In Bukarest gewann Dan mit knapp 43 Prozent. Nach dem Verlust der Regierung im November vergangenen Jahres und wiederholten Führungswechseln war Firea neben dem neuen Par-teivorsitzenden Marcel Ciolacu, der auch Präsident der Abgeordnetenkammer ist, die profilierteste und wichtigste Amtsträgerin der PSD. Dan hatte bereits 2012 und 2016 für das Amt kandidiert. Er war der Gründer und erste Vorsitzende der USR, verließ die Partei aber über einen Richtungsstreit. In diesem Jahr nominierte Orban Dan zunächst als Kandidaten der PNL, um so auch eine gemeinsame Kandidatur mit der USR PLUS herbeizuführen, in deren Wählerschaft er noch immer über große Unterstützung verfügt. Getrennte Kandidaturen hätten nahezu zwangsläufig einen Wahlsieg der PSD zur Folge gehabt. Zugleich bleibt Bukarest eine Baustelle der PNL. Für die Wahl zum Stadtrat blieb die Partei mit nur knapp unter 20 Prozent deutlich hinter PSD und USR PLUS zurück. Die USR PLUS schnitt mit 26 Prozent in der Hauptstadt deutlich besser ab. Die Wahl in der Hauptstadt gilt in Rumänien als besonders symbolträchtig, sodass insbesondere der Sieg von Dan von den bürgerlichen Kräften als großer Erfolg gefeiert wurde – ebenso wie die Mehrheit, die jetzt USR PLUS und PNL im Stadtrat haben werden. Allerdings behauptete die PSD mit 32,5 Prozent ihre Stellung als stärkste Einzelpartei in Bukarest. In den sechs Bukarester Stadteilen gewann das Wahlbündnis aus PNL und USR-PLUS die örtlichen Bürgermeisterwahlen in den Sektoren 1, 2 und 6.
Ergebnisse im ganzen Land und Wahlbeteiligung
Landesweite Parteienergebnisse sind aufgrund einer ganzen Reihe verschiedener Wahlbündnisse nicht eindeutig zu ermitteln. Nach den vorliegenden Zahlen für den Bukarester Stadtrat und die Räte in den 41 Kreisen Rumäniens kam die PNL aber voraussichtlich auf ungefähr 33 Prozent, gefolgt von der PSD mit 30 und USR PLUS mit 10 Prozent. USR PLUS hatten erst im August ihre Fusion vollzogen, mit einer Doppelspitze aus dem früheren USR-Vorsitzenden Dan Barna und dem bisherigen PLUS-Vorsitzenden und früheren technokratischen Ministerpräsidenten Dacian Ciolos, der jetzt auch Vorsitzender von Renew Europe im Europaparlament ist. Als relativ neue Partei, die bislang nur begrenzt über kommunale Mandatsträger und lokale Strukturen verfügt, war die Ausgangsposition von USR PLUS für die Kommunalwahl schwächer als bei PSD und PNL. Deren Aussichten für die Parlamentswahl dürften daher über das jetzige Ergebnis auch hinausgehen. Vor allem das Abschneiden in Bukarest wurde von der Partei als großer Erfolg bewertet.
Die Wahlbeteiligung lag bei 46 Prozent. Sie liegt damit etwas unter dem Wert von 2016, als die Zahl etwa 48,5 Prozent betrug. Das dürfte auch darauf hindeuten, dass die Covid-Krise keinen großen Einfluss auf die Wahlbeteiligung hatte. Dabei suggeriert die Statistik eine Beteiligung der tatsächlich ansässigen Bevölkerung, die niedriger erscheint als sie tatsächlich war. Denn aufgrund seit Jahren hoher Auswanderungsraten dürften nach wie vor viele Bürger in Wahllisten registriert sein, die inzwischen im Ausland leben. Bei einer Bevölkerungszahl von derzeit etwa 19,5 Millionen sind 18,3 Millionen Wähler registriert. Traditionell zeigen sich in Rumänien starke regionale Unter-schiede im Wahlverhalten. Der Osten und besonders der Süden – Oltenien, Muntenien und die rumänische Moldau – sind mit Ausnahme der Hauptstadtregion stark von der PSD dominiert. In Siebenbürgen und dem Westen dominieren da-gegen die PNL bzw. andere bürgerliche Kräfte, wobei in den größeren Städten dort oft USR PLUS und nicht die PSD größter Konkurrent der PNL ist.
Nachdem die PSD bei den Europawahlen von 2019 nur 22,5 Prozent erhalten und bei Umfragen seither bei oder unter 25 Prozent gelegen hatte, dürfte das Ergebnis die Position von Ciolacu trotz des Verlustes von Bukarest eher stärken. Ciolacu hatte zuvor unter Druck gestanden, zumal ein Misstrauensvotum der PSD gegen die von Orban geführte Minderheitsregierung am 31.8. gescheitert war. Bei den letzten Kommunal- und Parlamentswahlen 2016 hatte die PSD zwar noch jeweils etwa 40 Prozent erhalten. Bei der Bewertung ihres jetzigen Ergebnisses muss allerdings berücksichtigt werden, dass sich mittlerweile die Partei PRO Romania des früheren Ministerpräsidenten Victor Ponta abgespalten hat, die dieselben Wählerschichten anspricht. Zusammen mögen beide Parteien auf 35 Prozent oder mehr gekommen sein. Ähnliche Ergebnisse könnte die Mehrheitsbildungen nach der Parlamentswahl im Dezember erschweren. Ciolacu hat die Niederlage in Bukarest daher auch darauf zurückgeführt, dass die bürgerlichen Parteien gemeinsam in die Wahl gegangen seien, während die Linke gespalten gewesen sei.
