US-Politik gegenüber Lateinamerika auf andere Art anzugehen, um die eigene Glaubwürdigkeit und den einstigen Führungsanspruch in der Region wiederherzustellen. Zentrale Punkte für seine politische Agenda sind die irreguläre Migration und transnationale Drogenkriminalität, der Umgang mit den autoritären Regimen in Cuba, Venezuela und Nicaragua und die zunehmende institutionelle Instabilität zentralamerikanischer Länder wie El Salvador, Honduras und Guatemala. Dazu kommen der sich in der Region immer stärker bemerkbar machende Klimawandel und der zunehmend als Bedrohung wahrgenommene Einfluss Chinas auf die einst verlässlichen demokratischen Partner in der westlichen Hemisphäre.
Mit dem Demokratie- und dem Klimagipfel im vergangenen Jahr hat Biden gleich zu Beginn seiner Regierungszeit zwei Signale ausgesandt, dass er mit Gleichdenkenden in der Region gemeinsam gegen autoritäre Kräfte wirken und die Ursachen des Klimawandels und seine vielfältigen Auswirkungen bekämpfen möchte. Der nun von den USA in Los Angeles ausgerichtete Gipfel der Amerikas ist in diesem Sinne nicht nur eine Chance, das durch die Trump-Ära beschädigte Verhältnis zu den Ländern Lateinamerikas zu kitten. Im Blick auf die im Herbst anstehenden Midterms, die wichtigen Wahlen zur Halbzeit der Regierungsführung, wird es Biden auch darum gehen, die teilnehmenden Staaten für einen bedeutsamen regionalen Deal zur Bekämpfung von irregulärer Migration und damit verbundenen sicherheitspolitischen Herausforderungen zu gewinnen.
Der Schuss droht nun aber nach hinten loszugehen und der Gipfel für die Amerikaner zum Destaster zu werden, nachdem sowohl der mexikanische als auch der bolivianische Präsident sowie einige karibische Länder kurz vor dem Gipfel ihre Teilnahme infrage stellen, sollten Venezuela, Nicaragua und Cuba nicht eingeladen werden. Diese Diktaturen waren bereits zum vergangenen, von der US-Regierung organisierten Demokratiegipfel nicht eingeladen worden. Ein derart unter Boykott stehender Gipfel würde ideologische Konflikte auf dem Kontinent befeuern und es erschweren, ein dringend benötigtes nachhaltiges Migrationsabkommen zu erreichen und mit Blick auf Brasilien Fortschritte in einer regional abgestimmten Amazonaspolitik zu machen. Zudem unterliefe es die Initiative der USA, die Kooperation mit den lateinamerikanischen Staaten zu stärken und damit auch den zunehmenden chinesischen und partiellen russischen Einfluss zurückzudrängen.
Migration
Im vergangenen Jahr hat sich eine für viele Menschen in Zentralamerika seit Jahren existierende erdrückende Lage hinsichtlich Armut, Gewalt und Perspektivlosigkeit dramatisch verschlechtert. Nachdem im Jahr 2018 Hunderttausende Flüchtlinge aus Zentralamerika mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in einem aufsehenerregenden Marsch Richtung USA aufgebrochen waren, erreichten die Migrationszahlen nun im Jahr 2021 einen historischen Höchstwert. Die Pandemie hat vielen Menschen die Lebensgrundlage entzogen und bestehende Probleme massiv verschärft. Hierunter wäre der sich auf die Landwirtschaft und ihre Erträge negativ auswirkende Klimawandel mit Konsequenzen auf die Nahrungsversorgung zu nennen. Aber auch die überhandnehmende Gewalt von Seiten krimineller Banden und die Unfähigkeit korrupter Regierungen, den Menschen eine Perspektive zu bieten, bleiben Hauptproblemfelder der Region
Kamala Harris war deshalb im letzten Jahr im Auftrag des Präsidenten in Zentralamerika zu Besuch, um dem Willen und den diplomatischen Bemühungen der Regierung Nachdruck zu verleihen, die Ursachen der Migration durch eine Strategie anzugehen, welche die Einführung eines fairen, geordneten und humanen Einwanderungssystems vorsieht. Das von Biden versprochene, vier Milliarden US-Dollar schwere Hilfspaket für Zentralamerika – das aber noch nicht vom Senat genehmigt wurde – hat zum Ziel, ein systematischeres Vorgehen gegen Korruption, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Mobilisierung privater Investitionen sowie eine verbesserte Regierungsführung und effektiven Klimaschutz zu ermöglichen. Dabei geht es auch darum, die Staaten für eine gemeinsame Politik des gegenseitigen Respekts und der geteilten Verantwortung zu gewinnen, welche die Länder nicht mehr bevormundet, sondern einbindet. Darüber hinaus hat Harris in ihrem Call for Action große multilaterale Unternehmen – darunter Microsoft, Mastercard und Nespresso – dazu aufgerufen, in der Region zu investieren. Im Rückgriff auf verlässliche und effektive zivilgesellschaftliche Akteure versucht Harris die Lateinamerika-Strategie zu gestalten. Deren Erfolg hängt aber letztlich stark davon ab, ob sich eine weitere große Migrationsbewegung in Richtung US-Südgrenze und eine drohende Überlastung des Einwanderungssystems vermeiden lässt.