Gegenüber der letzten Kommunalwahl konnte die PNL die Zahl der wichtigen Kreisratsvorsitzenden von 8 auch nunmehr 17 mehr als verdoppeln. Anders als bei der Wahl 2016 wurden die Kreisratsvorsitzenden nunmehr direkt gewählt, was ihre Machtposition weiter stärken dürfte. Kennzeichnend für ihre Position ist, dass sie im politischen Jargon als „Barone“ bezeichnet werden. Nach dem geltenden Wahlrecht werden sie ebenfalls wie die Bürgermeister mit einfacher Mehrheit in nur einem Wahlgang gewählt. Die PSD konnte 20 Kreisratsvorsitzende behaupten. Die übrigen vier gingen an die Demokratische Union der Ungarn (UDMR) in den von der ungarischen Minderheit überwiegend besiedelten Kreisen.
Ausgang der Wahlen in den Kreishauptstädten
In den Kreishauptstädten – jeweils die größten Städte des Landes – gewann die PNL 15 Oberbürgermeister. Die PSD wird nur noch 14 stellen. In ihren traditionellen Hochburgen in Siebenbürgen konnte die PNL mit profilierten Bürgermeistern Erdrutschsiege erzielen. Im Kreis Bihor erzielte Ilje Bolojan (PNL), der bisherige Oberbürgermeister von Oradea, der jetzt für den Kreisratsvorsitz kandidierte, 61,5 Prozent. In der Stadt Cluj (Klausenburg) wurde Emil Boc mit knapp 75 Prozent wiedergewählt. Einen knappen Sieg konnte die PNL aber auch in der zuvor von der PSD regierten Hafenstadt Constanta gewinnen. In Iasi, der traditionellen „Hauptstadt“ der Moldau, wurde Mihai Chirica als Bürgermeister wiedergewählt, der 2016 für die PSD angetreten war, aber aufgrund von Auseinandersetzungen mit seiner Partei, u.a. über Angriffe der von der PSD 2016-19 geführten Regierungen auf den Rechtstaat, zur PNL gewechselt war. In Hermannstadt (Sibiu) gelang Astrid Fodor vom Demokratischen Forum der Deutschen (FDGR) mit 43 Prozent die Wiederwahl. Im Stadtrat erlangte das Forum 29 Prozent, knapp hinter der PNL, die auf 34 Prozent kam.
Neben Bukarest konnte USR PLUS vor allem in Timisoara einen bedeutenden Erfolg verzeichnen. Dort verlor der bereits zuvor nicht unumstrittene Oberbürgermeister der PNL deutlich gegen deren Kandidaten, Dominic Fritz (53 Prozent). Fritz, gebürtiger Bundesdeutscher, war der Stadt seit einem Voluntariat in Jungendjahren verbunden, hatte dort einen Wohnsitz behalten und war zuletzt Persönlicher Referent, dann bis 2019 Büroleiter von Bundespräsident a.D. Köhler. Neben Timisoara konnte USR PLUS auch in Alba Iulia und Brasov die Bürgermeisterämter gegen die Kandidaten der PNL gewinnen. Ciolos und Barna führten ihre Erfolge dabei auch auf ihre Haltung gegen das Establishment der „alten Parteien“ zurück, was implizit auch gegen die traditionsreiche PNL gerichtet ist. Bei einem Teil gerade bürgerlichen Wähler herrscht in Rumänien ein ausgeprägtes Misstrauen gegen Politik und etablierte Parteien.
Fazit
Die Kommunalwahlen gelten als Stimmungstest für die angesetzten Parlamentswahlen am 6. Dezember, auch wenn Kommunalwahlen aufgrund ihrer stärkeren lokalen Strukturen und Verwurzelung eher von den großen Parteien bestimmt werden und die Ergebnisse sich nicht eins zu eins übertragen lassen. Dabei konnte die PNL ihren Anspruch als führende Partei bestätigen. Das gute Abschneiden von USR PLUS vor allem in Bukarest, Timisoara und Brasov dürfte aber auch deren Ausgangsposition über die erzielten Stimmenanteile hinaus stärken. USR PLUS ist gleichzeitig Konkurrent der PNL, sieht sich aber auch als deren künftiger Koalitionspartner in einer gemeinsamen Regierung. Zugleich zeigte sich die PSD durchaus stärker als von den meisten Beobachtern erwartet. Anders als noch bei den Europa- und Präsidentschaftswahlen vom Mai und November 2019 dürften sich bürgerliche Wähler inzwischen weniger aus Ablehnung gegen die jetzt in der Opposition befindliche PSD mobilisieren lassen. Als Regierungspartei wird sich die PNL im Wahlkampf vor allem als Krisenmanager profilieren.
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