Der von Präsident Trump vorangetriebene Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko wurde nach Amtseintritt Bidens vorerst eingestellt. Das „Remain in Mexico“-Programm, das seit 2019 in Kraft ist, sollte aufgehoben werden, genauso wie der von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisierte Titel 42, der es Grenzbehörden ermöglicht, Migranten an der Grenze zwischen den USA und Mexiko abzuweisen. Als Resultat beider letztgenannter Verordnungen müssen Einwanderer aus Drittstaaten, die über Mexiko in die USA gelangen wollen, die Entscheidung über ihren Asylantrag an der mexikanischen Grenze abwarten. Zehntausende Migranten und Asylsuchende befinden sich hierdurch in einer menschunwürdigen Situation, die dann auch meist das Ende des Traums von der Einwanderung in die USA bedeutet. In den letzten zwei Jahren soll es zu fast zwei Millionen Zurückweisungen gekommen sein. Alle Versuche der Biden Administration, die von seinem Vorgänger platzierten Verordnungen zurückzunehmen, sind jedoch bislang gescheitert, zuletzt die Aufhebung des Titels 42, welche durch einen Bundesrichter aus Louisiana geblockt wurde.
Klimawandel
Neben der Migrationspolitik hat sich die Biden-Administration im Blick auf Lateinamerika vor allem auch dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben. Während seines Wahlkampfes machte Biden deutlich, dass der Klimaschutz eine Priorität seiner Innen- und Außenpolitik sein würde, und dass er den Fokus auf Energie in Lateinamerika wiederaufnehmen würde. Seine Zusage, den Klimawandel zu bekämpfen, wurde von vielen lateinamerikanischen Regierungen unterstützt. In seinen ersten bilateralen Telefongesprächen mit der Region hatten die Präsidenten von Argentinien, Chile und Costa Rica ihre Bereitschaft bekundet, die im Pariser Abkommen festgelegten Ziele gemeinsam zu verfolgen und die multilaterale Zusammenarbeit beim Klimawandel zu vertiefen.
Das Inkrafttreten des Escazú-Abkommens im April 2021 als wichtigstem regionalen Umweltschutzabkommen gibt der Bevölkerung Lateinamerikas neue Möglichkeiten der Information, Partizipation und des Zugangs zum Recht in Umweltbelangen. Es ist ein großer Schritt in Richtung stärkerer Einbindung der Zivilgesellschafft und spiegelt den in vielen nationalen und regionalen Erklärungen zum Ausdruck gebrachten Wunsch, Lateinamerika in eine nachhaltige und umweltfreundliche Region zu verwandeln. Gleichwohl gibt es auch konkrete kommunale und regionale Initiativen, die sich für nachhaltige Stadtentwicklung oder die Förderung von Kreislaufwirtschaft in Lateinamerika einsetzen. Hierunter fällt beispielsweise die von den Vereinten Nationen mit begründete Regionale Koalition für Kreislaufwirtschaft in Lateinamerika und der Karibik, an welcher die Regierungen Perus, Kolumbiens, Costa Ricas und der Dominikanischen Republik mitwirken. Die Biden-Regierung wirkt jedoch eher wie ein Zuschauer, anstatt diese wichtigen Entwicklungen, den Ausbau des Umweltschutzabkommens oder die Aktualisierung der Nationally Determined Contributions aktiv zu unterstützen. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien fällt die Bilanz Bidens in der Zusammenarbeit mit Lateinamerika bisher eher mager aus. Er hatte versprochen, gerade hier neue Arbeitsplätze in der grünen Industrie zu schaffen und China als Technologieanbieter zu verdrängen.
Und auch beim Schutz des Amazonas-Regenwaldes scheint es oft nicht über Willensbekundungen und Mahnungen gegenüber Brasiliens Präsident Bolsonaro hinauszugehen. Vielmehr kam es zwischen den beiden Präsidenten zu Spannungen, als Brasilien von der neuen US-Regierung auf Bidens Klimagipfel im April 2021 zu einem verbesserten Schutz des Regenwaldes aufgefordert wurde. Bolsonaro zeigte zwar Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den USA, doch die fortschreitende Abholzung des Regenwaldes spricht eine andere Sprache. Trotz des auf der COP26 geäußerten Versprechens, die illegale Abholzung bis 2028 zu beenden, wurden allein im Januar dieses Jahres ungefähr 360 Quadratkilometer Regenwald vernichtet. Das brasilianische Nationale Institut für Weltraumforschung geht aufgrund ausgewerteter Satellitenbilder von einer Steigerung der Abholzungsfläche in Höhe von 22% im Zeitraum von August 2020 bis Juli 2021 aus. Biden hat damit an der Haltung des brasilianischen Präsidenten zum Schutz des Regenwaldes im Ergebnis wenig ändern können.
Bekämpfung der organisierten Kriminalität
Im Kampf gegen die organisierte (Drogen-)Kriminalität hat die Biden-Regierung die seit den 1960er Jahren bestehende US-Politik des maximalen Verbots von Drogen und deren Verbreitung nicht in Frage gestellt. Biden übernahm die Regierungsgeschäfte inmitten einer beispiellos schweren Drogenkrise und änderte zunächst die politische Rhetorik und die Ausgestaltung von Maßnahmen. Illegale Drogenlieferungen sollen durch eine engere Kooperation mit Ländern wie Mexiko und Kolumbien reduziert werden. Die Förderung von Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit sowie ländlicher Entwicklung will die Attraktivität für den Drogenanbau einschränken. Bei ihrem Kampf gegen Drogen möchte die US-Regierung erstmals ohne die vormals angewandten Herbizidsprühungen von Coca-Anbaufeldern aus der Luft auskommen.
Die Regierung Biden setzt vornehmlich auf Sanktionen, wenn sie gegen Korruption und Kriminalität vorgeht. Seit Amtsantritt hat sie mindestens 300 Einzelsanktionen gegen Individuen des öffentlichen und privaten Sektors aus Lateinamerika und der Karibik erlassen, die in Korruptionsfälle oder Menschenrechtsverletzungen involviert sind. Hierfür stützt sich die Regierung auf den Global Magnitsky Human Rights Accountability Act aus dem Jahr 2016. Zum Sanktionsportfolio gehören der Widerruf von Visa für die Vereinigten Staaten sowie das Einfrieren von Vermögenswerten korrupter Personen. Die Sanktionen finden beispielsweise Anwendung bei hochrangigen Vertretern Cubas, Venezuelas sowie zentralamerikanischer Regierungen wie die El Salvadors, Guatemalas, Costa Ricas oder Nicaraguas. Hierdurch gelingt es der Biden-Administration, sich wichtige Partner für ihre Strategie der Ursachenbekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen zu sichern und kriminelle Strukturen konsequent zu verfolgen.
Die Ankündigung der US-Regierung, die Präsenz von Attachés des US-Justiz- und Finanzministeriums in den US-Botschaften Zentralamerikas zu erhöhen, um organisierte Kriminalität und illegale Aktivitäten besser zu bekämpfen, wurde bislang nicht eingelöst. Vielmehr steht sogar die Besetzung von zwölf Botschafterposten in ganz Lateinamerika aus, womit rund ein Drittel der US-Botschaften in der Region unbesetzt ist, darunter die wichtigen Vertretungen in Brasilien, Chile und Kolumbien. Dies mag hauptsächlich an der fehlenden Zustimmung zu nominierten Kandidaten durch einige Senatsmitglieder liegen, andererseits zeugt es aber auch von einem gewissen Desinteresse für die Belange der Region.
Sicherheitspolitik
Mit dem Krieg Russlands in der Ukraine und dem steigenden Einfluss Chinas weltweit haben auch die sicherheitspolitischen Bedenken der USA hinsichtlich der Aktivitäten dieser beiden Rivalen in Lateinamerika zugenommen. Eine klare Antwort auf die zunehmend als Bedrohung wahrgenommene Einmischung, vor allem die wirtschaftlichen Aktivitäten Chinas, steht aber noch aus. Dies wiegt besonders schwer, da viele lateinamerikanische Länder eine immer stärkere Beziehung zu China entwickeln, die sich früher oder später in wirtschaftlichen oder finanziellen Abhängigkeiten widerspiegelt.
Auch der Bereich sicherheitspolitischer und militärischer Kooperation Chinas in Lateinamerika hat in Quantität und Qualität zugenommen. Das Ausbleiben einer zielgerichteten US-Initiative und wirksamen Strategie, die für die lateinamerikanischen Staaten eine Alternative zu den chinesischen Angeboten wäre, führt dazu, dass China Lateinamerika als Absatzmarkt für seine Technologieexporte und als Investitionsland für sein Kapital nutzen und seinen Schlüsselinteressen in der Region mehr oder weniger ungestört nachgehen kann. Das südliche US-Kommando (SOUTHCOM) warnt deswegen vor den Konsequenzen der chinesischen Präsenz in geographischer Nähe zu den USA. Vor allem das Interesse am Bau von Tiefseehäfen, die Übernahme von Häfen und die Einflussnahme auf Kanäle wird mit großer Sorge wahrgenommen. In einem zukünftigen Konflikt könnte China in Kooperation mit anti-amerikanisch gesinnten Regimen auf diese Infrastruktur zum Nachteil der US-amerikanischen Sicherheit zurückgreifen.
Eine zweite Herausforderung stellt Russland dar. Und dies nicht erst seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine. Seit Jahren untergräbt Russlands Regierung zusammen mit anderen Akteuren wie China, dem Iran oder Saudi-Arabien demokratische Partnerländer der USA in der Region. Über die Medien und einen intensivierten akademischen und kulturellen Austausch wird die autokratische Einflussnahme und Stärkung gleichgesinnter Regime in der Region gefördert. Dadurch erweitert sich deren Handlungsspielraum und wirkt sich auf innerstaatliche Prozesse sowie regionale und internationale Abstimmungsprozesse aus.
Im Januar drohte der russische Vize-Außenministers Sergei Ryabkovs, Militäreinheiten nach Venezuela, Cuba und Nicaragua zu entsenden und die Festigung der bilateralen und militärisch-technischen Kooperation mit diesen Ländern voranzutreiben. Unter dem Eindruck des von Russland gegen die Ukraine entfesselten Krieges hat diese Drohung einen neuen Geschmack angenommen. Durch geschickte Propaganda und zielgerichtete bilaterale Beziehungen mit denjenigen lateinamerikanischen Regierungen, die eine antiimperialistische Haltung gegenüber den USA hegen, versucht der Kreml, den US-amerikanischen Einfluss in der Region schwächen. Lateinamerika ist zwar durch die aktuelle Ukraine-Krise nicht unmittelbarer Gefahr ausgesetzt, wird aber zusehends gezwungen sein, sich klarer zu positionieren. Denn Moskau hat beispielsweise Nahrungsmitteimporte aus lateinamerikanischen Ländern erhöht, um den Sanktionen der EU-Länder zu entgehen. Außerdem wird die Frage der Ernährungssicherheit Lateinamerikas, die im Kontext der Ursachenbekämpfung der irregulären Migration steht und direkt durch den Ukraine-Krieg betroffen ist, an Bedeutung gewinnen.
Fazit
Gut eineinhalb Jahre nach Amtsantritt kann das Versprechen Bidens, sich mit Hilfe von internationaler und regionaler Kooperation und der Bildung von Allianzen für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen, in zweifacher Hinsicht bewertet werden. Zum einen ist es der Regierung Biden und Harris zwar gelungen, einen neuen, partnerschaftlichen Ton in der Beziehung zu vielen lateinamerikanischen Staaten anzuschlagen und Schritt für Schritt die von Trump gezogenen Mauern einzureißen bzw. für eine neue Strategie der Kooperation unter Partnern zu werben. Jedoch bleibt die Regierung in weiten Teilen hinter ihren Wahlversprechen zurück. Auch die bisherige Umsetzung der Lateinamerikastrategie kann keinesfalls als klare Trendwende zur Trump-Ära mit ihren harschen Praktiken bezeichnet werden. Sie ist weder besonders innovativ, noch kann sie bisher essentielle Fortschritte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, die irreguläre Migration oder den Klimawandel vorweisen.
Internationale Akteure, allen voran China, werden genau beobachten, ob es den USA gelingt, das von Biden angestrebte Aufbruchssignal für die regionale Zusammenarbeit bei wichtigen gemeinsamen Herausforderungen wie Migration, Klimawandel und (Energie-) Sicherheit zu setzen, oder ob der Gipfel die lateinamerikanischen Länder weiter von den USA entfernt und damit die Chance bietet, die USA in ihrem "eigenen Hinterhof" herauszufordern.
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